Verordnung des Obergerichtes
über die Betreibungs- und Konkursämter und die gerichtliche Aufsicht über diese, die Gemeindeammänner und die Viehinspektoren
(vom 1.September 1947) FN1

I. Organisation

§ 1. Das Bezirksgericht bezeichnet je bei Beginn der Amtsdauer des Betreibungsbeamten einen ordentlichen und einen ausserordentlichen Stellvertreter. Für den ordentlichen Stellvertreter hat der Betreibungsbeamte dem Bezirksgericht einen Zweiervorschlag einzureichen.

Als ausserordentlicher Stellvertreter ist ein benachbarter Betreibungs- oder Konkursbeamter zu bezeichnen. Auch als ordentlicher Stellvertreter kann ein solcher ernannt werden.

Ersatzwahlen während der Amtsdauer werden vom Bezirksgericht vorgenommen. Sind in einem Einzelfall der ordentliche und der ausserordentliche Stellvertreter verhindert, so ordnet das Bezirksgericht mit Genehmigung des Obergerichtes eine vorübergehende Stellvertretung an.

Dem Obergericht und dem Betreibungsinspektorat sind vom Bezirksgericht ein vollständiges Verzeichnis aller ordentlichen und ausserordentlichen Stellvertreter und der Angestellten zuzustellen und ausserdem jede Änderung und jede vorübergehende Einsetzung eines Stellvertreters mitzuteilen.

Die Stellvertretung des Konkursbeamten richtet sich nach den für den Notar geltenden Vorschriften (§ 10 des Gesetzes betreffend die Organisation der Notariatskanzleien) FN2.

§ 2. Ein Betreibungsbeamter oder Stellvertreter, welcher trotz einem vorhandenen Ausstandsgrund Betreibungshandlungen vornimmt oder die Weiterleitung der betreffenden Begehren gemäss Art. 10 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs FN9 verzögert, verfällt in Ordnungsbusse.

§ 3. Die Konkursbeamten und die Notar-Stellvertreter sind verpflichtet, die Sachwalterstelle in Nachlassverträgen ausser Konkurs und auf Verlangen das Aktuariat des Gläubigerausschusses in den von ihnen geführten Konkursen zu übernehmen und als Amtssache zu führen.

Die Übernahme der Verwaltung von Konkursen eines anderen Kreises ist nur mit Bewilligung des Obergerichtes gestattet. Liegt der andere Kreis im Kanton Zürich, so ist der Konkurs als Amtssache zu führen.

Befindet sich der zuständige Konkursbeamte im Ausstand, so dass der ordentliche Stellvertreter das Konkursverfahren durchzuführen hat, so ist das Geschäft gleichwohl im Verzeichnis des ersteren einzutragen, und nach Durchführung des Verfahrens sind Protokoll und Akten jenem zur Archivierung abzuliefern.

Ist der Konkursbeamte nur wegen einzelner Gläubiger im Ausstand, so hat der ordentliche Stellvertreter nur in Hinsicht auf diese die Stellvertretung auszuüben, also nicht das ganze Verfahren durchzuführen.

§ 4. Der Vollzug der öffentlichen Versteigerung ist, auch wenn die Gläubigerversammlung eine ausseramtliche Konkursverwaltung bestellt hat, Sache des Konkursamtes (Art. 98 der Konkursverordnung) FN11.

§ 5. Die Betreibungsämter haben ausser den in der bundesrätlichen Verordnung Nr. 1 vom 18. Dezember 1891 FN10, in der bundesgerichtlichen Verordnung betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte vom 19. Dezember 1910 FN7 und in der bundesrätlichen Verordnung betreffend die Viehverpfändung vom 30. Oktober 1917 FN8 genannten Büchern und Registern (Eingangsregister, Betreibungsbuch, Schuldnerregister, Tagebuch und Agenda, Kassenbuch, Kontokorrentbuch, Handelsregister, Register über die Eigentumsvorbehalte samt Personenregister, Viehverschreibungsprotokoll nebst alphabetischem Verzeichnis der Verpfänder) noch zu führen:

a) ein Postbescheinigungsbuch für die amtlichen Geld- und Wertsendungen und eingeschriebenen Briefe;

b) ein Verzeichnis der in amtliche Verwahrung genommenen Wertschriften und anderen Wertsachen;

c) eine Postcheckverkehrskontrolle bei Führung eines Postcheckkontos (besonderes Konto in der Buchhaltung);

d) ein Bilanzheft (Ämter mit Registrierkassen ein Bilanzkonto);

