Verordnung
über die Festsetzung der Wildschadenvergütung (Wildschadenverordnung)
(vom 27.August 1980) FN1

Der Regierungsrat,

gestützt auf §§ 45-48 und 59 Abs. 2 des Gesetzes über Jagd- und Vogelschutz vom 12. Mai 1929 FN4,

beschliesst:

I. Schiedsrichter und Schiedsgericht

Sachliche Zuständigkeit
§ 1. Streitigkeiten zwischen dem Geschädigten und dem Jagdpächter über Wildschäden entscheidet ein Schiedsrichter oder ein Schiedsgericht von drei Mitgliedern.

§ 2. Der Streit wird vom Schiedsrichter beurteilt.

Funktionelle Zuständigkeit
Übersteigt der Streitwert Fr. 300, kann jede Partei die Beurteilung durch das Schiedsgericht verlangen. FN5

Örtliche Zuständigkeit
§ 3. Örtlich zuständig sind der Schiedsrichter oder das Schiedsgericht derjenigen Gemeinde, auf deren Gebiet sich der Schaden ereignet hat.

Wahl der Schiedsrichter
§ 4. Für jede Gemeinde wird vom Gemeinderat ein sachverständiger Schiedsrichter und ein Ersatzmann auf eine vierjährige Amtsdauer gewählt.

Für jeden Bezirk wird vom Bezirksgericht ein weiterer sachverständiger Schiedsrichter und ein Ersatzmann auf eine ebenfalls vierjährige Amtsdauer gewählt.

Gemeinderat und Bezirksgericht melden die Schiedsrichter und Ersatzmänner der Finanzdirektion.

Zusammensetzung des Schiedsgerichtes
§ 5. Als Schiedsrichter amtet der vom Gemeinderat gewählte Schiedsrichter.

Das Schiedsgericht setzt sich zusammen aus diesem Schiedsrichter, dem Friedensrichter der betreffenden Gemeinde und dem vom Bezirksgericht gewählten Schiedsrichter.

Den Vorsitz führt der vom Gemeinderat gewählte Schiedsrichter.

Sachverständige
§ 6. Der Schiedsrichter und das Schiedsgericht können von sich aus oder bei Leistung eines angemessenen Kostenvorschusses auf Begehren einer Partei gemäss §§ 171-182 der Zivilprozessordnung FN3 einen Sachverständigen (Förster, Gärtner, Rebbaufachmann usw.) beiziehen.

Ausstand
§ 7. Für den Ausstand und die Ablehnung der Schiedsrichter und Sachverständigen gelten die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes FN2.

Ist sowohl der Schiedsrichter als auch sein Ersatzmann verhindert oder zum Ausstand verpflichtet, ist für den betreffenden Fall ein ausserordentlicher Schiedsrichter zu wählen.

Rechtsmittel, gerichtliche Klage
§ 8. FN5 Bei einem Streitwert bis zu Fr. 8000 kann der Entscheid des Schiedsrichters oder des Schiedsgerichtes nur mit Nichtigkeitsbeschwerde an das Bezirksgericht oder mit Revision angefochten werden.

Beträgt der Streitwert mehr als Fr. 8000, kann die Streitigkeit innert 20 Tagen seit der schriftlichen Mitteilung des Entscheides von jeder Partei durch Einreichung des Entscheides bei dem für die betreffende Gemeinde zuständigen Bezirksgericht anhängig gemacht werden.

II. Verfahren

Klageeinleitung
§ 9. Wenn sich der Geschädigte und der Pächter nicht sofort über die Schadenvergütung einigen können, ist die Klage unverzüglich durch eine schriftliche Eingabe beim Gemeinderat derjenigen Gemeinde einzuleiten, auf deren Gebiet sich der Schaden ereignet hat. Der Gemeinderat leitet die Klage sofort an den Schiedsrichter weiter.

Inhalt der Klage
§ 10. Die Klageschrift soll den Ort, die Art und die mutmassliche Höhe des Schadens bezeichnen.

