Gesetz
betreffend den Strafprozess (Strafprozessordnung)
(vom 4. Mai 1919) FN1

I. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

A. Gerichtsstand

§§ 14.

§ 5. Für den Gerichtsstand gelten die Art. 346351 StGB FN8.

Mehrere Verbrechen oder Vergehen sollen, wenn sie von der gleichen Person verübt wurden oder sonst miteinander in Zusammenhang stehen, vom gleichen Gericht, und zwar in der Regel von jenem beurteilt werden, das für das schwerste Verbrechen oder Vergehen zuständig ist. Eine getrennte Behandlung von verschiedenen Anschuldigungen gegenüber mehreren Tätern ist aus Zweckmässigkeitsgründen zulässig.

Vorbehalten bleiben entgegenstehende Bestimmungen des Bundesrechts.

§§ 6 und 7.

B. Parteien und Verteidigung

§ 8. FN21 Vertreter oder Beistand einer Partei kann jede handlungsfähige Person sein. Vorbehalten bleiben § 12 und die Bestimmungen des Anwaltsgesetzes FN3 über die berufsmässige Vertretung und Verbeiständung von Parteien.

§ 9. Der Geschädigte ist berechtigt, falls nicht seine persönliche Anwesenheit gefordert wird, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen. Er kann sich jederzeit eines Beistandes bedienen.

. . . FN22

§ 10. FN26 Dem Geschädigten ist Gelegenheit zu geben, den Einvernahmen der Zeugen und Sachverständigen beizuwohnen und an sie Fragen zu stellen, welche zur Aufklärung der Sache dienen können.

Der Geschädigte ist berechtigt, dem Untersuchungsbeamten die zur Feststellung des Schadens geeigneten Anträge zu stellen. Er wird zur Erklärung angehalten, ob und in welchem Umfang er Zivilansprüche stelle und ob er Vorladung zur Hauptverhandlung verlange. Die Erklärung kann durch Mitteilung an den Untersuchungsbeamten nachträglich geändert werden.

Dem Geschädigten ist Gelegenheit zu geben, Einsicht in die Akten zu nehmen und den Einvernahmen des Angeschuldigten beizuwohnen, soweit dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks geschehen kann. Der Untersuchungsbeamte ist jedoch berechtigt, im Interesse der Untersuchung oder auf Wunsch des Angeschuldigten diesen auch in Abwesenheit des Geschädigten einzuvernehmen.

Dem Opfer einer Straftat, durch die dieses in seiner körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität beeinträchtigt worden ist, werden auf Verlangen wesentliche Verfahrensentscheide, insbesondere über die Inhaftierung oder Entlassung des Angeschuldigten aus der Haft sowie die Anklagezulassung, zugestellt.

Wenn es die Interessen und die persönlichen Verhältnisse des Geschädigten erfordern, wird ihm auf sein Verlangen vom Präsidenten des Bezirksgerichts ein unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben. Die Zuständigkeit richtet sich nach § 13 Abs. 2.

Der Geschädigte wird nur soweit einvernommen, als es zur Abklärung des Sachverhalts nötig ist.

Im Verfahren wegen einer Straftat, durch welche das Opfer in seiner körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist, kann es sich durch eine Vertrauensperson begleiten lassen, wenn es als Zeuge oder Auskunftsperson befragt wird. Betrifft das Verfahren eine Straftat gegen die sexuelle Integrität, so ist das Opfer auf sein Begehren hin durch eine Person gleichen Geschlechts einzuvernehmen.

§ 10 a. FN23 Der Ehegatte des Opfers im Sinne von Art. 2 des Opferhilfegesetzes FN10, dessen Kinder und Eltern sowie andere ihm in ähnlicher Weise nahestehende Personen haben die gleichen Verfahrensrechte wie das Opfer, soweit sie Zivilansprüche gegenüber dem Angeschuldigten geltend machen.

§ 11. FN20 Der Angeschuldigte ist zu Beginn seiner ersten Einvernahme durch den Untersuchungsbeamten darauf hinzuweisen, dass er jederzeit einen Verteidiger bestellen kann, dass er die Aussage verweigern kann und dass seine Aussagen als Beweismittel verwendet werden können.

Der Angeschuldigte muss durch einen Verteidiger verbeiständet sein, wenn

1. er seine Rechte infolge geistiger oder körperlicher Beeinträchtigungen nicht selber zu wahren vermag und er durch einen gesetzlichen Vertreter nicht ausreichend verteidigt werden kann;
2. er sich ununterbrochen mehr als fünf Tage in Untersuchungshaft befindet, für deren weitere Dauer;
3. gegen ihn eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder eine sichernde Massnahme im Sinne des Strafgesetzbuches FN8 beantragt ist oder in Aussicht steht;
4. sich die Untersuchung auf Straftaten bezieht, deren Beurteilung dem Geschworenengericht oder erstinstanzlich dem Obergericht zusteht, sowie in den Fällen von § 33 GVG FN2;
5. besondere Umstände es erheischen, namentlich wenn die Abklärung oder Beurteilung des Sachverhaltes aussergewöhnliche Schwierigkeiten bereitet.

§ 12. FN21 In den Fällen der notwendigen Verteidigung (§ 11 Abs. 2) kann der Angeschuldigte nur durch einen im Kanton zugelassenen Rechtsanwalt verbeiständet werden.

Bestellt der Angeschuldigte selber keinen solchen Beistand, so wird ihm ein amtlicher Verteidiger beigegeben und aus der Staatskasse nach dem Anwaltstarif entschädigt. Über die endgültige Kostenauflage wird bei Abschluss des Verfahrens entschieden.

§ 13. FN26 Kann notwendige Verteidigung eintreten, so hat der Untersuchungsbeamte den Angeschuldigten unverzüglich zu einer Erklärung darüber zu veranlassen, ob er selber einen Verteidiger wählen oder sich einen solchen von Amtes wegen bestellen lassen will.

Das Gesuch um Bestellung eines amtlichen Verteidigers ist dem Präsidenten des Bezirksgerichts zu übermitteln. Er bezeichnet den amtlichen Verteidiger. Nach der Anklageeröffnung steht die Bestellung eines amtlichen Verteidigers dem Präsidenten des urteilenden Gerichts zu. Ein Vorschlag des Gesuchstellers ist nach Möglichkeit zu berücksichtigen.

