Gesetz
betreffend die Ordnungsstrafen
(vom 30.Oktober 1866) FN1

§ 1. Den sämtlichen Verwaltungs- und Gerichtsstellen steht die Befugnis zu, Disziplinarvergehen ihrer Mitglieder sowie der ihnen untergeordneten Behörden und der einzelnen Mitglieder derselben, ferner der unter ihnen stehenden Beamten oder Bediensteten und der mit ihnen in mündlichem oder schriftlichem Geschäftsverkehr stehenden Privaten durch Ordnungsstrafe zu rügen.

Vorbehalten bleiben die besondern Vorschriften des Gesetzes betreffend das Kantonspolizeikorps FN3 sowie des kantonalen Straf- und Vollzugsgesetzes FN2.

§ 2. Als Disziplinarfehler gilt:

1. saumselige oder leichtfertige Behandlung von Amts- oder Dienstgeschäften, wenn der Fehler zu gering ist, um als Verletzung der Amts- oder Dienstpflicht bezeichnet zu werden;

2. Störung der im einzelnen Falle oder im allgemeinen vorgeschriebenen Ordnung des Geschäftsganges;

3. Verletzung des durch die gute Sitte für amtliche Verhandlungen gebotenen Anstandes.

§ 3. Disziplinarfehler verjähren sechs Monate, nachdem sie der zu ihrer Verfolgung zuständigen Behörde bekannt geworden sind.

Die Verjährungsfrist beginnt mit jeder Untersuchungshandlung neu zu laufen. Die Verjährung ruht, solange ein vom Betroffenen ergriffenes Rechtsmittel gegen die Disziplinarmassnahme anhängig ist. Die Verfolgung des Disziplinarfehlers verjährt jedoch spätestens zwei Jahre nach seiner Begehung.

Wird eine Strafuntersuchung eingeleitet, so läuft die Frist für die Verfolgungsverjährung von der rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens an.

§ 4. Als Ordnungsstrafen können verhängt werden:

1. Verweis;

2. Geldbusse nach den für die Polizeibussen geltenden Ansätzen FN5;

3. über die nicht vom Volk gewählten Beamten und Angestellten: Einstellung in den Dienstverrichtungen für die Dauer von höchstens zwei Monaten, unter Anordnung der Stellvertretung auf Kosten des Fehlbaren.

Behördemitglieder, Beamte und Angestellte, gegen die wegen eines Vergehens eine Strafuntersuchung eröffnet wird, können bis zur Erledigung des Strafverfahrens von ihrer Wahlbehörde oder, wenn sie vom Volk gewählt sind, von ihrer Aufsichtsbehörde, in ihren Dienstverrichtungen eingestellt werden. Der Entscheid über eine disziplinarische Bestrafung und den Fortbezug der Besoldung während der vorläufigen Einstellung erfolgt nach Beendigung des Strafverfahrens.

Vorbehalten bleiben besondere gesetzliche Bestimmungen über das Disziplinarrecht einzelner Behörden, Beamter und Angestellter.

§ 4 a. Auf Ordnungsbussen bringen die zu deren Ausfällung zuständigen Behörden die Bestimmungen des Art. 48 Ziffern 2 und 3 und des Art. 49 des Schweizerischen Strafgesetzbuches FN4 über Zumessung, Vollzug und Umwandlung von Bussen zur Anwendung.

Dies gilt auch für Ordnungsbussen, die in andern Gesetzen, namentlich in Prozessgesetzen, vorgesehen sind.

§ 5. Innerhalb 20 Tagen, vom Tage der Eröffnung an, kann gegen verhängte Ordnungsstrafen an die vorgesetzte Behörde rekurriert werden, welche letztinstanzlich entscheidet.

Ist zur Beschwerdeführung über die Hauptsache eine andere Frist festgesetzt, so gilt dieselbe auch für die Beschwerde betreffend die Ordnungsstrafe.

§ 6. Ordnungsbussen, welche von Gemeindestellen verhängt werden, sind, sofern besondere Gesetze oder Verordnungen im einzelnen Falle nicht etwas anderes vorschreiben, durch den Armengutsverwalter der betreffenden Gemeinde zuhanden des Armengutes zu beziehen.

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FN1 OS 14, 275 und GS II, 571.
FN2 331.
FN3 551.1.
FN4 SR 311.0.
FN5 Vgl. § 328 der Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919 (321).