Einführungsverordnung
zum Opferhilfegesetz FN4
(vom 2.Dezember 1992) FN1

Der Regierungsrat beschliesst:

A. Beratung der Opfer von Straftaten

Beratungsstellen
§ 1. Die Beratung der Opfer von Straftaten und die Hilfeleistung im Sinne des Opferhilfegesetzes FN4 obliegen den anerkannten Beratungsstellen der Gemeinden und privater Organisationen.

Der Regierungsrat kann bei Bedarf kantonale Beratungsstellen schaffen und durch Verordnung ihre Unterstellung und ihren Betrieb regeln.

Anerkennung von Beratungsstellen
§ 2. Der Regierungsrat anerkennt Beratungsstellen der Gemeinden und privater Organisationen, wenn sie dafür Gewähr bieten, dass ihre Tätigkeit den Anforderungen des Opferhilfegesetzes genügt.

Kostentragung
§ 3. Den anerkannten Beratungsstellen werden die ungedeckten Aufwendungen für ihren Betrieb, die Beratung von Opfern durch beigezogene Fachleute sowie für die materielle Hilfe jeweils nach Genehmigung der Jahresrechnung zurückerstattet.

Die zuständige Direktion des Regierungsrates kann Kostenvor-schüsse gewähren, erstmals nach Genehmigung der ersten Jahresrechnung.

Aufsicht
§ 4. Die anerkannten Beratungsstellen unterstehen der Aufsicht der zuständigen Direktion des Regierungsrates. Sie erteilen ihr die für eine sachgerechte Aufsicht erforderlichen Auskünfte.

Sind die Voraussetzungen für eine Anerkennung nicht mehr gegeben, wird diese entzogen.

Zuständigkeit für die Hilfeleistung
§ 5. Die vom Opfer einer Straftat angesprochene Beratungsstelle ist zur Beratung und Hilfeleistung verpflichtet und bleibt dafür verantwortlich, wenn sie mit anderen Stellen zusammenarbeitet.

Sie kann das Opfer einer Straftat, das ihre Hilfe in Anspruch nehmen will, an eine andere anerkannte Beratungsstelle verweisen, wenn dadurch bessere Hilfe geleistet werden kann. Sie bleibt jedoch für die Beratung und Hilfeleistung verantwortlich, bis die neue Stelle den Fall übernimmt.

Die Beratungsstellen führen ein Register der Personen, die ihre Hilfe in Anspruch nehmen. Sie geben anderen anerkannten Beratungsstellen auf Anfrage darüber Auskunft, ob eine Person von ihnen betreut wird oder Hilfe erhalten hat.

Akteneinsicht durch Beratungsstellen
§ 6. Polizei, Strafuntersuchungsbehörden und Gerichte gewähren den anerkannten Beratungsstellen Einsicht in die Akten des Verfahrens, in dem das Opfer einer Straftat, das ihre Hilfe in Anspruch nimmt, als Geschädigter auftritt. Das Akteneinsichtsrecht darf nur insoweit verweigert werden, als dies gemäss Strafprozessordnung FN3 auch gegenüber dem Geschädigten selbst zulässig wäre.

Ausbildung der Mitarbeiter der Beratungsstellen
§ 7. Der Regierungsrat kann die Anforderungen an die Ausbildung der vollamtlichen Mitarbeiter von Beratungsstellen, die Opfer von Straftaten beraten, festlegen.

B. Entschädigung und Genugtuung

Kantonale Opferhilfestelle
§ 8. Der Regierungsrat errichtet eine kantonale Opferhilfestelle.

Die Opferhilfestelle setzt auf Gesuch des Opfers einer Straftat die Höhe von Entschädigung und Genugtuung im Sinne des Opferhilfegesetzes FN4 fest und richtet diese aus.

Der Regierungsrat erlässt eine Verordnung über Unterstellung und Verfahren der Opferhilfestelle.

Verfahren
§ 9. Die Opferhilfestelle entscheidet aufgrund des Gesuches des Opfers, der Akten des Strafverfahrens und ihrer eigenen Abklärungen sowie der Berichte von Experten. Das Opfer ist verpflichtet, alle zur Beurteilung seines Gesuches erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Benötigt das Opfer sofortige finanzielle Hilfe oder können die Folgen der Straftat nicht kurzfristig mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, entscheidet die Opferhilfestelle innert vier Wochen über die Ausrichtung eines Vorschusses. Übersteigt der Vorschuss die Entschädigung, ist der Mehrbetrag zurückzuerstatten.

Rechtsmittel
§ 10. Die Entscheide der Opferhilfestelle können innert 20 Tagen nach ihrer Zustellung mit Rekurs beim Obergericht angefochten werden. Dieses entscheidet endgültig. Im übrigen gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung FN2 für das Rekursverfahren.

Ansprüche gegenüber dem Täter
§ 11. Wird eine Entschädigung oder Genugtuung geleistet, macht die Opferhilfestelle die Ansprüche des Kantons gegenüber dem Täter geltend.

Wird dadurch die Wiedereingliederung des Täters gefährdet, kann die zuständige Direktion des Regierungsrates den Verzicht auf die Geltendmachung anordnen.

C. Änderung bisherigen Rechts

§ 12. Die nachstehenden Gesetze werden wie folgt geändert:

a) Gerichtsverfassungsgesetz vom 13. Juni 1976: . . . FN5

b) Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919: . . . FN5

D. Inkrafttreten

§ 13. Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1993 in Kraft. Für die Anfechtung der Nichtanhandnahme und die Einstellung eines Strafverfahrens ist das neue Recht anwendbar, wenn diese nach dem Inkrafttreten erfolgen. Die Verordnung fällt mit dem Inkrafttreten eines Einführungsgesetzes zum Opferhilfegesetz dahin.

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FN1 OS 52, 328.
FN2 271.
FN3 321.
FN4 SR 312.5.
FN5 Text siehe OS 52, 328.