§ 14. FN23 Dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger wird Gelegenheit gegeben, den Einvernahmen von Zeugen, Auskunftspersonen und Sachverständigen vor dem Untersuchungsbeamten beizuwohnen und an sie Fragen zu richten, welche zur Aufklärung der Sache dienen können.

Opfer im Sinne von Art. 2 des Opferhilfegesetzes FN10 können auf ihr Verlangen in Abwesenheit des Angeschuldigten einvernommen werden. Bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität darf eine Konfrontation nicht gegen den Willen des Opfers angeordnet werden.

Wird der Angeschuldigte von der Teilnahme an der Einvernahme ausgeschlossen, ist ihm Gelegenheit zu geben, ihr durch Übertragung in einen anderen Raum zu folgen und dem Opfer von dort aus Ergänzungsfragen zu stellen. Amtet ein im Kanton zugelassener Rechtsanwalt als Verteidiger, kann er an der Einvernahme teilnehmen und die Rechte gemäss Abs. 1 ausüben.

Die Bestimmungen von Abs. 2 und 3 über den Ausschluss des Angeschuldigten gelten auch für Einvernahmen von Drittpersonen, bei denen überwiegende Interessen der Strafverfolgung die Gegenwart des Opfers erfordern.

War die Beachtung der Vorschriften der Absätze 1 bis 3 aus zwingenden tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich, so ist dem Angeschuldigten bei nächster Gelegenheit das Protokoll der Einvernahme zu verlesen, mit der Anfrage, ob er Begehren, insbesondere Ergänzungsfragen, zu stellen habe. Diese sind in das Protokoll aufzunehmen.

Richtet sich die Untersuchung gegen mehrere Personen, so ist der einzelne Angeschuldigte nur zu denjenigen Einvernahmen beizuziehen, welche sich auf seine eigenen Handlungen oder seine persönlichen Verhältnisse beziehen.

§ 15. FN21 Einvernahmen von Zeugen, Auskunftspersonen oder Sachverständigen, bei welchen die Vorschriften von § 14 nicht beachtet wurden, sind nichtig, soweit sie den Angeschuldigten belasten.

§ 16. Der Untersuchungsbeamte ist berechtigt, von den an den Angeschuldigten gerichteten und von ihm ausgehenden Briefen Einsicht zu nehmen und seine mündlichen Besprechungen überwachen zu lassen.

§ 17. Während der Untersuchung ist dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger auf Verlangen die Akteneinsicht soweit und sobald zu gestatten, als dies ohne Gefährdung des Untersuchungszweckes geschehen kann. Die Einsicht in die dem Angeschuldigten bereits vorgehaltenen Akten sowie in die Gutachten und die Protokolle über Untersuchungshandlungen, denen der Verteidiger beizuwohnen befugt ist, darf nicht verweigert werden. FN21

Der Untersuchungsbeamte hat dem Verteidiger Gelegenheit zu geben, an den Einvernahmen des Angeschuldigten teilzunehmen, wenn dieser es verlangt und der Zweck der Untersuchung dadurch nicht gefährdet wird. Im Kanton zugelassene Rechtsanwälte sind zur Einvernahme stets zuzulassen, sobald der Angeschuldigte vor dem Untersuchungsbeamten erstmals einlässlich ausgesagt hat oder sich seit 14 Tagen in Haft befindet. Dem an der Einvernahme teilnehmenden Verteidiger wird anschliessend Gelegenheit gegeben, an den Angeschuldigten Fragen zu richten, welche zur Aufklärung der Sache dienen können. FN21

Nach durchgeführter Untersuchung ist der Verteidiger zur unbeschränkten Akteneinsicht befugt.

§ 18. FN21 Dem Angeschuldigten ist unmittelbar, nachdem der Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft gestellt worden ist, der unbeaufsichtigte Kontakt mit seinem Verteidiger zu gestatten, sofern dadurch der Untersuchungszweck nicht gefährdet wird. Diese Ein-schränkung entfällt jedoch nach der ersten einlässlichen Aussage des Angeschuldigten vor dem Untersuchungsbeamten, spätestens aber 14 Tage nachdem der Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft gestellt worden ist.

Die Erlaubnis zum Verkehr mit dem Verteidiger kann widerrufen oder beschränkt werden, wenn konkreter Verdacht für einen Missbrauch besteht.

Über Anstände entscheidet der Haftrichter in einem raschen schriftlichen Verfahren endgültig.

C. Allgemeine Vorschriften über das Verfahren

§ 19. FN23 Alle bei dem Strafverfahren mitwirkenden Personen, Richter, Geschworene, Untersuchungsbeamte, Ankläger und Verteidiger, sollen mit Ernst und Ruhe zu Werke gehen, weder gegen Parteien noch gegen Zeugen sich Drohungen und Beleidigungen erlauben und sich aller Entstellungen der Wahrheit enthalten.

Die Behörden wahren die Persönlichkeitsrechte der Geschädigten in allen Abschnitten des Strafverfahrens und informieren sie über ihre Rechte.

Bei Vorliegen besonderer Gründe werden die Personalien des Opfers dem Angeschuldigten nicht bekanntgegeben, sofern dies den überwiegenden Interessen der Strafverfolgung nicht widerspricht.

§ 19 a. FN28 Auf Minderjährige und junge Erwachsene bis zum 20. Altersjahr, die am Verfahren als Parteien oder in anderer Weise mitzuwirken haben, finden die §§ 367373 sinngemäss Anwendung.

§ 19 b. Bedürfen Volljährige, die am Verfahren als Parteien beteiligt sind, oder ihre Familien fürsorgerischen Beistandes, so wird der Sozialdienst der für das Justizwesen zuständigen Direktion FN29 benachrichtigt.

II. Abschnitt: Untersuchung

A. Allgemeine Grundsätze der Strafverfolgung und der Untersuchung

1. Einleitung der Strafverfolgung

§ 20. Von einem begangenen Vergehen FN13 kann jedermann Anzeige erstatten an die Staatsanwaltschaft, die Bezirksanwaltschaften, die Gemeindeammänner und an alle Beamten und Angestellten der Kantons- und Gemeindepolizei.