e) je ein Verzeichnis der vollzogenen Arreste (Art. 276 SchKG) FN9 und der Retentionen (Art. 283 SchKG) FN9. Diese Verzeichnisse können auch in einem Buche, jedoch getrennt in zwei Abteilungen, geführt werden;

f) ein Verzeichnis der Amtshandlungen, welche im Auftrag eines anderen Betreibungsamtes vollzogen werden oder mit deren Vollzug ein anderes Betreibungsamt beauftragt wird (Requisitionsverzeichnis);

g) eine Lohnpfändungskontrolle;

h) ein Verzeichnis der ausgestellten Verlustscheine;

i) ein Verzeichnis der in amtliche Verwaltung genommenen oder von Zinsensperre betroffenen Grundstücke (Verwaltungskontrolle);

k) ein Verzeichnis der vollzogenen Grundstücks- und Fahrnisverwertungen (Verwertungskontrolle);

l) ein Lagerbuch über eingelagerte Gegenstände, sofern das Amt über ein besonderes Gantlokal verfügt;

m) ein Verzeichnis entschuldeter Landwirtschaftsbetriebe;

n) ein Verzeichnis der eingehenden Verordnungen und Kreisschreiben der Oberbehörden (Missivenverzeichnis).

Bei kleineren Ämtern können die Kontrollen lit. i und k im Bilanzheft, lit. m im Arrest- oder Retentionsverzeichnis auf einer hiezu besonders reservierten Seite geführt werden.

Soweit nicht eidgenössische Formulare bestehen, werden die zu verwendenden Formulare vom Obergericht festgestellt.

§ 6. Die Stempel mit der Aufschrift «Betreibungsamt» dürfen nur für die Geschäfte der Betreibungsämter als solcher, einschliesslich der Viehverschreibungen und der Eigentumsvorbehalte, verwendet werden; die Stempel der Gemeindeammannämter kommen lediglich bei den dem Beamten als Gemeindeammann obliegenden Funktionen zur Anwendung.

§ 7. Die Betreibungs- und Konkursbeamten sind verpflichtet, Verbrechen und Vergehen, insbesondere solche im Sinne von Art. 163170 des Schweizerischen Strafgesetzbuches FN14, und Übertretungen im Sinne von Art. 323-325 des Schweizerischen Strafgesetzbuches FN14, die ihnen bei ihren Amtshandlungen bekannt werden, innerhalb zehn Tagen von der Entdeckung beziehungsweise bei den Vergehen der Art. 164-167 des Schweizerischen Strafgesetzbuches FN14 von der Ausstellung des definitiven Verlustscheines an der Bezirksanwaltschaft schriftlich anzuzeigen (§ 21 der Strafprozessordnung) FN5. Die nötigen Belege (wie Auszüge aus Registern, Urkunden usw.) sind beizulegen.

§ 8. Einigungsverhandlungen im Sinne von Art. 9 der Verordnung des Bundesgerichtes über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen vom 17. Januar 1923 (VVAG) FN12 werden vom Betreibungsamt durchgeführt; dieses ist berechtigt, solche Geschäfte dem Bezirksgericht als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde zu überweisen.

Die gleiche Zuständigkeit gilt für Einigungsverhandlungen im Sinne von Art. 73 e der Verordnung des Bundesgerichts über die Zwangsverwertung von Grundstücken vom 23. April 1920 / 4. Dezember 1975 (VZG) FN13 bei der Verwertung von Miteigentumsanteilen an Grundstücken, insbesondere von Stockwerkeigentumsanteilen. Im Falle der Verwertung im Konkurs ist das Konkursamt zuständig.

Für die Versteigerung eines Miteigentumsanteiles an Grundstücken, insbesondere von Stockwerkeigentumsanteilen, auf Anordnung des Richters im Sinne von Art. 649 b Abs. 3 ZGB FN6 und Art. 78 a VZG FN13 ist in jedem Falle das Konkursamt zuständig.

§ 9. Zwangsversteigerungen und Gläubigerversammlungen sollen, wenn andere Räume zur Verfügung stehen, nicht in Wirtschaften abgehalten werden.

II. Amtsübergabe der Konkursämter

§ 10. Die Amtsübergabe der Konkursämter erfolgt gleichzeitig mit derjenigen der Notariate und nach den für diese geltenden Vorschriften FN3.

III. Amtsübergabe der Betreibungsämter

§ 11. Die Übergabe des Amtes an einen neugewählten Betreibungsbeamten erfolgt durch eine Abordnung des Bezirksgerichtes und den Betreibungsinspektor. Sobald das Bezirksgericht vom Bezirksrat die Meldung erhält, dass der neugewählte Betreibungsbeamte die Amtskaution geleistet hat, setzt seine Abordnung im Einvernehmen mit dem Betreibungsinspektor den Zeitpunkt der Amtsübergabe fest.