Übersteigt der Streitwert Fr. 300, ist anzugeben, ob die Beurteilung durch das Schiedsgericht verlangt wird. Andernfalls wird angenommen, es werde darauf verzichtet. FN5

Vorbereitung der Verhandlung
§ 11. Übersteigt der Streitwert Fr. 300 und hat nicht bereits der Geschädigte die Beurteilung des Streits durch das Schiedsgericht verlangt, setzt der Schiedsrichter dem Jagdpächter unter der Androhung, dass sonst Verzicht angenommen würde, unverzüglich eine kurze Frist an zur Erklärung, ob er die Beurteilung durch das Schiedsgericht verlangt. FN5

Der Schiedsrichter lädt die Parteien zu einer Verhandlung an Ort und Stelle vor. Er ist gegebenenfalls für den Beizug der übrigen Mitglieder des Schiedsgerichtes besorgt.

Vergleichsverhandlung
§ 12. Der Schiedsrichter kann vor der Verhandlung versuchen, eine Verständigung unter den Parteien herbeizuführen, besonders wenn sie über eine einvernehmliche Erledigung noch nicht verhandelt haben.

Zeitpunkt der Verhandlung, vorläufige Schadenfeststellung
§ 13. Die Verhandlung hat innert zehn Tagen von der Klageeinleitung an stattzufinden.

Kann die Verhandlung innert dieser Frist nicht stattfinden oder erscheint eine Verschiebung im Einverständnis mit beiden Parteien im Hinblick auf erfolgversprechende Vergleichsverhandlungen im Sinne von § 12 als tunlich, ist der Schaden vom Schiedsrichter, nötigenfalls unter Beizug eines Sachverständigen, vorläufig festzustellen.

Zweite Verhandlung
§ 14. Lässt sich bei Schäden auf Feldern und Wiesen die Höhe des Schadens bei der Verhandlung noch nicht mit genügender Sicherheit feststellen, kann jede Partei eine zweite Verhandlung zur Zeit der Reife verlangen.

Vertretung
§ 15. Die Parteien haben zur Verhandlung persönlich zu erscheinen.

Bei dringender Verhinderung kann der Schiedsrichter oder das Schiedsgericht die Vertretung der Parteien durch mündige Familienangehörige, des Jagdpächters durch den Jagdaufseher, des Bevollmächtigten einer Pachtgesellschaft durch einen Mitpächter oder den Jagdaufseher zulassen.

Die mit der Vertretung betrauten Personen haben sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen.

Die Verbeiständung der Parteien bei der Verhandlung ist ausgeschlossen.

Schätzungsbericht und Protokoll
§ 16. Über die Abschätzung des Schadens wird ein kurzer Bericht abgefasst und über die Verhandlung ein knappes Protokoll erstellt.

Die Parteien sind berechtigt, in Protokoll und Schätzungsbericht Einsicht zu nehmen.

Entscheid
§ 17. Sofern nicht wichtige Gründe für eine Verschiebung sprechen, wird der Entscheid sofort nach der Verhandlung gefällt.

Er wird den Parteien schriftlich, aber ohne Begründung mitgeteilt.

Er regelt auch die Kostentragung.

Verfahrenskosten
§ 18. Die Kosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt.

Obsiegt keine Partei vollständig, werden die Kosten verhältnismässig verteilt.

War dem Geschädigten die genaue Bezifferung des Schadens nicht zuzumuten, und wurde seine Forderung zur Hauptsache geschützt, können dem Jagdpächter alle Kosten auferlegt werden.

Parteientschädigung
§ 19. Im Schiedsverfahren besteht ein Anspruch auf Parteientschädigung nur, wenn eine Partei das Verfahren auf mutwillige oder grobfahrlässige Weise veranlasst oder erschwert hat, und der Gegenpartei dadurch erhebliche Umtriebe erwachsen sind.

