Vollzugsverordnung
zur eidgenössischen Epidemiengesetzgebung FN2
(vom 19.März 1975) FN1

Der Regierungsrat beschliesst:

I. Vollzugsauftrag

Zuständige Stellen
§ 1. Die Direktion des Gesundheitswesens, der Kantonsarzt und die Bezirksärzte vollziehen die eidgenössische Epidemiengesetzgebung FN2, soweit diese nicht andere Vollzugsorgane bezeichnet.

Dem Kantonsarzt und den Bezirksärzten obliegen die Vollzugsmassnahmen, mit denen sie in der eidgenössischen Gesetzgebung und in dieser Verordnung ausdrücklich beauftragt werden. Alle andern Vollzugsmassnahmen obliegen der Direktion des Gesundheitswesens.

Vorbehalten bleiben die Aufgaben der Gemeinden nach den §§ 16, 17, 22, 27, 28, 30 und 35 dieser Verordnung. FN6

Begriff der eidgenössischen Epidemiengesetzgebung
§ 2. Unter der eidgenössischen Epidemiengesetzgebung FN2 sind die Bundesgesetze über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen FN3 und über Massnahmen gegen die Tuberkulose FN4 sowie die dazu vom Bund erlassenen Vollzugsverordnungen verstanden.

Nicht zur eidgenössischen Epidemiengesetzgebung FN2 im Sinne dieser Verordnung zählen die eidgenössischen Vorschriften über den Leichentransport, über immunbiologische Erzeugnisse und über biologische Erzeugnisse zur Verwendung am Menschen.

II. Meldewesen

Meldestelle
§ 3. Der Kantonsarzt nimmt die Meldungen der Ärzte und Laboratorien entgegen und leitet sie an das Bundesamt für Gesundheitswesen FN6 und die übrigen Stellen weiter, die von der Bundesgesetzgebung genannt sind oder deren Benachrichtigung aus andern Gründen angezeigt ist.

Er kann anordnen, dass auch übertragbare Krankheiten gemeldet werden müssen, die normalerweise nicht zu melden sind.

III. Mikrobiologische und serologische Untersuchungen

Anerkennungsgesuche
§ 4. FN6 Der Kantonsarzt nimmt die Gesuche der Laboratorien für mikrobiologische und serologische Untersuchungen um Anerkennung entgegen und leitet sie mit seinem Antrag an das Bundesamt für Gesundheitswesen weiter.

Institute für Medizinische Mikrobiologie, Medizinische Virologie der Universität Zürich
§ 5. FN9 Zuhanden der Ärzte und Krankenhäuser führt das Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich bakteriologische, mykologische und serologische, das Institut für Medizinische Virologie der Universität Zürich virologische und serologische Untersuchungen durch.

Bakteriologische Untersuchungen auf Tuberkulose, Diphtherie und Scharlach sowie alle Untersuchungen auf Typhus, Paratyphus, Enteritis, Ruhr und Cholera sind für Kantonseinwohner unentgeltlich, desgleichen amtlich angeordnete weitere Untersuchungen von epidemiologischer Bedeutung.

Die Direktion des Gesundheitswesens kann auch andere Institute als Untersuchungsstelle bezeichnen.

IV. Schutzimpfungen

Impfungen auf Kosten des Kantons
§ 6. Den Kantonseinwohnern wird Gelegenheit geboten, sich unentgeltlich gegen Diphtherie, Starrkrampf, Keuchhusten, Masern, Mumps, Röteln, Tuberkulose und gegen Kinderlähmung impfen zu lassen. FN6

Jeder praxisberechtigte Arzt kann auf Kosten des Kantons impfen. Die Direktion des Gesundheitswesens kann auch andere geeignete Stellen dazu ermächtigen.

Bei den Impfungen sind die anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaft zu beachten.