§ 12. Vor der Amtsübergabe hat der Betreibungsinspektor die Amtsführung des abtretenden Beamten zu untersuchen und dabei namentlich zu prüfen, ob die Protokolleinträge und die Aktenbestände vollständig seien. Unstimmigkeiten, die bei der Untersuchung zutage treten, hat der abtretende Beamte oder der amtende Stellvertreter, soweit noch möglich, auf Weisung des Betreibungsinspektors zu beheben.

Zu der Untersuchung hat der Betreibungsinspektor nebst dem abtretenden Beamten oder dem amtenden Stellvertreter den neugewählten Beamten schriftlich einzuladen, und dieser hat der Untersuchung beizuwohnen. Dabei soll ihm Gelegenheit geboten werden, sich mit der Führung der Protokolle, der Behandlung der Amtsgeschäfte und der Aufbewahrung der amtlichen Akten vertraut zu machen.

§ 13. Bei der Amtsübergabe sind dem neuen Beamten die gemäss § 5 zum Amte gehörenden Bücher, die Akten, Formulare, Formularsammlung, Stempel, Gesetzessammlung, Verordnungen, Anweisungen und Zensurbeschlüsse zu übergeben.

Fehlende Bücher sind vom früheren Amtsinhaber beziehungsweise dessen Erben einzufordern. Nötigenfalls ist die Anschaffung auf Kosten der Gemeinde anzuordnen.

§ 14. Über die Amtsübergabe ist eine Urkunde in vier Exemplaren anzufertigen, die von allen Mitwirkenden zu unterzeichnen ist. Sie enthält auf vorgeschriebenem Formular insbesondere das Verzeichnis der übergebenen Bücher, Akten usw. und den Zeitpunkt des Amtsantrittes des neuen Beamten. Ein Exemplar bleibt bei den Akten des Amtes, das zweite erhält der abtretende Beamte (oder seine Erben), das dritte das Bezirksgericht und das vierte der Betreibungsinspektor.

§ 15. Die weitere Einführung in das Amt und die nötigen Anleitungen an den neugewählten Beamten erfolgen durch den Betreibungsinspektor.

Die Betreibungsbeamten werden angewiesen, sich um Auskünfte oder Anleitungen an den Betreibungsinspektor oder an die Aufsichtsbehörden zu wenden.

§ 16. Über die Amtsübergabe an den neuen Beamten und dessen Einführung in das Amt erstatten der Betreibungsinspektor und, unter Vorlegung der Akten, das Bezirksgericht dem Obergericht einen kurzen Bericht, in welchem auch die getroffenen Anordnungen zu erwähnen sind.

§ 17. Für die aus besonderen Gründen notwendigen provisorischen Amtsübergaben an Stellvertreter, für deren Vollzug die Mitwirkung des Betreibungsinspektors genügt, finden diese Vorschriften entsprechende Anwendung.

IV. Beaufsichtigung der Betreibungs- und Konkursämter

§ 18. Die durch das Ausführungsgesetz zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs FN4 den Bezirksgerichten vorgeschriebenen Visitationen erstrecken sich auch auf die Führung der Protokolle für die Viehverschreibung und für den Eigentumsvorbehalt.

Mangelhafte Kenntnisse der Betreibungsbeamten sind durch Belehrung und Anweisung zu ergänzen. Nötigenfalls sind ausserordentliche Besuche zu machen.

Falls das Bezirksgericht weitere Massnahmen für nötig hält, stellt es dem Obergericht gesondert Antrag.

§ 19. Sofort nach Feststellung des Gesamtergebnisses, spätestens aber auf Ende des Kalenderhalbjahres, erstattet das Bezirksgericht dem Obergericht Bericht über das Prüfungsergebnis und die allenfalls getroffenen Massnahmen. Dem Notariats- oder dem Betreibungsinspektorat ist ein Doppel des Berichtes zu senden. In diesen Berichten sind bei jeder Amtsstelle das Datum der Visitation, die Namen der Visitatoren und des besuchten Beamten anzugeben.

Den visitierten Ämtern ist der Bericht innert derselben Frist mitzuteilen, jedoch nur in den sie betreffenden Abschnitten. Die Ämter haben diese Berichte aufzubewahren.

