Interkantonale Vereinbarung
über das Heilpädagogische Seminar Zürich

(vom 19. März 1984) FN1

Die Kantone Zürich, Solothurn, St. Gallen, Aargau und Thurgau vereinbaren FN2:

I. Allgemeine Bestimmungen

Grundlage und Rechtsnatur
§ 1. Die Vertragskantone führen das Heilpädagogische Seminar Zürich (nachstehend Seminar genannt) gemeinsam. Das Seminar ist eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt mit Sitz in Zürich.

Sitz
§ 2. Sitz des Seminars ist Zürich

Zweck
§ 3. Das Seminar dient der theoretischen und praktischen Aus- und Fortbildung von Heilpädagogen. Massgeblich sind im einzelnen die Vorschriften der Bundesgesetzgebung über die Invalidenversicherung und die Bedürfnisse der Vertragskantone.

§ 4. Das Seminar bildet in folgenden Bereichen aus:

Studienrichtungen
a) Ausbildungsbereiche
a) Pädagogik für Lernbehinderte
b) Pädagogik für Geistigbehinderte
c) Pädagogik für Verhaltensgestörte
d) Pädagogik für Hörgeschädigte
e) Logopädie
f) Psychomotorische Therapie
g) Früherziehung Behinderter
Die Regierungen der Vertragskantone können durch übereinstimmende Beschlüsse weitere Ausbildungsbereiche einführen.

b) Fortbildung
§ 5. Das Seminar organisiert zur Fortbildung Veranstaltungen wie Kurse, Vorlesungen usw., welche entweder zu den speziellen Ausbildungsbereichen oder zu einer allgemeinen heilpädagogischen Fortbildung gehören.

Zulassung zu den Studien
§ 6. Kandidaten mit Arbeitsort oder zivilrechtlichem Wohnsitz im Gebiet der Vertragskantone geniessen bei der Aufnahme in das Seminar den Vorrang gegenüber andern Bewerbern.

Sofern sich mehr Interessenten aus den Vertragskantonen zur Aufnahme melden, als Studienplätze vorhanden sind, hat sich die Zulassung soweit als möglich nach dem Verhältnis der Einwohnerzahlen der letzten vorangegangenen Eidgenössischen Volkszählung zu richten.

Beteiligung anderer Kantone
§ 7. Die Vertragskantone können mit anderen Kantonen sowie mit dem Fürstentum Liechtenstein Vereinbarungen über die Beteiligung am Seminar abschliessen. In den Vereinbarungen sind vor allem die Beiträge an die Kosten des Seminars, die Rechte der Studierenden aus den Vertragsgebieten und die Vertretung in den Organen des Seminars zu regeln.

Die Vereinbarungen können auch den Beitritt zur vollen Trägerschaft vorsehen.

Für Kantone, die bei Abschluss solcher Vereinbarungen bereits Träger des Seminars sind, sind die Regierungen befugt, die Zustimmung zu erklären.

II. Räumlichkeiten

Räumlichkeiten
§ 8. Das Seminar wird bis auf weiteres in gemieteten Räumlichkeiten untergebracht.

Bauten
§ 9. Für allfällige Bauten bleiben besondere Vereinbarungen zwischen den Vertragskantonen vorbehalten. Sie bedürfen der Zustimmung der zuständigen kantonalen Organe.

III. Betrieb

1. Organisation und Zuständigkeit

Organe
§ 10. Die Organe des Seminars sind:

a) Die Seminarkommission
b) Der Rektor
c) Die Lehrerkonferenz
d) Die Rekurskommission

Seminarkommission
a) Zusammensetzung, Wahl und Konstituierung
§ 11. Die Seminarkommission besteht aus 13 Mitgliedern, deren Amtsdauer derjenigen der abordnenden Kantone entspricht. FN2

Die Sitze werden wie folgt verteilt: FN2

a) Zürich 5 Sitze
b) Solothurn 2 Sitze
c) St.Gallen 2 Sitze
d) Aargau 2 Sitze
e) Thurgau 2 Sitze

Allfällige Änderungen der Zusammensetzung aufgrund von Vereinbarungen über die Beteiligung anderer Kantone oder des Fürstentums Liechtenstein bleiben vorbehalten.

