Verordnung
über den Vollzug von Strafen und Massnahmen (Strafvollzugsverordnung)
(vom 12.Januar 1994) FN1

Der Regierungsrat,

gestützt auf § 16 des Kantonalen Straf- und Vollzugsgesetzes FN3,

beschliesst:

A. FN6 Amt für Straf- und Massnahmenvollzug

§ 1. Für den Vollzug von Freiheitsstrafen und sichernden Massnahmen des Erwachsenenstrafrechts sowie der Nebenstrafen besteht bei der Direktion der Justiz ein Amt für Straf- und Massnahmenvollzug.

§ 2. Das Amt vollzieht

a) Strafen und sichernde Massnahmen sowie Strafbefehle zürcherischer Gerichte und Strafbehörden;

b) Strafen und sichernde Massnahmen des Bundesgerichts und der Militärgerichtsbarkeit, soweit der Kanton dazu verpflichtet ist;

c) in Haft umgewandelte Bussen;

d) den vorzeitigen Straf- und Massnahmenantritt.

Das Amt fällt die Entscheide, welche zur Vorbereitung, Durchführung und Beendigung des Vollzugs von Freiheitsstrafen, sichernden Massnahmen und Nebenstrafen erforderlich sind, soweit sie nicht dem Richter oder anderen Stellen übertragen sind. Mit den Entscheiden können Weisungen und Auflagen verbunden werden. FN7

Das Amt kann zur Durchsetzung dieser Aufgaben die Polizeiorgane beiziehen.

§ 3. Das Amt kann den Vollzug von Strafen und Massnahmen auswärtiger Behörden übernehmen und ihn an solche übertragen.

Die vom Bundesrecht nicht dem Richter übertragenen Entscheidungsbefugnisse können ebenfalls übertragen und übernommen werden.

§ 4. Das Amt entscheidet, in welcher Anstalt eine Freiheitsstrafe oder Massnahme zu vollziehen ist, und trifft die übrigen notwendigen Vollzugsanordnungen.

Es entscheidet auf Gesuch des Verurteilten über die Gewährung besonderer Vollzugsformen. Sind die Voraussetzungen dafür gegeben, ist der Verurteilte rechtzeitig darauf hinzuweisen.

§ 5. Das Amt ordnet erforderliche Versetzungen in andere Anstalten an.

Die Anstaltsleitungen sind vorher anzuhören, soweit sie sich vorher nicht bereits gegenseitig verständigt haben.

§ 6. FN6 Bei Verurteilten oder Gefangenen, die aufgrund eines der im Anhang aufgeführten Delikte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden oder die sich einer stationären Massnahme gemäss Art. 42 oder 43 StGB FN5 zu unterziehen haben, holt das Amt die Stellungnahme des Fachausschusses für Vollzugsfragen ein, sofern es folgende Entscheide in Betracht zieht:

a) Einweisung in eine nicht geschlossene Anstalt;

b) Straf- oder Massnahmenunterbruch;

c) Versetzung in eine andere Anstalt, verbunden mit einer Öffnung des bisherigen Vollzugs;

d) bedingte und probeweise Entlassung gemäss Art. 38 und 45 StGB FN5;

e) Überstellung ins Ausland;

für stationäre Massnahmen gemäss Art. 42 oder 43 StGB FN5, welche nicht in einer Strafanstalt oder einem Bezirksgefängnis vollzogen werden, zusätzlich:

f) erstmalige Gewährung eines begleiteten oder unbegleiteten Urlaubs sowie erstmalige Gewährung eines Urlaubs mit auswärtiger Übernachtung;

g) Absprachen im Sinne von § 11 der Patientenrechtverordnung FN4 über Versetzungen in andere Anstaltsabteilungen, wenn dies eine wesentliche Lockerung des bisherigen Vollzuges bedeutet.

Das gleiche Vorgehen gilt für Entscheide im Rahmen des vorzeitigen Straf- und Massnahmenvollzugs.

Das Amt stellt dem Fachausschuss die notwendigen Vollzugsakten zur Verfügung.

Entscheide des Amtes gemäss Abs. 1 bedürfen der Zustimmung der Justizdirektion.

§ 7. FN7 Das Amt regelt die Kosten des Vollzugs.

Es kommt für die Kosten des Vollzugs in kantonalen und ausserkantonalen Institutionen auf und nimmt die Leistungen Verurteilter und Dritter entgegen.

§ 8. FN7 Gerichte und Behörden stellen dem Amt ihre Urteile, Vollzugsentscheide und Strafbefehle unverzüglich zu, wenn sie auf eine unbedingte Freiheits- oder Nebenstrafe lauten und rechtskräftig oder vor Eintritt der Rechtskraft vollziehbar sind.

Lautet das Urteil oder der Vollzugsentscheid auf eine stationäre oder ambulante Massnahme und ist der Verurteilte mit dem umgehenden Vollzugsantritt einverstanden, teilt das Gericht dem Amt diesen Entscheid unter Beilage der Akten sofort mit.

§ 9. FN6 Das Amt stellt der mit dem Vollzug beauftragten Anstalt nebst einer Kopie des begründeten Urteils auf Ersuchen die weiteren Vollzugsakten zur Verfügung.

§ 10. FN7 Entscheide und Vollzugsanordnungen für den Strafvollzug können durch Rekurs gemäss Strafprozessordnung FN2 bei der Direktion der Justiz angefochten werden.

Entscheide und Vollzugsanordnungen des Massnahmenvollzugs und über bedingte Entlassungen aus dem Strafvollzug samt Folgeentscheiden können, soweit das Gesetz keine andere Regelung vorsieht, durch Rekurs beim Regierungsrat angefochten werden. Die Bestimmungen der Strafprozessordnung FN2 finden Anwendung.

