Verordnung
betreffend die Pfandleiher und Feilträger
(vom 28.November 1911) FN1

Der Regierungsrat,

in Anwendung und Ergänzung der Art. 907-915 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches FN3 und der §§ 202-214 des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch FN2,

verordnet:
§ 1. Pfandleiher und Feilträger sind zu ordnungsmässiger Führung von Geschäftsbüchern verpflichtet.

Diese Bücher müssen dauerhaft gebunden und mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen sein. Bevor sie in Gebrauch genommen werden, sind sie der Polizeibehörde des Ortes, wo der Geschäftsbetrieb stattfinden soll, zur Prüfung und Bestätigung der vorschriftsgemässen Beschaffenheit sowie zur Beglaubigung der Gesamtzahl der Seiten vorzulegen.

Das Herausnehmen oder Zusammenkleben von Blättern sowie das Einheften neuer Blätter ist untersagt.

Die Einträge müssen in fortlaufender Reihenfolge deutlich mit Tinte geschrieben werden. Es ist unstatthaft, dieselben durch Radieren oder auf andere Weise unleserlich zu machen.

§ 2. Das vom Pfandleiher geführte Pfandleihbuch muss über jedes abgeschlossene Geschäft folgende Einträge enthalten:

1. die fortlaufende Nummer des Geschäftes;

2. den Tag des Geschäftsabschlusses;

3. die genaue Adresse des Übergebers des Pfandes;

4. den Betrag des Darlehens;

5. den Betrag der monatlichen Zinse;

6. die bedungene Einschreibgebühr;

7. die Beschreibung des verpfändeten Gegenstandes, und zwar bei Pretiosen, Gold- und Silberwaren mit Angabe des Gewichtes;

8. die Zeit der Fälligkeit des Darlehens;

9. die Unterschrift des Übergebers.

§ 3. Der Feilträger hat jedes Kauf- und Verkaufsgeschäft in sein Geschäftsbuch einzutragen.

Dieser Eintrag muss enthalten:

1. die fortlaufende Nummer des Geschäftes;

2. die Bezeichnung des Gegenstandes;

3. die genaue Adresse des Übergebers oder Verkäufers;

4. den Ort und Tag der Übergabe des Gegenstandes;

5. den Ankaufspreis;

6. den Tag des Wiederverkaufes;

7. den Namen und Wohnort des Käufers.

§ 4. Pfandleiher und Feilträger haben die ihnen von Behörden oder Privaten zugehenden Benachrichtigungen über verlorene oder dem Eigentümer entfremdete Gegenstände, nach der Zeitfolge geordnet, zehn Jahre aufzubewahren und in einem Vormerkbuch zu registrieren. Werden ihnen Gegenstände unter Umständen angeboten, welche gegen den Inhaber den Verdacht des rechtswidrigen Erwerbes erwecken müssen, so haben sie von dem Vorgang alsbald der Polizeibehörde Anzeige zu machen.

§ 5. Pfandleiher und Feilträger sind verpflichtet, den Polizeiorganen jederzeit den Eintritt in ihre Geschäftsräume zu gestatten und denselben die Geschäftsbücher und die aufbewahrten Gegenstände vorzuzeigen.

§ 6. Ist das Pfand auf den vereinbarten Termin nicht eingelöst worden, so hat der Pfandleiher den Verpfänder durch eingeschriebenen Brief und, sofern dieser nicht bestellbar ist, durch einmalige Publikation im kantonalen Amtsblatt zur Einlösung des Pfandes binnen einer Frist von acht Tagen aufzufordern.

Ist diese Aufforderung fruchtlos geblieben, so geschieht der Verkauf der Pfänder ohne vorgängige Betreibung durch das Betreibungsamt der Gemeinde, in welcher zur Zeit des Geschäftsabschlusses das Pfandleihgewerbe betrieben wurde, auf dem Wege öffentlicher Versteigerung.

Ort und Zeit derselben sind in einem von der Ortsbehörde hiefür bestimmten Blatte bekannt zu machen. Die Bekanntmachung soll den Namen des Pfandleihers und die Geschäftsnummer des Pfandleihbuches enthalten.

§ 7. Einen Überschuss des Erlöses über die Pfandschuld und den Anteil an den Versteigerungskosten hinaus hat die Gantbeamtung unverzüglich nach erfolgtem Verkauf dem Verpfänder herauszugeben oder für denselben bei der Kantonalbank zu hinterlegen.

Auf diese Hinterlegung ist bei der Bekanntmachung der Steigerung hinzuweisen.

Die Zeit und Art des Erlöschens des Pfandrechtes sowie der Ausweis über die Verwendung des Ganterlöses sind im Pfandleihbuch vorzumerken.

§ 8. Bei gewerbsmässigem Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufrechtes gilt die Zahlung des Kaufpreises als Hingabe des Darlehens, der Unterschied zwischen dem Kaufpreis und dem verabredeten Rückkaufspreis als bedungener Zins und die Übergabe der Sache als Verpfändung für das Darlehen.

§ 9. Die Bewilligung zum Betrieb eines Feilträgereigeschäftes steht der Polizeidirektion (§ 211 EG zum ZGB) FN2 zu.

§ 10. Die an Pfandleiher oder Feilträger erteilte Bewilligung kann von der zuständigen Behörde jederzeit widerrufen werden, wenn der Pfandleiher oder Feilträger nicht mehr als vertrauenswürdig erscheint oder wegen Übertretung der für sein Geschäft geltenden Vorschriften wiederholt bestraft worden ist. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des Strafgesetzbuches FN4 über das Verbot, einen Beruf, ein Gewerbe oder ein Handelsgeschäft auszuüben.

§ 11.

§ 12. Diese Verordnung tritt auf den 1. Januar 1912 in Kraft.

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FN1 OS 29, 328 und GS VII, 479.
FN2 230.
FN3 SR 210.
FN4 SR 311.0.