Bei der Bestimmung der Mitglieder ist darauf zu achten, dass auch Fachleute der Heilpädagogik in die Seminarkommission gewählt werden.

Die Seminarkommission konstituiert sich selbst. Präsident und Vizepräsident dürfen nicht dem gleichen Kanton angehören.

Zu allen Sitzungen werden der Rektor und ein Vertreter der Lehrerschaft mit beratender Stimme und dem Recht, Anträge zu stellen, beigezogen. Die Ausstandspflicht richtet sich nach dem Personalrecht des Sitzkantons.

b) Zuständigkeit
§ 12. Die Seminarkommission regelt und überwacht den Betrieb des Seminars. Insbesondere stehen ihr zu:

a) Der Erlass ergänzender Vorschriften über Organisation und Zuständigkeit;
b) Die Antragstellung auf Einführung neuer Ausbildungsbereiche;
c) Der Erlass von Vorschriften über die Aufnahme in das Seminar, den Schulbetrieb, die Prüfungen sowie die Abschlusszeugnisse und -diplome;
d) Die Festlegung der Ausbildungsgänge;
e) Der Entscheid über die Ausschreibung und Durchführung der einzelnen Kurse und Veranstaltungen;
f) Der Entscheid über die Durchführung von Kursen und Veranstaltungen für Dritte unter gleichzeitiger Festlegung der Bedingungen;
g) Der Erlass der Arbeits- und Gehaltsordnung für den Rektor, den Prorektor, die Lehrer (Dozenten, Lehrbeauftragte usw.) und die Angestellten sowie die Regelung ihrer Versicherungen;
h) Der Erlass der übrigen Vorschriften, die zum Vollzug der Vereinbarung notwendig sind;
i) Der Abschluss von Mietverträgen;
j) Die Schaffung und die Aufhebung von Lehrstellen;
k) Die Wahl des Rektors, des Prorektors, der Dozenten und der Angestellten sowie deren Entlassung;
l) Die Aufstellung des Voranschlages, die Feststellung der Rechnung sowie die Verabschiedung des Jahresberichtes zuhanden der Kantone;
m) Die Beschlussfassung über Nachtragskreditbegehren;
n) Die Wegweisung von Studenten;
o) Der Entscheid über Rekurse gegen Anordnungen unterer Organe des Seminars.
Rechtssetzende Erlasse werden in der Gesetzessammlung des Sitzkantons veröffentlicht.

c) Ausschüsse
§ 13. Die Seminarkommission kann durch Reglement oder von Fall zu Fall Ausschüsse aus ihrer Mitte einsetzen und diesen besondere Aufgaben übertragen.

Beschlüsse, die Obliegenheiten nach § 12 betreffen, haben vom Gesamtorgan auszugehen.

Rektor
§ 14. Die unmittelbare Leitung des Seminars obliegt dem Rektor.

Sein Aufgabenkreis wird im einzelnen von der Seminarkommission geregelt.

Lehrerkonferenz
§ 15. Die Seminarkommission regelt Organisation und Zuständigkeit der Lehrerkonferenz.

Insbesondere obliegt der Lehrerkonferenz, unter Vorbehalt der Genehmigung durch die Seminarkommission, der Erlass von Richtlinien für die einzelnen Ausbildungsgänge.

Die Lehrerkonferenz wird vom Rektor geleitet.

Rekurskommission
a) Zusammensetzung und Konstituierung
§ 16. Die Rekurskommission besteht aus sechs Mitgliedern. Die Sitze werden wie folgt verteilt: Zürich 2, Solothurn, St. Gallen, Aargau und Thurgau je ein Sitz. FN2

Allfällige Änderungen der Zusammensetzung aufgrund von Vereinbarungen über die Beteiligung anderer Kantone bleiben vorbehalten.

Die Mitglieder der Rekurskommission dürfen nicht in anderer Stellung für das Seminar tätig sein.

Die Rekurskommission konstituiert sich selbst.