§ 20. Das Obergericht lässt durch Abordnungen aus seiner Mitte jährlich die Amtsführung einzelner Betreibungs- und Konkursämter, durch den Notariatsinspektor die Kassen- und übrige Amtsführung aller Konkursämter und durch den Betreibungsinspektor die Kassen- und übrige Amtsführung aller Betreibungsämter periodisch untersuchen.

§ 21. Das Obergericht sorgt für einheitliche Instruktion der Betreibungs- und Konkursbeamten. Zeigen sich unter den Aufsichtsorganen über einzelne Fragen Meinungsverschiedenheiten, so ist die Weisung des Obergerichtes einzuholen.

Disziplinarentscheide des Obergerichtes, seiner Kammern und der Bezirksgerichte sind dem Betreibungs- beziehungsweise Notariatsinspektor mitzuteilen.

V. Rechnungs- und Kassenführung der Betreibungsämter und deren Beaufsichtigung durch den Betreibungsinspektor

§ 22. Die Anlegung von Geldern bei einer Bank, die nicht vom Obergericht als Depositenanstalt bezeichnet worden ist, sowie die Vermischung der amtlich zu verwaltenden Gelder mit dem Privatvermögen, sei es im Bar-, Kontokorrent- oder Postcheckverkehr, ist untersagt. Die Übertretung dieser Vorschrift wird mit Ordnungsbusse bestraft.

§ 23. Die an Zahlungsstatt erhaltenen Briefmarken und Frankiermaschinenaufdrucke können bei der Staatsbuchhaltung gegen bar ausgewechselt werden.

§ 24. Der Betreibungsinspektor hat jährlich mindestens einmal die gesamte Geschäftsführung aller Ämter zu untersuchen und einen Kassensturz vorzunehmen.

Mit Bezug auf die Kassenführung ist zu prüfen:

a) die arithmetische Richtigkeit der Bucheinträge;

b) das Vorhandensein der Saldi der Kasse, des Postcheckkontos und des Kontokorrents;

c) die Übereinstimmung der Bucheinträge mit den Kassenbelegen in Ausgaben und Einnahmen;

d) die Art und Weise der Erfüllung der Vorschriften über Verwendung und Aufbewahrung der eingegangenen Gelder, Wertpapiere und Wertsachen.

Die Prüfungen unter lit. a, c und d können durch Stichproben vorgenommen werden.

§ 25. Der Betreibungsinspektor hat, dringliche Fälle vorbehalten, je am Ende einer Woche über die vorgenommenen Visitationen und Amtsübergaben dem Obergericht Bericht zu erstatten. Die den Ämtern zugestellten Ausfertigungen dieser Berichte und die Bemerkungen der Aufsichtsbehörden sind von den Ämtern aufzubewahren.

VI. Aufsicht über die Gemeindeammänner und die Viehinspektoren

§ 26. Die Aufsicht über die Gemeindeammänner ist von den gerichtlichen Abordnungen gleichzeitig mit derjenigen über die Betreibungsämter auszuüben.

Die Amtsübergabe ist mit derjenigen an den Betreibungsbeamten zu verbinden. Die Untersuchung der Amtsführung erfolgt durch die gerichtliche Abordnung. Unter Au fnahme in das in § 14 vorgesehene Verzeichnis sind dem neuen Gemeindeammann die Protokolle für amtliche Anzeigen, Kündigungen und Befundau fnahmen sowie die Register über Beglaubigungen und Zeugnisse zu übergeben.

§ 27. Das Obergericht lässt durch den Betreibungsinspektor jährlich die die Viehverpfändung betreffende Amtsführung einzelner Viehinspektoren untersuchen.

Ergibt sich bei der ordentlichen Visitation der Betreibungsämter Verdacht auf Unregelmässigkeit der Amtsführung eines entsprechenden Viehinspektorates, so haben die Abordnungen des Obergerichtes und der Bezirksgerichte dieses Amt ebenfalls zu visitieren oder dessen Visitation zu veranlassen.

VII. Schlussbestimmung

§ 28. Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1948 in Kraft. Durch sie werden aufgehoben die Verordnung vom 30. Dezember 1915 und das Reglement betreffend die Beaufsichtigung der Betreibungsbeamten beziehungsweise Gemeindeammänner vom 27. März 1902 in seiner nicht veröffentlichten Fassung vom 20. Mai 1927.

___________

FN1 OS 37, 795 und GS II, 550.
FN2 242.
FN3 242.2.
FN4 281.
FN5 321.
FN6 SR 210.
FN7 SR 211.413.1.
FN8 SR 211.423.1.
FN9 SR 281.1.
FN10 SR 281.31.
FN11 SR 281.32.
FN12 SR 281.41.
FN13 SR 281.42.
FN14 SR 311.0.