Impfstofflieferung
§ 7. Die Kantonsapotheke liefert den im Kanton Zürich praxisberechtigten Ärzten und den anderen ermächtigten Impfstellen unentgeltlich Impfstoffe zur aktiven Immunisierung gegen die in § 6 erwähnten Krankheiten.

Sie trifft die Auswahl unter den im Handel erhältlichen Impfstoffen in Verbindung mit dem Kantonsarzt.

Entschädigung der impfenden Ärzte
§ 8. FN6 Für Impfungen gemäss § 6 - ausser für die Verabreichung oralen Impfstoffes gegen Kinderlähmung - richtet der Kanton den Impfstellen folgende Entschädigungen aus:

1. bei Impfungen im Sprechzimmer des Arztes:


2. bei Impfungen ausserhalb des Sprechzimmers des Arztes:
Entschädigung bei Kollektivimpfungen gegen die Kinderlähmung
§ 9. Ärzte, die zu besonderen von der Direktion des Gesundheitswesens angeordneten Aktionen zur oralen Impfung gegen Kinderlämung zugezogen werden, erhalten vom Staat eine pauschale Entschädigung von Fr. 120 FN6 je Stunde.

Ausschluss von Sonderrechnungen an den Geimpften
§ 10. Dem Geimpften darf keine Rechnung gestellt werden:

1. für Impfstoff, den die Kantonsapotheke unentgeltlich geliefert hat,

2. für Impfungen, die dem Kanton verrechnet werden oder mit Impfstoff erfolgen, den die Kantonsapotheke unentgeltlich geliefert hat. Für die Verabreichung oralen Impfstoffes gegen die Kinderlähmung ausserhalb von Impfaktionen, die von der Direktion des Gesundheitswesens angeordnet sind, bleibt es den Ärzten freigestellt, von den Geimpften eine angemessene Entschädigung zu verlangen.

Formulare für die Rechnungstellung der impfenden Ärzte
§ 11. Die Direktion des Gesundheitswesens liefert den Ärzten und den anderen Impfstellen Formulare für die Rechnungstellung an den Kanton. Sie sind ihr innert eines Jahres seit der frühesten darauf verzeichneten Impfung einzureichen.

Für verspätet gemeldete Impfungen kann die Entschädigung verweigert werden.

§ 12. FN5

V. Anordnungen zur Epidemienbekämpfung

Ärztliche Überwachung und Absonderung
§ 13. Der Bezirksarzt ordnet, wo es notwendig ist, die ärztliche Überwachung von Personen an, die eine übertragbare Krankheit weiterverbreiten können.

Er ordnet die Absonderung an, wenn die ärztliche Überwachung nicht genügt und der behandelnde Arzt die erforderliche Absonderung nicht durchsetzt oder nicht durchzusetzen vermag.

... FN7

Zwangsuntersuchungen
§ 14. Der Bezirksarzt ist befugt, Personen, die eine übertragbare Krankheit weiterverbreiten können, zu verpflichten, Untersuchungen und Entnahme von Untersuchungsmaterial an sich vornehmen zu lassen.

Er kann, wenn eine Epidemie droht oder ausgebrochen ist, die ärztliche Untersuchung von Personen anordnen, die bestimmte Tätigkeiten oder Berufe ausüben.

Verbotsanordnungen
§ 15. Der Kantonsarzt ist befugt, Personen, die eine übertragbare Krankheit weiterverbreiten können, die Ausübung bestimmter Tätigkeiten oder Berufe zu verbieten.

Er kann zur Verhütung der Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten Massnahmen gegenüber der Allgemeinheit anordnen (z. B. Verbot oder Einschränkung von Veranstaltungen, Schliessung von Schulen, öffentlichen Anstalten und privaten Unternehmen, Verbot des Betretens oder Verlassens bestimmter Gebäude, Verbot des Badens an bestimmten Orten).

Epidemiologische Abklärungen
§ 16. Die Bezirksärzte sorgen für die notwendigen epidemiologischen Abklärungen. Alle Kantons- und Gemeindestellen haben nötigenfalls dabei mitzuhelfen.