Die Amtsdauer stimmt mit derjenigen der abordnenden Kantone überein.

b) Zuständigkeit
§ 17. Die Rekurskommission behandelt Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheide der Seminarkommission, soweit Rechtsverletzungen mit Einschluss von Ermessensmissbrauch und Ermessensüberschreitung zu beurteilen sind. Sie erstattet auf Verlangen der Seminarkommission oder der Regierungen der Vertragskantone Gutachten über Rechtsfragen, die das Seminar betreffen.

c) Verfahrensrecht
§ 18. Für das Verfahrensrecht ist das Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich massgebend.

Oberaufsicht
§ 19. Das Seminar untersteht der gemeinsamen Oberaufsicht der Regierungen und der Parlamente der Vertragskantone.

2. Finanzhaushalt

Beiträge und weitere Einnahmen
§ 20. Die Ausgaben des Seminars werden bestritten mit Beiträgen des Bundes und der Vertragskantone, mit einem jährlichen Sonderbeitrag des Kantons Zürich von Fr. 20 000., mit Beiträgen von Nichtvertragskantonen, für die besondere Kurse und Veranstaltungen durchgeführt werden, mit Schulgeldern und Gebühren und mit weiteren Einnahmen.

Deckungsprinzip
§ 21. Die Vertragskantone übernehmen alle Ausgaben, die nicht durch andere Beiträge und Einnahmen nach § 20 gedeckt sind.

Aufwendungen mit Deckung durch Beiträge der Vertragskantone
§ 22. Die nicht gedeckten Aufwendungen für Kurse des Vollstudiums, für berufsbegleitende Kurse, die Absolventen aller Vertragskantone offenstehen, für allgemein zugängliche Veranstaltungen der Fortbildung, für die Leitung und Verwaltung des Seminars sowie für die Miete der Räumlichkeiten werden durch Beiträge der Vertragskantone bestritten.

Die Beiträge werden zu 50% nach den jedes dritte Jahr neu berechneten Einwohnerzahlen und zu 50% nach den Studentenzahlen auf die Vertragskantone verteilt. Als Studentenzahl gilt die Zahl der Absolventen des Vollstudiums und der berufsbegleitenden Kurse.

Übrige Aufwendungen
§ 23. Die nicht gedeckten besonderen Aufwendungen für die Durchführung von berufsbegleitenden Kursen, die nicht unter § 22 fallen, gehen im Verhältnis der Studentenzahlen zu Lasten der Kantone, für welche die Kurse und Veranstaltungen organisiert werden.

Gebühren und Schulgelder
§ 24. Die Studenten entrichten Gebühren für Exkursionen, Prüfungen und besondere Leistungen. Die Teilnehmer an Fortbildungskursen bezahlen ein Kursgeld.

Studenten, die im Zeitpunkt der Anmeldung ihren Arbeitsort oder ihren zivilrechtlichen Wohnsitz nicht im Gebiet der Vertragskantone haben, müssen überdies ein kostendeckendes Schulgeld entrichten.

Die Seminarkommission setzt die Gebühren, die Schul- und Kursgelder fest.

Voranschlag
§ 25. Die Seminarkommission stellt jeweils den Voranschlag für das folgende Jahr auf, berechnet die Kosten, die aufgrund dieser Vereinbarung von den Kantonen zu übernehmen sind, und reicht Voranschlag und Beitragsgesuch bis spätestens 15. Mai den Vertragskantonen ein.

Nachtragskredite
§ 26. Die Seminarkommission kann in Fällen, die keinen Aufschub zulassen, Nachtragskredite beschliessen. Sie hat hiefür so bald wie möglich die Genehmigung der Vertragskantone einzuholen.

Für die Nachtragskredite gilt ebenfalls der Verteilungsschlüssel gemäss § 22 dieser Vereinbarung.

Überweisung der Betriebsbeiträge
§ 27. Die Vertragskantone haben die veranschlagten Betriebsbeiträge in halbjährlichen Quoten zum voraus an das Seminar zu überweisen.

Rechnungsablage
§ 28. Die Seminarkommission hat die Jahresrechnung den Vertragskantonen zur Genehmigung einzureichen.