Anzeigen, welche nicht der Staatsanwaltschaft oder einer Bezirksanwaltschaft eingereicht worden sind, sind unverzüglich an eine dieser Behörden weiterzuleiten.

§ 21. Behörden und Beamte haben ihnen bekannt gewordene strafbare Handlungen anzuzeigen, die sie bei Ausübung ihrer Amtstätigkeit wahrnehmen. Ausgenommen von dieser Pflicht, aber zur Anzeige berechtigt sind Beamte, deren berufliche Aufgabe ein persönliches Vertrauensverhältnis zu einem Beteiligten oder zu einem seiner Angehörigen voraussetzt.

Der Regierungsrat kann darüber Weisungen erlassen und die Anzeigepflicht bestimmter Behörden und Beamtengruppen weiter beschränken.

Soweit Behörden und Beamte zur Anzeige verpflichtet sind, haben sie gleichzeitig, soweit sie dafür zuständig sind, diejenigen Massnahmen zu treffen, welche ohne Gefahr nicht verschoben werden können.

§ 22. Die Organe der Kantons- und Gemeindepolizei haben nach Anleitung der gesetzlichen Vorschriften und gemäss den Weisungen ihrer Vorgesetzten die strafbaren Handlungen zu erforschen, die Beweise dafür zu sammeln und der zuständigen Untersuchungsbehörde über die Ergebnisse ihrer Tätigkeit Bericht zu erstatten.

Die Polizei informiert Opfer im Sinne von Art. 2 des Opferhilfegesetzes FN10 bei der ersten Einvernahme über die Beratungsstellen. Sie übermittelt ihre Namen und Adressen einer solchen Stelle, wenn dies vom Opfer nicht abgelehnt wird. FN23

§ 23. Der Kriminalpolizei liegt im besondern die Aufgabe ob, bei Vergehen FN13 die ersten Erhebungen zu machen, die Spuren festzustellen und zu sichern und alle Massregeln zu treffen, die ohne Gefahr nicht verschoben werden können. Über die Organisation und die Ausübung der Kriminalpolizei erlässt der Regierungsrat eine Verordnung FN4. Er kann auch Vorschriften über die Ausbildung der kriminalpolizeilichen und Untersuchungsorgane aufstellen.

Durch Vereinbarungen zwischen dem Regierungsrat und den Gemeinden kann die Ausübung der Kriminalpolizei auf dem Gebiet der Städte Zürich und Winterthur und ihrer Vororte einheitlich geordnet werden. FN5 Diese Vereinbarungen bedürfen der Genehmigung des Kantonsrates.

§ 24. Bei Verbrechen oder Vergehen, welche nur auf Antrag verfolgt werden, dürfen die Behörden erst dann einschreiten, wenn der Strafantrag vorliegt.

In dringenden Fällen können indes schon vor der Stellung des Antrages sichernde Massnahmen getroffen werden.

§ 24 a. Als Behörden, denen bei Vernachlässigung von Unterhalts- oder Unterstützungspflichten das Strafantragsrecht zusteht (Art. 217 Ziffer 2 StGB) FN8, werden bezeichnet:

a) die für den Unterhalts- oder Unterstützungsberechtigten zuständige Vormundschaftsbehörde,
b) FN15 die kostentragende Fürsorgebehörde;
c) die für das Fürsorgewesen zuständige Direktion FN29;
d) FN16 die Bezirksjugendsekretariate.

2. Durchführung der Untersuchung

§ 25. Die Untersuchung wird durch die Bezirksanwälte geführt, soweit das Gesetz nicht etwas anderes bestimmt.

Die Durchführung von Einvernahmen kann juristisch ausgebildeten Sekretären übertragen werden, die unter Leitung des verantwortlichen Bezirksanwalts arbeiten. FN20

§ 26. Der Untersuchungsbeamte kann sich zur Vornahme von Untersuchungshandlungen der Hilfe der Kantonspolizei oder der Gemeindeammänner bedienen. In Zürich und Winterthur tritt an Stelle des Gemeindeammanns die Stadtpolizei, solange keine Vereinbarung gemäss § 23 Abs. 2 getroffen wird.

Die Gemeindeammänner werden für solche Dienstleistungen angemessen entschädigt. Die Höhe der Entschädigung wird durch den Untersuchungsbeamten festgestellt.

§ 27. Die Staatsanwaltschaft ist befugt, den Bezirksanwälten mit Bezug auf die Einleitung und Führung von Untersuchungen Weisungen und Aufträge zu erteilen. Sie kann auch die Untersuchung selbst führen.

§ 28. Die Justizdirektion oder der Regierungsrat können über die Einleitung und Durchführung von Strafprozessen von der Staatsanwaltschaft Bericht einfordern und ihr besondere Aufträge und Weisungen erteilen.

§ 29. Bei Einleitung von Strafprozessen, welche eine politische Bedeutung haben, hat die Staatsanwaltschaft so frühzeitig, als es ohne Gefährdung der Untersuchung geschehen kann, dem Regierungsrat über bereits getroffene Verfügungen Bericht zu erstatten und Anträge über weitere Massnahmen zu stellen.

§ 30. Der Zweck der Untersuchung besteht darin, den Tatbestand soweit zu ermitteln, dass entweder Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt werden kann.

Die Beweismittel sind jedoch nur soweit zu sammeln, als es zur Durchführung der Hauptverhandlung notwendig erscheint.

Der Deliktsbetrag der einzelnen Straftat ist nur soweit zu ermitteln, als es für die Festlegung der Zuständigkeit und für die Beurteilung des Täters notwendig ist.

§ 31. Der Untersuchungsbeamte soll den belastenden und den entlastenden Tatsachen mit gleicher Sorgfalt nachforschen.

§ 32. Über alle Verhandlungen und Verfügungen werden Protokolle geführt, welche über Ort und Zeit der Handlung, die Namen der anwesenden Personen und die Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften Auskunft geben.

Der Untersuchungsbeamte liest den Einvernommenen das Protokoll vor und lässt sich von ihnen die Richtigkeit desselben unterschriftlich bestätigen.

Der Untersuchungsbeamte soll zu wichtigen Einvernahmen von Zeugen und Angeschuldigten einen Sekretär beiziehen, der das Protokoll mitzuunterzeichnen hat.

