Bibliotheksordnung
der Zentralbibliothek Zürich
(vom 11.Februar 1915) FN1

I. Bibliothekskommission

§ 1. Die Bibliothekskommission setzt sich zusammen aus den Abgeordneten des Kantons und der Stadt Zürich als der Stifter der Bibliothek und den Abgeordneten von Vereinen oder anderen juristischen Personen, die jährlich mindestens Fr. 2000 in bar oder Sammlungsgegenständen einwerfen. Ihren Sitzungen wohnen der Direktor der Bibliothek und der Vizedirektor bei.

Die nicht von den Stiftern gewählten Mitglieder haben beratende Stimme.

§ 2. Die Bibliothekskommission wählt für eine Amtsdauer von drei Jahren FN5 einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten. Aktuar ist der Direktor, Protokollführer der Vizedirektor.

§ 3. Für Einberufung und für Abstimmungen der Bibliothekskommission und ihrer Organe gelten die Bestimmungen des zürcherischen Gemeindegesetzes FN4.

Sie ist beschlussfähig bei Anwesenheit der Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder.

§ 4. Die Bibliothekskommission hat die Oberleitung der Bibliothek.

Sie vertritt diese gegenüber den Stiftern und nach aussen, soweit dies nicht dem Direktor zufällt.

Sie stellt die Grundsätze fest, nach denen die Bibliothek verwaltet werden soll, und entscheidet über deren Angelegenheiten gemäss den Bestimmungen des Stiftungsvertrages FN2, der Statuten FN3 und der Bibliotheksordnung.

§ 5. Ihr steht vor allem zu:

a) die Beschlussfassung über den Voranschlag, die Jahresrechnung und den Jahresbericht;

b) der Erlass sämtlicher Verordnungen (Bibliotheksordnung, Benutzungsordnungen, Amtsordnungen für die Beamten und festen Angestellten usw.);

c) die Festsetzung der Anstellungsverhältnisse der Beamten und festen Angestellten;

d) die Wahl der Beamten und festen Angestellten, und zwar die des Direktors und des Vizedirektors auf den Vorschlag des Ausschusses (§ 7), die der übrigen Beamten und festen Angestellten auf den Vorschlag der Bibliotheksleitung;

e) die Behandlung von Rekursen;

f) die Übernahme neuer Aufgaben, sei es infolge Übertragung durch die Stifter, sei es aus eigenem Antrieb, aber unter Zustimmung der Stifter.

§ 6. Ausserdem liegt ihr ob die Beschlussfassung über:

a) Verteilung der Geschäfte unter den Direktor, den Vizedirektor und die Bibliothekare (§ 10);

b) Grundlagen der Katalogisierung und Aufstellung;

c) Verteilung der einen Hälfte der Anschaffungskredite auf die Fakultäten der Universität (§ 24);

d) Anschaffung einzelner Werke im einmaligen Betrag von mehr als Fr. 200 oder im jährlichen von mehr als Fr. 60 oder Ankauf ganzer Bibliotheken im Betrag von mehr als Franken 1000;

e) Veräusserung nur in einem Exemplar vorhandener Sammlungsgegenstände oder bedeutsamer Doubletten und Doublettenbestände;

f) Versendung besonders wertvoller Sammlungsgegenstände nach auswärts;

g) Vereinbarungen, die die Bibliothek in erheblichem Masse verpflichten;

h) Herausgabe literarischer Publikationen (Neujahrsblatt oder ähnliche);

i) Veranstaltung anderer Unternehmungen (Ausstellungen usw.);

k) Angliederung neuer Sammlungsgebiete;

l) Massregeln, die das Verhältnis zu anderen Bibliotheken des Kantons oder der Stadt Zürich oder die Ausgestaltung des Kataloges der Zentralbibliothek zum zentralen Katalog für Zürich betreffen, soweit solche Massregeln nicht in die Befugnis der Bibliotheksleitung fallen;

m) grössere Dienstreisen der Bibliotheksbeamten;

n) Ansetzung des ordentlichen Urlaubs des Direktors und Bewilligung ausserordentlicher Urlaubsgesuche der sämtlichen Beamten und festen Angestellten;

o) Vermietung von Räumen der Zentralbibliothek an Anstalten ähnlichen Charakters;

p) bauliche Veränderungen.

§ 7. Die Bibliothekskommission bestellt:

a) zur Erledigung kleinerer oder besonders dringlicher sowie zur Vorberatung wichtigerer Geschäfte einen Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und zwei weiteren Mitgliedern besteht und dessen Sitzungen der Direktor und der Vizedirektor mit beratender Stimme beiwohnen;

b) zur Überwachung des Finanz- und Rechnungswesens eine Rechnungskommission von drei Mitgliedern;

c) zur Behandlung besonderer Geschäfte nach Bedarf weitere Subkommissionen.