Weisungen
§ 20. Mit dem Entscheid können Weisungen an Jagdpächter und Grundeigentümer über die im Einzelfall zu treffenden Massnahmen zur Verhütung von Wildschäden verbunden werden.

Es soll dabei der Förderung einer guten Zusammenarbeit zwischen Grundeigentümer und Jagdpächter auf dem Gebiet der Wildschadenverhütung Beachtung geschenkt werden.

Solidarität
§ 21. Die Mitglieder einer Pachtgesellschaft haften für den Schadenersatz, die Verfahrenskosten und eine allfällige Parteientschädigung solidarisch.

III. Wegleitungen für die Feststellung des Schadens und die Festsetzung des Schadenersatzes

Schadenfestsetzung
a) Felder und Wiesen
§ 22. Bei der Abschätzung von Schäden auf Feldern und Wiesen gelten folgende Grundsätze:

1. Vorerst ist der Wert festzustellen, den die beschädigten Erzeugnisse zur Zeit der Ernte ohne die Beschädigung erfahrungsgemäss hätten.

2. Können sich die beschädigten Erzeugnisse zum Teil erholen, ist zu schätzen, welcher Ertrag davon noch zu erwarten ist, und dieser Betrag vom Schadenbetrag abzuziehen.

3. Vom Schadenbetrag ist abzuziehen, was nach den Grundsätzen einer ordentlichen Bewirtschaftung durch Wiederanbau noch im selben Jahr nachgeholt werden kann. Die Kosten der wiederholten Kultur sind zum Schaden hinzuzurechnen.

4. Eingesparte Besorgungs- und Erntekosten sind vom Schaden in Abzug zu bringen.

5. Wird eine zweite Verhandlung zur Zeit der Reife verlangt, ist die Schadensumme lediglich vorzumerken. Die definitive Festsetzung erfolgt an der zweiten Verhandlung aufgrund der dann gültigen Preise.

b) Obstbäume und Reben
§ 23. Bei Schäden an Obstbäumen und Reben ist zu untersuchen, ob ein Absterben oder Verkrüppeln oder bloss ein Zuwachs- oder Ernteverlust zu erwarten ist. Je nach dem Ergebnis gilt der ganze Wert des Baumes bzw. der Rebe, ein Bruchteil davon oder der Ernteverlust als Schaden.

c) Waldbäume
§ 24. Bei Schäden an Waldbäumen ist zu untersuchen, ob die beschädigten Bäume (Pflanzkulturen, Jungwüchse, Stangen usw.) den Schaden ohne bleibenden Nachteil auszuheilen vermögen.

Ist dies der Fall, ist der Schaden nach Massgabe der erforderlichen Erholungszeit und des Zuwachsverlustes zu berechnen.

Kann der Schaden nicht mehr ausgeheilt werden, gilt der Minderwert als Schaden. Falls beschädigte Bäume ersetzt werden müssen, ist ihr Wert unter Abzug des Holzwertes sowie eine allfällige Wertverminderung des neuen Bestandes infolge der veränderten Mischungsverhältnisse als Schaden anzunehmen.

d) Kleintiere
§ 25. Bei Schäden an Geflügel oder andern Kleintieren ist der Betrag festzustellen, der zum Ersatz der getöteten Tiere erforderlich ist.

Von diesem Betrag ist der vermutliche Erlös aus der Verwertung der getöteten Tiere abzuziehen.

Schadenersatzbemessung
§ 26. Der Jagdpächter hat dem Geschädigten den festgestellten Schaden vollständig zu ersetzen, falls er nicht nachweist, dass der Geschädigte zweckmässige und zumutbare Abwehrmassnahmen unterlassen oder die Sorgfaltspflichten, die ihm nach ortsüblicher Auffassung oblagen, schuldhaft verletzt hat, und dass dadurch die Entstehung oder Vergrösserung des Schadens beeinflusst oder die Stellung des Jagdpächters sonstwie erschwert wurde.

In diesem Fall kann die Ersatzpflicht herabgesetzt oder aufgehoben werden.

