Verordnung
betreffend das Administrativverfahren bei Abtretung von Privatrechten (vom 6.März 1880) FN1

§ 1. Wird für ein öffentliches oder privates Unternehmen das Recht der Expropriation verlangt, so ist das Gesuch hiefür mit einem Projektplan dem Regierungsrat einzureichen. Dieser prüft vor allem, ob die Expropriation in bezug auf die öffentlichen Interessen sowie mit Rücksicht auf § 10 des Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten vom 30. November 1879 FN2 statthaft ist.

Die Antragstellung kommt derjenigen Direktion zu, in deren Geschäftskreis die Angelegenheit gehört.

§ 2. Findet der Regierungsrat, dass die Voraussetzungen, unter welchen nach dem Gesetz die Abtretung von Privatrechten FN2 bewilligt werden darf, offenbar nicht vorhanden seien, so weist er das Begehren ohne weiteres ab.

§ 3. In allen anderen Fällen sind die Akten dem zuständigen Statthalteramt zu behändigen. Dasselbe hat das Gesuch auf Kosten des Exproprianten durch das Amtsblatt und die obligatorischen Publikationsmittel der betreffenden Gemeinden zur öffentlichen Kenntnis zu bringen und zugleich eine zerstörliche Frist anzusetzen, binnen welcher Einsicht vom Plane genommen und Einsprache gegen die Erteilung des Expropriationsrechtes erhoben werden kann.

§ 4. Nach erfolglosem Ablauf der Frist übermittelt das Statthalteramt die Akten dem Regierungsrat.

Erfolgen Einsprachen, so veranlasst das Statthalteramt den Bezirksrat zu deren erstinstanzlicher Behandlung und Erledigung.

§ 5. Im Entscheid des Bezirksrates ist darauf aufmerksam zu machen, dass Einwendungen gegen denselben binnen 20 Tagen, von der Mitteilung an gerechnet, dem Statthalteramt schriftlich einzureichen sind.

Eine beglaubigte Abschrift der allfälligen Eingaben ist sofort der Gegenpartei mit der Auflage zuzustellen, innerhalb 20 Tagen die Antwortschrift direkt dem Regierungsrat einzureichen, ansonst lediglich auf Grund der vorliegenden Akten entschieden würde.

§ 6. Wurde keine Einsprache erhoben oder ist das Verfahren nach § 5 durchgeführt, so entscheidet der Regierungsrat auf Antrag der Justizdirektion (§ 3 lit. a des Gesetzes) FN2, oder stellt einen entsprechenden Antrag an den Kantonsrat (§ 3 lit. b des Gesetzes) FN2.

§ 7. Wird die Bewilligung zur Expropriation erteilt, so kann gegen das Projekt im allgemeinen keine Einsprache mehr erhoben werden.

Der Staat ist berechtigt, für ein von ihm auszuführendes Werk die Abtretungspflicht in Anspruch zu nehmen, sobald das Projekt vom Regierungsrat genehmigt ist.

Mit der regierungsrätlichen Genehmigung eines Projektes für den Bau oder die Korrektion einer Strasse II. Klasse sowie der Pläne über Bau- und Niveaulinien erhält die Gemeinde ohne weiteres das Recht zur Expropriation.

§ 8. Ist einem öffentlichen oder Privatunternehmen das Expropriationsrecht erteilt, so hat der Expropriant das Projekt auf der Lokalität auszustecken, soweit dies nicht bereits geschehen ist, und auf der Gemeinderatskanzlei jeder Gemeinde, in welcher Abtretungen erfolgen sollen, einen Plan aufzulegen, in welchem die einzelnen in Frage kommenden Grundstücke genau zu bezeichnen sind.

Diesem Plan ist für jede einzelne Gemeinde ein Verzeichnis der sämtlichen für Abtretung von Rechten oder für Leistung von Beiträgen in Anspruch genommenen Personen sowie der an sie gestellten Ansprüche beizulegen (§ 22 des Gesetzes) FN2.