II. Personal

§ 8. Das Personal besteht:

a) aus dem Direktor, dem Vizedirektor und der nötigen Zahl weiterer Bibliothekare;

b) aus den Beamten und festen Angestellten des mittleren und des unteren Dienstes;

c) aus dem nötigen Hilfspersonal.

§ 9. Dem Direktor steht die administrative und wissenschaftliche Leitung der Bibliothek zu. Der Vizedirektor ist sein Stellvertreter, mit dem er alle laufenden Geschäfte regelmässig bespricht.

§ 10. Der Direktor vertritt innerhalb seiner Befugnisse die Bibliothek nach aussen und gegenüber der Bibliothekskommission und deren Organen.

Er teilt sich mit dem Vizedirektor und den Bibliothekaren in die bibliothekarische Arbeit nach einem von der Bibliothekskommission in den Grundzügen zu genehmigenden Geschäftsverteilungsplan.

Er bespricht mit ihnen, soweit es sich nicht um persönliche Angelegenheiten handelt, alle wichtigeren Geschäfte, zumal die Anschaffungen und die Anträge an die Oberbehörden, in Konferenzen, zu denen nach Bedarf auch mittlere Beamte zugezogen werden können.

Über die Verhandlungen ist ein summarisches Protokoll zu führen.

§ 11. Der Bibliotheksleitung liegen insbesondere ob:

a) die Erhaltung, Vermehrung und Verwaltung der Sammlungen innerhalb der Bestimmungen der Bibliotheksordnung;

b) die Anlage und Weiterführung der nötigen Inventare, Kataloge und Register;

c) die Regelung der Benutzung in den Schranken der Benutzungsordnungen;

d) der Tauschverkehr der Universität, der Kantonsschule und publizierender Vereinigungen;

e) der Verkehr mit den übrigen Bibliotheken des Kantons und der Stadt Zürich und die Fürsorge für den Ausbau des Kataloges (§ 6 lit. l);

f) die Führung des Rechnungswesens mit Ausnahme der Verwaltung der Fonds (§ 14);

g) die Vorbereitung der Geschäfte und die Ausführung der Beschlüsse der Bibliothekskommission, des Ausschusses und der übrigen Subkommissionen;

h) die Aufstellung von Vorschlägen für die Wahl des gesamten festangestellten Personals mit Ausnahme des Direktors und des Vizedirektors;

i) die Einstellung von Hilfskräften innerhalb der bewilligten Kredite;

k) die Verwendung und Überwachung des gesamten Personals;

l) die Aufsicht über das Bibliotheksgebäude (§ 28);

m) die Durchführung von Aufgaben irgendwelcher Art, die der Bibliotheksleitung von der Bibliothekskommission oder deren Organen übertragen werden.

§ 12. Im übrigen sind für das Personal die Amtsordnungen massgebend.

III. Finanz- und Rechnungswesen

§ 13. Die Aufsicht über das Rechnungswesen steht in erster Linie der Rechnungskommission zu. Sie überwacht die Rechnungsführung der Bibliotheksleitung, stellt der Bibliothekskommission Bericht und Antrag über die Kapital- und die Korrentrechnung und entscheidet über Neuanlagen.

§ 14. Die Verwaltung der Fonds der Stiftung (Stammgutfonds, Fonds des Reservekapitals und weitere Fonds) wird von der Zürcher Kantonalbank besorgt.

Die Zinsen des Stammkapitals sind ohne weiteres der Bibliotheksleitung zur Verfügung zu stellen, die Zinse anderer Fonds sowie Kapitalauszahlungen auf Weisung des Präsidenten der Rechnungskommission.

§ 15. Eingänge für die Fonds werden von der Bibliotheksleitung der Fondsverwaltung überwiesen, unter Anzeige an den Präsidenten der Rechnungskommission.

§ 16. Erlöse aus Doublettenverkäufen sind, unter Berücksichtigung von § 5 Abs. 3 der Statuten FN3, dem Fonds des Reservekapitals zuzuweisen.

§ 17. Die Korrentrechnung wird von der Bibliotheksleitung geführt. Sie ist jeweilen auf 31. Dezember abzuschliessen.

Die Prüfung auf ihre zahlenmässige Richtigkeit erfolgt durch die kantonale Finanzdirektion.

§ 18. Die Jahresrechnung wird der Bibliothekskommission in dreifacher Ausfertigung vorgelegt und geht nach ihrer Abnahme an den Regierungsrat und den Stadtrat.

§ 19. Für jedes Jahr sowie für jede Amtsdauer stellt der Ausschuss zuhanden der Bibliothekskommission einen von der Rechnungskommission zu begutachtenden Voranschlag auf.