Herabsetzungsgründe
§ 27. Der Schadenersatz ist insbesondere in folgenden Fällen herabzusetzen:

1. wenn der Geschädigte die beschädigten Kulturen ohne triftigen Grund an besonders dem Wildschaden ausgesetzten Orten gepflanzt hat;

2. wenn er Bodenerzeugnisse ohne Not erheblich über die gewöhnliche Erntezeit hinaus auf dem Felde belassen oder eingepflügt hat (z. B. Maiskolben oder Kartoffeln in grösseren Mengen);

3. wenn er den Unterhalt üblicher Einrichtungen zur Haltung von Geflügel oder anderen Kleintieren vernachlässigt und dadurch das Eindringen von Raubwild ermöglicht hat;

4. wenn ihm die Verhinderung des Schadens mittels des Selbsthilferechtes gemäss § 41 des Jagdgesetzes FN4 zuzumuten gewesen wäre;

5. wenn er nach Wahrnehmung eines Schadens den Jagdpächter nicht sofort darauf aufmerksam gemacht oder selbst zumutbare Vorkehrungen zur künftigen Verhütung getroffen hat, und der Schaden dadurch eine wesentliche Vergrösserung erfuhr;

6. wenn der Geschädigte die Einleitung und die Durchführung des Verfahrens grundlos verzögert und dadurch die Stellung des Jagdpächters erschwert hat.

Ausschlussgründe
§ 28. Eine Wildschadenvergütung ist insbesondere ausgeschlossen, wenn der Schaden darauf zurückzuführen ist, dass der Geschädigte

1. Wildschadenverhütungsmassnahmen des Jagdpächters nicht zugelassen hat, obwohl ihm die Duldung hätte zugemutet werden können;

2. die unentgeltliche Abgabe von Schutz- und Schadenverhütungseinrichtungen durch den Jagdpächter, die Gemeinde oder den Staat abgelehnt hat;

3. Schutz- und Schadenverhütungseinrichtungen, an welche der Jagdpächter, die Gemeinde oder der Staat Beiträge geleistet haben, nicht ordnungsgemäss unterhalten hat;

4. Hausgeflügel oder andere Kleintiere, die üblicherweise innerhalb eines raubwilddichten Zaunes oder Stalles gehalten werden, nicht so geschützt hat;

5. die Weisungen des Schiedsrichters oder des Schiedsgerichtes im Sinne von § 20 dieser Verordnung nicht befolgt hat, obwohl der Jagdpächter seinen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Von der Wildschadenvergütung sind ferner die Fälle gemäss § 45 Abs. 5 des Jagdgesetzes FN4 ausgeschlossen:

1. Schäden durch bundesrechtlich geschützte Vögel;

2. Vogelschäden innerhalb einer Bauzone;

3. Wildschäden in Zierpflanzenkulturen, Hausgärten, Parkanlagen und Örtlichkeiten, wo die Jagd ohne Bewilligung nicht ausgeübt werden darf und diese nicht erteilt worden ist;

4. Wildschäden an einzelstehenden Bäumen.

IV. Wildschongebiete

Wildschongebiete
§ 29. Diese Verordnung findet auch Anwendung auf Wildschäden in Wildschongebieten. Das Gemeinwesen, welches das Wildschongebiet geschaffen oder bewilligt hat, gilt als Jagdpächter.

V. Schlussbestimmungen

Inkrafttreten
§ 30. Diese Verordnung tritt am 1. September 1980 in Kraft.

Die Verordnung über die Festsetzung der Ersatzpflicht der Jagdpächter für Wildschäden vom 22. September 1945 wird auf den gleichen Zeitpunkt aufgehoben.

___________

FN1 OS 47, 465 und GS VII, 272.
FN2 211.1.
FN3 271.
FN4 922.1.
FN5 Fassung gemäss RRB vom 29. April 1987 (OS 50, 157). In Kraft seit 1. Juli 1987.