§ 9. Der Gemeinderat hat sofort nach Empfang dieses Planes in üblicher Weise öffentlich bekannt zu machen, dass derselbe während 14 Tagen, vom Tage der Bekanntmachung an gerechnet, zu jedermanns Einsicht bereit liege. Gleichzeitig gibt er den betreffenden Grundeigentümern von dem Umfang der an sie gestellten Ansprüche Kenntnis unter Ansetzung einer Frist von 30 Tagen, binnen welcher sie diesfällige Einsprachen sowie ihre Entschädigungsforderungen und andere Rechtsansprüche bei der Gemeinderatskanzlei schriftlich anzumelden haben. Unterlässt ein Grundeigentümer diese Anmeldung, so wird angenommen, er sei mit der ihm zugemuteten Abtretung beziehungsweise der gestellten Beitragsforderung einverstanden und anerkenne mit Bezug auf seine eigenen Ansprüche zum voraus die Richtigkeit des Entscheides der Schätzungskommission (§ 23 des Gesetzes) FN2.

In die Bekanntmachung sind die Vorschriften der §§ 26 und 27 des Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten FN2 aufzunehmen (§ 28 des Gesetzes) FN2.

§ 10. Glaubt ein Abtretungspflichtiger, dass ohne wesentliche Änderung des Projektes und ohne Nachteil für dasselbe die Abtretung ganz oder teilweise vermieden werden könne, so ist auch er innerhalb der Frist des § 23 des Gesetzes FN2 befugt, eine Änderung zu beantragen.

Werden durch eine solche Abänderung die Rechte anderer Abtretungspflichtiger oder dritter Personen betroffen, so hat der Gemeinderat diesen hievon Kenntnis zu geben und sie aufzufordern, ihre allfälligen Einsprachen sowie ihre Rechtsansprüche und Forderungen für den Fall eintretender Abänderung innerhalb bestimmter Frist anzumelden (§ 24 des Gesetzes) FN2.

Einsprachen gegen den Umfang der Abtretung sowie Begehren um Abänderung des Projektes und Einsprachen hiegegen sind zugleich des näheren zu begründen.

§ 11. Dem Gemeinderat liegt ob, nach Ablauf der in den §§ 9 und 10 dieser Verordnung vorgeschriebenen Frist ungesäumt die erhobenen Einsprachen und gestellten Forderungen dem Exproprianten in Abschrift mitzuteilen (§ 25 des Gesetzes) FN2.

§ 12. Nach Empfang der gemeinderätlichen Mitteilung hat der Expropriant vorerst den Versuch zu machen, eine gütliche Verständigung herbeizuführen (§ 29 des Gesetzes) FN2.

§ 13. Kann der Streit über den Umfang oder die Art der Abtretung (§ 24 des Gesetzes) FN2 nicht binnen 20 Tagen gütlich ausgeglichen werden, so hat der Expropriant seine Begehren um Abtretung in der von ihm angestrebten Weise dem Bezirksrat schriftlich einzureichen und sich über die dagegen erhobenen Einwendungen auszusprechen.

Nach Einholung der Vernehmlassung des Einsprechers entscheidet der Bezirksrat in erster Instanz.

§ 14. Binnen 20 Tagen kann gegen diesen Entscheid Rekurs erhoben werden.

Das weitere Verfahren richtet sich nach § 5 dieser Verordnung.

§ 15. Nach Erledigung aller Streitigkeiten über den Umfang der Abtretung ist von dem Exproprianten jeder zuständigen Notariatskanzlei ein Doppel des endgültigen Planes, soweit derselbe ihren Kreis betrifft, nebst Grunderwerbungstabelle behufs Aufnahme in ihr Archiv zuzustellen (§ 31 des Gesetzes) FN2.

§ 16. Diese Verordnung tritt sofort in Kraft. Sie ist in das Amtsblatt und in die Gesetzessammlung aufzunehmen und den Bezirksräten und Gemeinderäten in Separatabzügen zuzustellen.

___________

FN1 OS 20, 131 und GS V, 699. Vom Regierungsrat erlassen.
FN2 781.