IV. Anschaffungen

§ 20. Für die Anschaffungen ist nach folgenden Gesichtspunkten vorzugehen:

Es sind vorzugsweise grössere Werke anzuschaffen, deren Ankauf für den einzelnen zu teuer ist und die für ihr Gebiet von Bedeutung sind.

Es ist hiebei Rücksicht zu nehmen auf die Bestände anderer hiesiger Bibliotheken, unter Umständen auch anderer schweizerischer Bibliotheken.

Turicensia sollen vollständig, Helvetica in nötig erscheinendem Umfang gesammelt werden.

§ 21. Die Anschaffungen stehen, soweit sie nicht in die Befugnis der Bibliothekskommission fallen (§ 6 lit. d), der Bibliotheksleitung zu.

§ 22. Von den Anschaffungskrediten steht die eine Hälfte zur unmittelbaren Verfügung der Bibliotheksorgane. Für die andere Hälfte werden von den Fakultäten der Universität Vorschläge eingeholt.

§ 23. Die Anschaffungen aus der ersten Kredithälfte werden von der Bibliotheksleitung entweder im Auftrag der Bibliothekskommission oder auf Grund der im allgemeinen Desiderienbuch oder sonstwie gemachten Vorschläge oder aus eigenem Ermessen vorgenommen.

Für die Lehrkörper der höheren Mittelschulen des Kantons und der Stadt, soweit die Zentralbibliothek für deren Bedürfnisse aufzukommen hat, werden besondere Desiderienbücher geführt, die ihnen mindestens zweimal jährlich zugehen sollen.

§ 24. Über die Verteilung der anderen Kredithälfte auf die Fakultäten fasst die Bibliothekskommission alle drei Jahre vor der Behandlung des Voranschlages Beschluss auf Grund eines Antrages des Senats der Universität.

Die Anschaffungen erfolgen auf Grund von besonderen Fakultätsdesiderienbüchern, die den Fakultäten mindestens zweimal jährlich zugehen sollen. Die Vorschläge werden von der Bibliotheksleitung nach Möglichkeit ausgeführt.

§ 25. Rekurse gegen die Entscheidungen der Bibliotheksleitung über Anschaffungen gehen an die Bibliothekskommission.

§ 26. Werden der Bibliothek von Vereinen oder anderen juristischen Personen oder von Privaten Subventionen zugewendet für Anschaffungen überhaupt oder aus besonderen Gebieten, so dürfen die normalen Anschaffungskredite deswegen nicht vermindert werden.

§ 27. Die Bibliotheksleitung erstattet der Bibliothekskommission halbjährlich Bericht über den Stand der beiden Kredithälften, und zwar mit Rücksicht auf deren Verwendung einesteils für Neuerscheinungen, Fortsetzungen, Zeitschriften und Antiquaria, andernteils für die Hauptanschaffungsgebiete: 1. Allgemeines, 2. Theologie, 3. Staatswissenschaften, 4. Medizin, 5. Veterinärwissenschaft, 6. Philosophie und Pädagogik, 7. Sprachen und Literaturen, 8. Geschichte und Kunstgeschichte, 9.Geographie und Ethnographie, 10. Naturwissenschaften, 11. Helvetica, 12. Handschriften, 13. graphische Blätter und ähnliche Gegenstände, 14. Münzen und Medaillen.

V. Erhaltung des Gebäudes und der Bestände

§ 28. Der bauliche Zustand des Bibliotheksgebäudes wird von der kantonalen Baudirektion regelmässig kontrolliert. Diese führt die nötigen Arbeiten aus nach den Aufträgen der Bibliothekskommission und auf Rechnung der Stiftung.

§ 29. Über das Mobiliar ist ein besonderes Inventar zu führen, das alle drei Jahre zu revidieren ist.

§ 30. Die Bestände sind nach Anordnung der Bibliothekskommission periodischen Revisionen zu unterziehen, über deren Ergebnis jeweilen Bericht zu erstatten ist.

§ 31. Über die Massnahmen gegen Feuersgefahr (inbegriffen Versicherung des Gebäudes und der Bestände) ist alle drei Jahre der Bibliothekskommission Bericht zu erstatten.

VI. Übergangsbestimmung

§ 32. Die Bibliothekskommission setzt die Zeitpunkte fest, an denen die vorstehende Bibliotheksordnung ganz oder teilweise in Kraft treten soll.

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FN1 OS 30, 157 und GS III, 532. Von der Bibliothekskommission erlassen, vom Regierungsrat am 4. März 1915, vom Stadtrat Zürich am 7. Juli 1934 genehmigt.
FN2 432.21.
FN3 432.211.
FN4 Heute G über die Wahlen und Abstimmungen vom 4. Dezember 1955 (161).
FN5 Heute vier Jahre.