§ 32 a. Ist der Täter geständig und bestätigt er das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen über den Sachverhalt und die persönlichen Verhältnisse, so kann der Untersuchungsbeamte auf die Wiederholung der Ermittlungen ganz oder teilweise verzichten, wenn diese und das Geständnis des Angeschuldigten zuverlässig scheinen.

§ 33. Alle Untersuchungen sind mit Beförderung zu Ende zu führen. Verschleppungen werden durch die Aufsichtsbehörde geahndet.

§ 34. Den Beamten und Angestellten ist untersagt, aus den Akten einer schwebenden Untersuchung Mitteilungen an Dritte zu machen. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen solche Mitteilungen für den Zweck der Untersuchung förderlich sind oder wo überwiegende öffentliche Interessen eine Aufklärung gebieten.

Bei Straftaten im Sinne von Art. 2 des Opferhilfegesetzes FN10 dürfen Behörden und Private ausserhalb eines öffentlichen Gerichtsverfahrens die Identität des Opfers nur veröffentlichen, wenn dies im Interesse der Strafverfolgung notwendig ist oder das Opfer zustimmt. FN23

§ 34 a. Die Zuständigkeit im Rechtshilfeverfahren wird durch Verordnung des Regierungsrates geregelt.

3. FN23 Beendigung der Untersuchung

§ 35. Die Untersuchung schliesst mit der Erhebung der Anklage oder mit dem Erlass eines Strafbefehls oder mit der Einstellung des Verfahrens.

§ 36. FN21 Will die Bezirksanwaltschaft in Verfahren bezirksgerichtlicher Zuständigkeit Anklage erheben, kann sie auf Gesuch des Angeschuldigten den vorzeitigen Antritt der Strafe oder einer zu beantragenden sichernden Massnahme verfügen. Sie macht den Angeschuldigten auf diese Möglichkeit aufmerksam.

§ 37. In Verfahren geschworenen- und obergerichtlicher Zuständigkeit überweist die Bezirksanwaltschaft die Akten der Staatsanwaltschaft zur weiteren Verfügung.

Der Bezirksanwalt hat die tatsächlichen Ergebnisse der Untersuchung in einem besonderen Schlussbericht kurz zusammenzufassen und einen Antrag auf Erhebung der Anklage oder Einstellung des Verfahrens zu stellen, soweit die Staatsanwaltschaft nichts anderes verfügt.

Auf Gesuch des Angeschuldigten kann die Staatsanwaltschaft den vorzeitigen Antritt der Strafe oder einer zu beantragenden sichernden Massnahme verfügen. Sie macht den Angeschuldigten auf diese Möglichkeit aufmerksam. FN21

§ 38. FN21 Will die Staatsanwaltschaft in einer Sache des Geschworenengerichts oder des Obergerichts auf eine bei ihr angebrachte Klage nicht eintreten, nach durchgeführter Untersuchung eine Anklage nicht erheben oder liegen die Voraussetzungen von Art. 66bis Abs. 1 des Strafgesetzbuches FN8 vor, erlässt sie eine begründete Einstellungsverfügung.

§ 39. FN21 Will die Bezirksanwaltschaft in bezirksgerichtlichen Sachen auf eine bei ihr angebrachte Klage nicht eintreten, nach durchgeführter Untersuchung eine Anklage nicht erheben oder liegen die Voraussetzungen von Art. 66bis Abs. 1 des Strafgesetzbuches FN8 vor, erlässt sie eine begründete Einstellungsverfügung. Sie hat diese Verfügung mit den Akten der Staatsanwaltschaft zur Genehmigung zu unterbreiten.

§ 39 a. FN25 Die Staatsanwaltschaft und die Bezirksanwaltschaft können auf die weitere Verfolgung einer Straftat verzichten und die Untersuchung einstellen, sofern nicht wesentliche Interessen der Strafverfolgung oder des Geschädigten entgegenstehen und wenn

1. der Tat neben anderen, dem Angeschuldigten in der Anklageschrift zur Last gelegten Straftaten im Hinblick auf die zu erwartende Strafe oder Massnahme keine wesentliche Bedeutung zukommt;
2. eine nicht ins Gewicht fallende Zusatzstrafe zu einer rechtskräftigen Verurteilung auszusprechen wäre;
3. gestützt auf materielles Recht bei einer Verurteilung von Strafe abzusehen oder von einer solchen Umgang zu nehmen wäre;
4. eine im Ausland verbüsste Strafe anzurechnen wäre, welche der für die untersuchte Straftat zu erwartenden Strafe mindestens gleichkommt.
§ 40. Die Einstellungsverfügung wird dem Geschädigten in jedem Falle, dem Angeschuldigten nur dann schriftlich mitgeteilt, wenn gegen ihn Untersuchungshandlungen vorgenommen worden sind oder wenn er es verlangt.

§ 41. Hat die Untersuchung die Notwendigkeit oder Wünschbarkeit allgemein vorbeugender Massnahmen auf dem Wege der Gesetzgebung oder der Verwaltung gezeigt, so überweist der Untersuchungsbeamte die Akten mit einem Gutachten an den Regierungsrat.

§ 42. Die Kosten einer eingestellten Untersuchung werden von der Staatskasse getragen. Sie werden dem Angeschuldigten ganz oder teilweise auferlegt, wenn er die Untersuchung durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verursacht oder wenn er die Durchführung der Untersuchung erschwert hat. Sie werden dem Verzeiger ganz oder teilweise überbunden, wenn er seine Anzeige in verwerflicher oder leichtfertiger Weise erstattet hat.

Bei Bemessung, Auflage und Bezug der Kosten ist den Verhältnissen des Betroffenen Rechnung zu tragen.

§ 43. Werden dem Angeklagten die Kosten nicht auferlegt, ist darüber zu entscheiden, ob ihm eine Entschädigung für die durch die Untersuchung verursachten Kosten und Umtriebe sowie eine Genugtuung auszurichten ist. FN21

Ein Angeschuldigter, dem wesentliche Kosten und Umtriebe erwachsen sind, hat Anspruch auf Entschädigung. Diese wird jedoch ganz oder teilweise verweigert, wenn der Angeschuldigte die Untersuchung durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verursacht oder ihre Durchführung erschwert hat.