Rechnungsüberschüsse werden auf die Leistungen der Vertragskantone entsprechend den Verteilungsschlüsseln für das folgende Jahr gutgeschrieben.

Finanzkontrolle
§ 29. Die Finanzkontrolle richtet sich nach den Bestimmungen des Sitzkantons.

Allfällige Kontrollen der Volksvertretungen der Vertragskantone bleiben vorbehalten.

3. Haftung und Verantwortlichkeit

Im allgemeinen
§ 30. Die Haftung des Seminars und die Verantwortlichkeit seiner Organe, Lehrer und Mitarbeiter richten sich, soweit in diesem Paragraphen nichts anderes bestimmt wird, nach der Gesetzgebung des Sitzkantons.

Schadenersatz- und Rückgriffsansprüche des Seminars werden von der Seminarkommission erhoben. Gegenüber Mitgliedern der Seminarkommission bleibt die Geltendmachung den einzelnen Vertragskantonen vorbehalten. Zuständig zum Entscheid sind die Gerichte des Sitzkantons.

Disziplinarrecht
§ 31. In Disziplinarsachen wird das Disziplinarrecht des Sitzkantons angewendet.

Die Disziplinargewalt steht der Wahlbehörde zu.

Disziplinarmassnahmen können innert 20 Tagen FN3 bei der Rekurskommission angefochten werden.

Besondere von der Seminarkommission erlassene Disziplinar- und Ordnungsvorschriften für die Studenten bleiben vorbehalten.

IV. Schlussbestimmungen

Vollstreckbarkeit von Beschlüssen und Entscheiden
§ 32. Die auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichteten rechtskräftigen Entscheide des Seminars stehen hinsichtlich der Rechtsöffnung vollstreckbaren gerichtlichen Urteilen gleich.

Anstände zwischen den Vertragskantonen
§ 33. Entstehen zwischen den Vertragskantonen Anstände aus dieser Vereinbarung, so entscheidet ein für den Streitfall bestelltes Schiedsgericht.

Jeder Vertragskanton bestimmt ein Mitglied des Schiedsgerichts. Diese Mitglieder bezeichnen 34 weitere Mitglieder, so dass sich in jedem Fall eine ungerade Gesamtzahl ergibt.

Das Schiedsgericht konstituiert sich selbst. Das Verfahren richtet sich nach der Gesetzgebung des Sitzkantons.

Die Vertragskantone regeln durch übereinstimmende Beschlüsse die Entschädigung der Mitglieder des Schiedsgerichts.

Die Kosten des Schiedsgerichts werden in gleicher Weise wie die Beiträge nach § 23 auf die Vertragskantone verteilt, soweit sie nicht das Schiedsgericht den Parteien überbindet.

Kündigung
§ 34. Die Vertragskantone können ihre Mitgliedschaft unter Beachtung einer dreijährigen Frist auf das Jahresende kündigen.

Übergangsvereinbarung
§ 35. Die Übernahme des Seminars vom Verband Heilpädagogisches Seminar Zürich durch die Vertragskantone und die Einzelheiten des Übergangs werden von den Regierungen durch besondere Vereinbarungen mit dem Verband Heilpädagogisches Seminar Zürich geregelt.

§ 36. Diese Vereinbarung tritt nach Annahme durch die verfassungsmässig zuständigen Organe der Vertragskantone auf Beginn des folgenden Kalenderjahres in Kraft.

Der Vereinbarung haben die Vertragskantone wie folgt zugestimmt:

Inkrafttreten
Zürich: Regierungsratsbeschluss vom 20. Juni 1984
Solothurn: Volksabstimmung vom 22. September 1985
St. Gallen: Grossratsbeschluss vom 17. Februar 1986/
Beitrittserklärung des Regierungsrates vom 10. Juni 1986
Aargau: Grossratsbeschluss vom 3. September 1985

________
FN1 OS 49, 874.
FN2 Fassung gemäss RRB vom 7. August 1991 (OS 52, 222).
FN3 Heute 30 Tage gemäss Verwaltungsrechtspflegegesetz in der Fassung vom 8. Juni 1997 (OS 54, 268).