Entschädigung gesunder Personen
für Erwerbsausfall
§ 17. Gesunden Personen, die infolge von Anordnungen des Bezirks- oder Kantonsarztes einen Erwerbsausfall erleiden, kann die Gemeinde eine Entschädigung ausrichten.

Berichterstattung an den Bundesrat
§ 18. Die Direktion des Gesundheitswesens erstattet alljährlich zuhanden des Bundesrates Bericht über den Vollzug des eidgenössischen Epidemiengesetzes FN3.

Ausschluss von Schulen und ähnlichen Anstalten
§ 19. Kinder, Schüler, Lehrer und andere Personen, die an einer übertragbaren Krankheit leiden, sind von Schulen, Kindergärten, Kinderkrippen, Kinderhorten, Tagesheimen für Kinder und ähnlichen Einrichtungen auszuschliessen, bis sie nicht mehr ansteckend sind.

... FN5

Bei Personen, bei denen Verdacht auf eine dieser Krankheiten besteht, sind die gleichen Massnahmen zulässig.

... FN5

§§ 20 und 21. FN5

Zuständigkeit zur Anordnung des Ausschlusses
§ 22. Den Ausschluss ordnet der behandelnde Arzt oder, wenn der Erkrankte nicht in ärztlicher Behandlung steht, der Lehrer oder die zuständige Aufsichtsperson an.

Wenn diese Anordnungen nicht ausreichen oder nicht befolgt werden, verfügt die Schulbehörde oder der Bezirksarzt den Ausschluss.

Sie können nötigenfalls ganze Schulklassen, alle Klassen desselben Schulhauses oder alle Schulen des Ortes schliessen. Sie lassen sich dabei vom Schularzt beraten.

VI. FN9 Sondermassnahmen

1. Allgemeine Massnahmen

Massnahmen ohne Zwang
§ 23. FN9 Die Direktion des Gesundheitswesens kann Gemeinden oder gemeinnützige Organisationen in den ohne Zwang durchführbaren Massnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten unterstützen oder sie mit der Durchführung solcher Massnahmen beauftragen. Sie kann eigene Massnahmen treffen.

2. FN8 Massnahmen gegen Tuberkulose

Fürsorge für Tuberkulöse
§ 24. Die Fürsorge für Tuberkulöse wird der kantonalen Liga gegen die Tuberkulose und Lungenkrankheiten und ihren Sektionen übertragen.

Die Fürsorgestellen der kantonalen Liga und ihrer Sektionen treffen alle ohne Zwang durchführbaren Massnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung der Tuberkulose.

§ 25. FN5

Verweisung auf Bundesrecht
§ 26. Die Massnahmen in öffentlichen und privaten Schulen und Anstalten richten sich nach der eidgenössischen Tuberkulosegesetzgebung.

Schul- und Anstaltsärzte
§ 27. Die Schulen und Anstalten bestimmen die Ärzte und tragen die Untersuchungskosten.

Die Direktion des Erziehungswesens FN6 stellt für das Dienstverhältnis zwischen Schulgemeinden und Schulärzten einen Mustervertrag auf.

Vollzugsorgane
§ 28. Die Schul- und Anstaltsbehörden sorgen für den Vollzug der vorgeschriebenen Massnahmen und ordnen nötigenfalls die erforderlichen Kontroll- und Zwangsmassnahmen an.

Bei privaten Schulen und Anstalten stehen diese Aufgaben und Befugnisse der örtlichen Gesundheitsbehörde zu. Sie können mit Genehmigung der Direktion des Erziehungswesens FN6 einer anderen Amtsstelle übertragen werden.

In privaten Schulen und Anstalten, welche die vorgeschriebenen Massnahmen unterlassen, können diese auf Kosten der Schul- oder Anstaltsinhaber von Amtes wegen angeordnet werden.