Ein Angeschuldigter, der durch das Verfahren in seinen persönlichen Verhältnissen schwer verletzt worden ist, hat Anspruch auf Ausrichtung einer angemessenen Geldsumme als Genugtuung. FN21

Entschädigung und Genugtuung sind dem Angeschuldigten aus der Staatskasse zu bezahlen. Der Verzeiger kann zum Ersatz dieser Aufwendungen verpflichtet werden. FN21

§ 44. Der Entscheid über Kosten und Entschädigung wird in die Einstellungsverfügung aufgenommen. Der Geschädigte und der Angeschuldigte können über diesen Entscheid binnen zehn Tagen, vom Tage der Mitteilung an gerechnet, durch schriftliche Erklärung gerichtliche Beurteilung verlangen. Bei Einstellung durch die Bezirksanwaltschaft ist diese Erklärung dem Einzelrichter, bei Einstellung durch die Staatsanwaltschaft dem Bezirksgericht einzureichen. Diese Gerichtsinstanzen können eine mündliche Verhandlung anordnen. Gegen ihren Entscheid ist der Rekurs zulässig, wenn der Betrag der Kosten und Entschädigungen, über die sie zu befinden hatten, Fr. 500 übersteigt.

§ 45. Eine durch Einstellungsverfügung beendigte Untersuchung kann wieder aufgenommen werden, sobald sich neue Anhaltspunkte für die Täterschaft oder für Schuld ergeben.

§§ 46-48. FN22

B. Die einzelnen Untersuchungshandlungen

1. Sicherung der Person des Angeschuldigten

a) FN21 Polizeiliche Vorführung

§ 49. FN21 Der Untersuchungsbeamte kann die polizeiliche Vorführung eines Angeschuldigten anordnen, wenn dieser

1. einer Vorladung ohne genügende Entschuldigung keine Folge geleistet hat oder
2. eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und ein Haftgrund gemäss § 58 Abs. 1 besteht.
Unter diesen Voraussetzungen sind in dringenden Fällen auch die Offiziere der Kantonspolizei und der Stadtpolizei Zürich zum Erlass eines Vorführungsbefehls berechtigt. Das weitere Vorgehen richtet sich nach § 57.

§ 50. FN21 Die Vorführung wird schriftlich angeordnet. Die Verfügung enthält:

1. die genaue Bezeichnung der vorzuführenden Person;
2. die ihr vorgeworfene Straftat und den Grund der Vorführung;
3. die Untersuchungsbehörde, welcher der Angeschuldigte vorzuführen ist;
4. den Hinweis, dass der mit der Vorführung beauftragte Beamte befugt ist, nötigenfalls Gewalt anzuwenden;
5. das Datum und die Unterschrift des Ausstellers.
Bei Dringlichkeit kann die Vorführung auch mündlich angeordnet werden. Die Verfügung ist unverzüglich schriftlich zu bestätigen.

§ 51. FN21 Besteht ein Haftgrund gegenüber einem Angeschuldigten, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist, kann seine Vorführung durch eine Ausschreibung über die Fernmeldeeinrichtungen und Fahndungsanzeiger der Polizei angeordnet werden.

Bei schweren Verbrechen kann die Öffentlichkeit aufgefordert werden, bei der Fahndung nach dem Angeschuldigten mitzuhelfen.

§ 52. FN21 Die Polizei weist dem Angeschuldigten den Vorführungsbefehl baldmöglichst vor. Sie führt den Angeschuldigten unverzüglich der im Befehl genannten Amtsstelle zu.

Für den Schaden, der Privaten aus Hilfeleistungen bei der Anhaltung polizeilich vorzuführender Personen entsteht, haftet der Staat.

§ 53. FN21 Der Untersuchungsbeamte entscheidet nach der Einvernahme darüber, ob der Angeschuldigte entlassen oder gegen ihn ein Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft gestellt wird. In diesem Fall gilt der Angeschuldigte bis zum Entscheid des Haftrichters als vorläufig festgenommen.

b) FN21 Vorläufige Festnahme

§ 54. FN21 Die Polizeiorgane sind verpflichtet, eine Person festzunehmen, welche

1. ein Verbrechen oder Vergehen in ihrer Gegenwart verübt hat oder
2. nach ihrer eigenen Wahrnehmung oder nach Mitteilung glaubwürdiger Personen eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird, sofern ein Haftgrund nach § 58 Abs. 1 gegeben ist.

Nachdem ein Untersuchungsbeamter die Leitung des Verfahrens übernommen hat, sind die Polizeiorgane zur Festnahme gemäss Abs. 1 Ziffer 2 nur berechtigt, wenn sie ohne Gefahr nicht aufgeschoben werden kann.

Ist der Aufenthaltsort der festzunehmenden Person unbekannt, kann sie in dringenden Fällen von der Polizei zur vorläufigen Festnahme ausgeschrieben werden.

§ 55. FN21 Jeder Private ist berechtigt, eine Person zu ergreifen, die

1. in seiner Gegenwart ein Verbrechen oder Vergehen verübt hat oder
2. nach seiner eigenen unmittelbaren Wahrnehmung eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt werden muss.
Der Private hat die von ihm ergriffene Person so bald als möglich der Polizei zur Festnahme zu übergeben.

§ 56. FN21 Bei der Festnahme und Ergreifung darf nötigenfalls Gewalt angewendet werden. Die Polizei hat dem Betroffenen baldmöglichst den Grund der Festnahme zu eröffnen.

Für Schaden, der Privatpersonen bei der Hilfeleistung zur Festnahme gemäss § 54 und bei der Ergreifung gemäss § 55 entsteht, haftet der Staat.