B. FN6 Fachausschuss für Vollzugsfragen

§ 11. FN6 Die Strafvollzugskommission wählt aus ihrer Mitte einen Fachausschuss für Vollzugsfragen bestehend aus sechs bis neun Mitgliedern, wovon mindestens zwei weiblichen Geschlechts sind. Höchstens drei der Mitglieder des Fachausschusses können Vertreter des ostschweizerischen Strafvollzugskonkordates sein.

Der Fachausschuss wählt einen Vorsitzenden oder eine Vorsitzende und eine Stellvertretung und konstituiert sich selbst.

§ 12. FN6 Der Fachausschuss berät die Vollzugsbehörden im Hinblick auf die Erfassung und Behandlung gemeingefährlicher Täter. Er gibt schriftlich begründete Stellungnahmen ab zu den Fragen, die ihm seitens der Vollzugsbehörden unterbreitet werden.

Der Fachausschuss kann für Einzelfälle externe Sachverständige zur Beratung beiziehen, namentlich aus den Bereichen der Strafverfolgung, des Gerichtswesens, des Straf- und Massnahmenvollzugs, der Bewährungshilfe und der Psychiatrie sowie der Opferhilfe.

§ 13. FN6 Der Fachausschuss wird in der Regel alle 14 Tage in einer Dreierbesetzung einberufen. Bei Einstimmigkeit können die Stellungnahmen auf dem Zirkulationsweg beschlossen werden. Bei besonderer Dringlichkeit sowie zur Abwendung eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils entscheidet die zuständige Behörde nach Rücksprache mit dem oder der Vorsitzenden des Fachausschusses oder der Stellvertretung.

Der Fachausschuss kann mündliche oder schriftliche Auskünfte bei der Anstaltsleitung oder der Gefängnisverwaltung sowie bei Betreuungspersonen einholen. Er ist berechtigt, Insassen persönlich anzuhören.

§ 14. FN6 Für die Sitzungsvorbereitungen und die Protokollführung steht dem Fachausschuss ein juristisches Sekretariat zur Verfügung.

§ 15. FN6 Verneint der Fachausschuss die Gemeingefährlichkeit eines Verurteilten oder Gefangenen, so kann er seinen Verzicht auf jede weitere Stellungnahme zur betreffenden Person erklären.

Die Mitglieder des Fachausschusses unterliegen der Schweigepflicht.

C. FN6 Inkrafttreten

§ 16. FN7 Diese Verordnung tritt am 1. März 1994 in Kraft. Auf den gleichen Zeitpunkt wird die Strafvollzugsverordnung vom 2. Dezember 1992 aufgehoben.

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FN1 OS 52, 608.
FN2 321.
FN3 331.
FN4 813.13.
FN5 SR 311.0.
FN6 Eingefügt durch RRB vom 1. März 1995 (OS 53, 112).
FN7 Fassung gemäss RRB vom 1. März 1995 (OS 53, 112).

Anhang zur Strafvollzugsverordnung FN6
Tatbestandskatalog zur Erfassung von Tätern im Hinblick auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit


Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Art. 111 StGBVorsätzliche Tötung
Art. 112 StGBMord
Art. 113 StGBTotschlag
Art. 122 StGBSchwere Körperverletzung

Gefährdung des Lebens und der Gesundheit
Art. 129 StGBGefährdung des Lebens
Art. 134 StGBAngriff

Strafbare Handlungen gegen das Eigentum
Art. 140 Ziffer 3 und 4 StGBQualifizierte Tatbestände des Raubes

Strafbare Handlungen gegen das Vermögen überhaupt

Art. 156 StGBErpressung
Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit
Art. 184 StGBQualifizierte Tatbestände der Entführung und der Freiheitsberaubung
Art. 185 StGBGeiselnahme
Gefährdung der Entwicklung von Unmündigen
Art. 187 StGBSexuelle Handlungen mit Kindern
Art. 188 StGBSexuelle Handlungen mit Abhängigen

Angriff auf die sexuelle Freiheit und Ehre
Art. 189 StGBSexuelle Nötigung
Art. 190 StGBVergewaltigung
Art. 191 StGBSchändung
Art. 192 StGBSexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten
Art. 193 StGBAusnützung einer Notlage

Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen
Art. 221 StGBBrandstiftung
Art. 223 Ziffer 1 StGBVerursachen einer Explosion
Art. 224 Ziffer 1 StGBGefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht
Art.227 Ziffer 1 StGBVerursachen einer Überschwemmung oder eines Einsturzes
Art. 228 Ziffer a StGBBeschädigung von elektrischen Anlagen. Wasserbauten und Schutzvorrichtungen

Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit
Art. 231 Ziffer 1 StGBVerbreiten menschlicher Krankheiten
Art. 234 Ziffer 1 StGBVerunreinigung von Trinkwasser

Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr
Art. 237 Ziffer 1 StGBStörung des öffentlichen Verkehrs
Art. 238 Ziffer 1 StGBStörung des Eisenbahnverkehrs

Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden
Art. 260bis StGBStrafbare Vorbereitungshandlungen
Art. 263 Abs. 2 StGBQualifizierter Tatbestand der Verübung einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit

Verbrechen und Vergehen gegen die Rechtspflege
Art. 311 Ziffer 2 StGBQualifizierter Tatbestand der Meuterei von Gefangenen
Dieser Tatbestandskatalog gilt auch für die entsprechenden Straftat- bestände des Militärstrafgesetzes.