3. FN9 Massnahmen gegen Geschlechtskrankheiten

Zuführung zur Untersuchung
§ 29. Personen, die mit Geschlechtskranken Geschlechtsverkehr hatten, sich durch ihren Lebenswandel einer erhöhten Ansteckungsgefahr aussetzen oder sonst in begründetem Verdacht stehen, geschlechtskrank zu sein, können durch die Polizei einem Arzt zur Untersuchung zugeführt werden:

- wenn sie einem Aufgebot des Bezirksarztes keine Folge leisten,

- wenn sie keinen festen Wohnsitz im Kanton haben oder

- wenn sie sich bei einer Polizeikontrolle über ihre Personalien nicht ausweisen können.

VII. FN9 Desinfektion und Entwesung

Anordnungs- und Vollzugskompetenz
§ 30. Der Bezirksarzt ordnet die erforderlichen Desinfektionen und Entwesungen an, soweit sie nicht der behandelnde Arzt veranlasst hat.

Die vom Bezirksarzt angeordneten Schlussdesinfektionen werden von der Gemeinde auf deren Kosten durchgeführt.

Die Gemeinden sorgen dafür, dass ihnen ausgebildete Desinfektoren zur Verfügung stehen.

§ 31. FN5

VIII. FN9 Bundesbeiträge

§ 32. FN5

IX. FN9 Schlussbestimmungen

Ergänzende Zuständigkeit des Kantonsarztes
§ 33. Der Kantonsarzt kann die Befugnisse der Bezirksärzte unmittelbar ausüben.

Befugnisse der Stellvertreter FN6
von Kantonsarzt und
Bezirksärzten
§ 34. Die Befugnisse, die die Bundesgesetzgebung und diese Verordnung dem Kantonsarzt erteilen, stehen auch dessen Stellvertreter FN6 zu.

Die Befugnisse der Bezirksärzte stehen auch deren Stellvertretern FN6 zu.

Mithilfe der Gemeinde
§ 35. Die Gesundheitsbehörden der Gemeinden helfen beim Vollzug der Massnahmen, die die Bezirksärzte oder der Kantonsarzt anordnen.

Rechtsmittel
§ 36. Rekursinstanzen sind:

- gegen Anordnungen der örtlichen Gesundheitsbehörden die Statthalterämter,

- gegen Anordnungen der Bezirksärzte und des Kantonsarztes die Direktion des Gesundheitswesens,

- gegen Anordnungen und Rekursentscheide der Statthalterämter und der Direktion des Gesundheitswesens der Regierungsrat.

Strafbestimmung
§ 37. Übertretungen dieser Verordnung und der gestützt darauf erlassenen Anordnungen können mit Busse bestraft werden. Die eidgenössischen Strafbestimmungen bleiben vorbehalten.

Inkrafttreten
§ 38. Diese Verordnung tritt nach der Genehmigung durch den Bundesrat am Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.

Auf den gleichen Zeitpunkt werden aufgehoben:

- die Verordnung über die übertragbaren Krankheiten vom 4. August 1960 mit Ausnahme des Abschnitts über die Staatsbeiträge

- der Normalarbeitsvertrag für Schulärzte vom 23. Dezember 1954

- die Verfügung der Direktion des Gesundheitswesens über Schutzimpfungen vom 20. Dezember 1973.

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FN1 OS 45, 502 und GS VI, 231.
FN2 SR 818.101 ff.
FN3 SR 818.101.
FN4 SR 818.102.
FN5 Aufgehoben durch RRB vom 6. November 1991 (OS 51, 882).
FN6 Fassung gemäss RRB vom 6. November 1991 (OS 51, 882).
FN7 Aufgehoben durch RRB vom 31. August 1994 (OS 52, 815).
FN8 Eingefügt durch RRB vom 31. August 1994 (OS 52, 815).
FN9 Fassung gemäss RRB vom 31. August 1994 (OS 52, 815).