§ 57. FN21 Die Polizei befragt den Festgenommenen unverzüglich und tätigt andere sogleich durchführbare Abklärungen, die dazu geeignet sind, einen Haftgrund zu bestätigen oder diesen zu beseitigen. Ist ein Haftgrund nicht oder nicht mehr gegeben, wird der Betroffene unverzüglich entlassen. Andernfalls muss er spätestens 24 Stunden nach seiner Festnahme dem Untersuchungsbeamten zugeführt werden.

c) FN21 Anordnung der Untersuchungshaft

§ 58. FN21 Untersuchungshaft darf nur angeordnet werden, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und ausserdem aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft befürchtet werden muss, er werde

1. sich der Strafverfolgung oder der zu erwartenden Strafe durch Flucht entziehen;
2. Spuren oder Beweismittel beseitigen, Dritte zu falschen Aussagen zu verleiten suchen oder die Abklärung des Sachverhaltes auf andere Weise gefährden;
3. nachdem er bereits zahlreiche Verbrechen oder erhebliche Vergehen verübt hat, erneut solche Straftaten begehen.
Bezieht sich der dringende Tatverdacht auf ein in strafbarer Weise versuchtes oder vorbereitetes Verbrechen, so darf Untersuchungshaft ausserdem angeordnet werden, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft befürchtet werden muss, der Angeschuldigte werde die Tat ausführen.

Die Untersuchungshaft ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr bestehen. Sie darf nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe.

Anstelle von Untersuchungshaft werden eine oder mehrere Anordnungen gemäss §§ 72 und 73 getroffen, wenn und solange sich ihr Zweck auch auf diese Weise erreichen lässt. Unter den gleichen Voraussetzungen ist bereits angeordnete Untersuchungshaft durch Anordnungen gemäss §§ 72 und 73 zu ersetzen.

§ 59. FN21 Der Untersuchungsbeamte vernimmt den Angeschuldigten nach dessen Vorführung oder Zuführung so bald als möglich.

In der Einvernahme wird dem Angeschuldigten Gelegenheit gegeben, den gegen ihn vorliegenden Verdacht zu entkräften und das Bestehen eines Haftgrundes zu widerlegen. Hiefür geeignete und sofort verfügbare Beweismittel sind unverzüglich abzunehmen.

§ 60. FN21 Der Untersuchungsbeamte stellt so bald als möglich, spätestens jedoch innert 24 Stunden nach der Vorführung oder Zuführung des Angeschuldigten, den Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft, wenn er nicht die Freilassung verfügt.

Der Untersuchungsbeamte unterbreitet seinen Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft mit einer Begründung und den für den Entscheid erforderlichen Akten dem Haftrichter.

§ 61. FN26 Der Haftrichter gibt dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger Gelegenheit, sich zu den Vorbringen der Untersuchungsbehörde zu äussern. Er gewährt ihnen Einsicht in die vom Untersuchungsbeamten unterbreiteten Akten. Der Angeschuldigte ist auf sein Verlangen persönlich anzuhören.

Der Haftrichter kann eine mündliche Verhandlung anordnen und den Untersuchungsbeamten zum persönlichen Erscheinen verpflichten. Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Es findet kein Beweisverfahren statt.

Die persönliche Anhörung und die mündlichen Verhandlungen können mittels Direktübertragung von Bild und Ton erfolgen, sofern der Angeschuldigte damit einverstanden ist.

§ 62. FN20 Der Haftrichter befindet aufgrund der vorgelegten Akten und der Vorbringen der Parteien über Fortsetzung oder Aufhebung der Untersuchungshaft. An deren Stelle kann er Ersatzanordnungen gemäss §§ 72 und 73 treffen.

Der Haftrichter entscheidet so bald als möglich, spätestens jedoch zwei Tage nachdem der Antrag auf Untersuchungshaft gestellt worden ist. Der Entscheid wird der Untersuchungsbehörde und dem Angeschuldigten mit einer kurzen Begründung schriftlich mitgeteilt, auch wenn er mündlich eröffnet wurde.

Der Haftrichter kann die Haft zeitlich begrenzen und anordnen, dass die Untersuchungsbehörde innert dieser Frist bestimmte Untersuchungshandlungen vorzunehmen hat.

Der Haftrichter entscheidet endgültig.

§ 63. FN21 Soweit der Zweck der Untersuchung dadurch nicht gefährdet wird, benachrichtigt die Untersuchungsbehörde auf Verlangen des Angeschuldigten so bald als möglich einen Angehörigen oder eine andere von ihm bezeichnete Person darüber, dass Untersuchungshaft beantragt wird.

§ 64. FN21 Der Angeschuldigte kann jederzeit ein Gesuch um Aufhebung der Untersuchungshaft stellen. Vorbehalten bleibt § 66.

Das Gesuch ist dem Untersuchungsbeamten mündlich zu Protokoll zu geben oder schriftlich zu stellen.

Sofern der Untersuchungsbeamte dem Gesuch keine Folge geben will, unterbreitet er es unverzüglich mit den erforderlichen Akten und seinem begründeten Antrag auf Abweisung dem Haftrichter.

§ 65. FN21 Der Untersuchungsbeamte hat dem Haftrichter von Amtes wegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft zu beantragen, wenn

1. seit der Anordnung der Untersuchungshaft drei Monate vergangen sind und der Angeschuldigte kein Gesuch um Entlassung gestellt hat. Vorbehalten bleibt § 66;
2. er eine Fortsetzung der Untersuchungshaft über die vom Haftrichter gemäss § 62 Abs. 3 bewilligte Zeit hinaus für notwendig hält.
Das weitere Verfahren richtet sich nach §§ 61 und 62.

§ 66. FN21 Der Haftrichter kann bei Anordnung der Untersuchungshaft und bei Abweisung eines Gesuches um Aufhebung der Haft einen Zeitpunkt bestimmen, bis zu welchem kein beziehungsweise kein neues Gesuch zugelassen wird.

d) FN21 Anordnung der Sicherheitshaft

§ 67. FN21 Ist gegen den Angeschuldigten Anklage erhoben worden, so befindet über Sicherheitshaft oder Ersatzanordnungen nach §§ 72 und 73

1. in Sachen des Geschworenengerichts und des Obergerichts während des Zulassungsverfahrens und nach Überweisung der Akten an das zuständige Gericht der Präsident der Anklagekammer;
2. in Sachen des Bezirksgerichts der Haftrichter.
Für den Entscheid ist § 58 anwendbar. Der Angeklagte wird nicht einvernommen, und es werden keine Beweise abgenommen.

§ 68. FN21 Der Angeklagte kann bei der Behörde, welche die Sicherheitshaft angeordnet hat, deren Aufhebung beantragen. Will die Behörde dem Gesuch keine Folge geben, entscheidet darüber die Anklagekammer des Obergerichts endgültig. Dabei sind §§ 6166 sinngemäss anwendbar. An Stelle des Untersuchungsbeamten tritt die Behörde, welche die Sicherheitshaft angeordnet hat.

§ 69. FN21 Über Sicherheitshaft und Ersatzanordnungen im Rechtsmittelverfahren wird gemäss § 417 und § 429 entschieden.

e) FN21 Durchführung von Untersuchungs- und Sicherheitshaft

§ 70. FN21 Untersuchungs- und Sicherheitshaft werden in den dazu bestimmten Gefängnissen vollzogen. Sind dort nicht durchführbare medizinische Massnahmen erforderlich, so wird der Verhaftete in eine Klinik oder eine andere geeignete Anstalt verlegt, wo der Zweck der Haft gewährleistet werden kann.

§ 71. FN21 Der Inhaftierte darf in seiner persönlichen Freiheit nicht mehr eingeschränkt werden, als es der Zweck der Haft, die Sicherheit des Personals und der Öffentlichkeit sowie die Ordnung in der Anstalt erfordern.

Der Regierungsrat erlässt die näheren Bestimmungen über die Stellung der Untersuchungs- und Sicherheitshäftlinge sowie die disziplinarischen Massnahmen.

f) FN21 Ersatzanordnungen

§ 72. FN21 Die Untersuchungsbehörde kann Ausweisschriften, die dem Angeschuldigten das Überschreiten der Landesgrenze ermöglichen, beschlagnahmen sowie ihre Ausstellung und Herausgabe untersagen.

Dem Angeschuldigten können Weisungen hinsichtlich seines Aufenthaltsortes und seiner beruflichen Tätigkeit erteilt werden. Er kann dazu verpflichtet werden, sich einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen oder sich regelmässig bei einer Behörde zu melden.

§ 73. FN21 Die Untersuchungsbehörde kann dem Angeschuldigten eine Sicherheitsleistung dafür auferlegen, dass er sich jederzeit zu Prozesshandlungen sowie zum Antritt einer allfälligen Strafe oder Massnahme stellen werde.

Die Sicherheitsleistung bemisst sich nach der Schwere der dem Angeschuldigten vorgeworfenen Tat und seinen persönlichen Verhältnissen. Sie kann durch Hinterlegung von Geld, solider Wertschriften oder durch Garantie einer im Kanton niedergelassenen Bank geleistet werden.

Die Sicherheit wird als verfallen erklärt, wenn der Angeschuldigte einer ordnungsgemässen Vorladung zu einer Prozesshandlung oder zum Vollzug einer Strafe oder Massnahme ohne genügende Entschuldigung keine Folge geleistet hat. Die nicht verfallene Sicherheit wird bei rechtskräftiger Erledigung des Verfahrens, im Falle der Verurteilung des Angeschuldigten zu einer unbedingt vollziehbaren Strafe oder zu einer Massnahme nach deren Antritt, freigegeben.

Über Freigabe oder Verfall der Sicherheit entscheidet die Behörde, bei welcher das Verfahren anhängig ist oder zuletzt anhängig war. Sie befindet auch darüber, ob und in welchem Masse eine verfallene Sicherheit zur Deckung des gerichtlich zugesprochenen Schadenersatzes, der Verfahrenskosten oder einer Busse verwendet wird. Ein Überschuss fällt in die Staatskasse.

§ 74. FN21 Für die Ersatzanordnungen und für Gesuche um ihre Aufhebung gelten §§ 59-62 sinngemäss.

§§ 75 und 76. FN19

§ 77.

§§ 78-82. FN19

2. Beschlagnahme des Vermögens

§ 83. Entzieht sich ein Angeschuldigter, der keine Sicherheit geleistet hat, der Untersuchung durch die Flucht oder erscheint es zur Sicherung der künftigen Vollstreckung eines Strafurteils aus andern Gründen als geboten, so kann durch die Untersuchungsbehörde vom Vermögen des Angeschuldigten so viel mit Beschlag belegt werden, als zur Deckung der Prozesskosten, einer allfälligen Busse, des verursachten Schadens und der Strafvollzugskosten voraussichtlich erforderlich ist.

§ 84. Der Angeschuldigte kann die Beschlagnahme auf dem Wege des Rekurses anfechten.

§ 85. Die Beschlagnahme geschieht in der Weise, dass die im Besitz des Angeschuldigten befindlichen beweglichen Sachen in amtliche Verwahrung genommen werden. Besitzt er Liegenschaften, so kann ihm das Grundbuch gesperrt werden. Drittschuldnern und Inhabern von Eigentum des Angeschuldigten ist anzuzeigen, dass Zahlung oder Rückgabe an den Angeschuldigten die Schuldverpflichtung nicht tilgen würde.

§ 86. Die Kanzlei des urteilenden Gerichts ordnet die amtliche Versteigerung der beschlagnahmten Vermögensstücke an.

Ist das Verfahren unter Auflage der Kosten an den Angeschuldigten eingestellt worden, so wird die Versteigerung vom Untersuchungsbeamten angeordnet.

Forderungen können eingetrieben werden.

§ 87. Will der Geschädigte im Arrestverfahren gemäss Art. 271 ff. des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs FN7 die Sicherstellung seiner Schadenersatzforderung erwirken, so stellt ihm die Untersuchungsbehörde oder das Gericht auf sein Verlangen die zur Glaubhaftmachung seiner Forderung nötige Bescheinigung aus.

3. Hausdurchsuchung

§ 88. Die Hausdurchsuchung wird durch die Untersuchungsbehörde vorgenommen.

Handelt es sich bei einer Hausdurchsuchung nur um einfache Feststellungen, wie um das Vorhandensein gestohlener Waren, so wird der Gemeindeammann oder ein Polizeiangestellter mit der Nachforschung beauftragt.

Ist Gefahr im Verzuge, so steht jedem Polizeibeamten oder Polizeiangestellten das Recht zu, eine Wohnung zu durchsuchen.

§ 89. Bewohnte Gebäude oder einzelne Teile von solchen dürfen gegen den Willen der Inhaber nur durchsucht werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass ein Angeschuldigter sich darin verborgen hält, oder dass sichtbare Spuren der strafbaren Handlung oder Gegenstände, die zur Entdeckung der Wahrheit führen können, darin anzutreffen sind.

§ 90. Zum Zwecke der Verhaftung eines Angeschuldigten darf jeder Beamte oder Angestellte, der zur Verhaftung berechtigt ist, eine Hausdurchsuchung vornehmen.

§ 91. Zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Festtagen darf eine Hausdurchsuchung nur vorgenommen werden, wenn dringende Gefahr im Verzuge ist.

§ 92. Ist die zu durchsuchende Räumlichkeit verschlossen, so werden die Inhaber vorerst aufgefordert, zu öffnen. Bleibt die Aufforderung fruchtlos, so darf Gewalt angewendet werden.

§ 93. Bei der Hausdurchsuchung ist mit aller dem Bürger in seiner Wohnung gebührenden Schonung zu verfahren.

§ 94. Vor und während der Hausdurchsuchung sind die nötigen Vorsichtsmassregeln zu ergreifen, um die Entfernung der aufzusuchenden Person oder Sache und jede Veränderung der letztern zu verhindern.

Personen, welche den Anordnungen der Untersuchungsbehörde keine Folge leisten, können weggewiesen oder während der Dauer der Hausdurchsuchung verhaftet werden. Sie sind überdies mit Ordnungsstrafe zu belegen und, wenn der Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens vorliegt, der Bezirksanwaltschaft zu überweisen.

§ 95. Zu der Hausdurchsuchung ist die Person, deren Wohnung durchsucht wird, oder, wenn sie sich nicht zur Stelle befindet, ein Verwandter, Hausgenosse oder eine andere Urkundsperson zuzuziehen.

4. Beschlagnahme von Gegenständen und Vermögenswerten; Überwachung FN21

§ 96. FN21 Der Untersuchungsbeamte kann Gegenstände und Vermögenswerte, die als Beweismittel, zur Einziehung oder zum Verfall in Frage kommen, in Beschlag nehmen oder auf andere Weise der Verfügung ihres Inhabers entziehen.

Polizeiorgane sind verpflichtet und Privatpersonen sind berechtigt, voraussichtlich der Beschlagnahmung unterliegende Gegenstände zuhanden der Untersuchungsbehörde einstweilen sicherzustellen. Diese entscheidet so bald als möglich über Freigabe oder Beschlagnahme.

§ 97. FN21 Anordnungen gemäss § 96 Abs. 1 werden schriftlich erlassen und den betroffenen Personen mitgeteilt.

Die Untersuchungsbehörde legt ein Verzeichnis der von ihr beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte an.

§ 98. FN21 Die Anordnung wird aufgehoben

1. bei Gegenständen, die als Beweismittel beschlagnahmt wurden, wenn sie zu diesem Zweck nicht mehr benötigt werden und weder ihre Einziehung noch ihr Verfall in Frage kommt;
2. bei Gegenständen und Vermögenswerten, die im Hinblick auf Einziehung oder Verfall beschlagnahmt wurden, wenn sich ergibt, dass die Voraussetzungen dieser Massnahmen fehlen.
Im übrigen wird über beschlagnahmte Gegenstände bei Abschluss des Verfahrens gemäss § 106 ff. entschieden.

§ 99. Papiere, welche sich auf das Verbrechen oder Vergehen beziehen, und Bücher oder Abschriften von Bucheinträgen, welche streitige Rechnungsverhältnisse betreffen, sind zu den Akten zu erheben.

§ 100. Eine Durchsuchung der im Besitz des Angeschuldigten befindlichen Papiere ist nur gestattet, wenn zu vermuten ist, dass Schriften sich darunter befinden, welche nach der Vorschrift des § 99 zu den Akten zu erheben sind.

Im Besitz eines Dritten befindliche Papiere dürfen nur dann durchsucht werden, wenn auch nach Einvernahme des Besitzers noch die Vermutung besteht, dass sie für den Zweck der Untersuchung von Bedeutung sind.

§ 101. Widersetzt sich der Inhaber der Papiere der Durchsuchung, so soll die Untersuchungsbehörde sie versiegelt aufbewahren und den Entscheid des Bezirksgerichts oder der Anklagekammer darüber einholen, ob die Untersuchung stattfinden darf.

Der Inhaber der Papiere ist berechtigt, sein Siegel ebenfalls beizudrücken; macht er von diesem Recht Gebrauch, so ist ihm Gelegenheit zu geben, der Entsiegelung beizuwohnen.

§ 102. Die Durchsuchung ist mit möglichster Schonung der Privatgeheimnisse vorzunehmen.

Dem Inhaber der Papiere ist womöglich Gelegenheit zu geben, der Durchsuchung beizuwohnen.

Papiere, die für die Untersuchung bedeutungslos sind, müssen dem Inhaber zurückgegeben werden.

§ 103. FN21 Besteht Grund zur Annahme, dass sich Papiere oder andere der Beschlagnahme nach § 96 unterliegende Gegenstände und Vermögenswerte im Gewahrsam einer Person befinden, die an der abzuklärenden Straftat nicht beteiligt ist, wird sie von der Untersuchungsbehörde oder in dringenden Fällen von der Polizei zur Herausgabe aufgefordert. Steht dem Inhaber solcher Gegenstände und Vermögenswerte ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 129 oder § 130 zu, so ist er zur Herausgabe von Korrespondenzen und Aufzeichnungen, die aus dem Verkehr mit dem Angeschuldigten herrühren, nicht verpflichtet; § 132 ist anwendbar.

Kommt der Inhaber seiner Pflicht zur Herausgabe von Gegenständen und Vermögenswerten trotz Aufforderung nicht nach, kann eine Hausdurchsuchung durchgeführt werden. Dabei vorgefundene Gegenstände und Vermögenswerte werden unter den Voraussetzungen von § 96 Abs. 1 beschlagnahmt, soweit eine Herausgabepflicht besteht.

§ 104. FN18 Die Untersuchungs- oder die Anklagebehörde kann den Post- und Fernmeldeverkehr des Angeschuldigten oder Verdächtigen überwachen sowie ihm gegenüber technische Überwachungsgeräte im Sinne von Art. 179bis ff. StGB FN8 einsetzen lassen, wenn

1. ein Verbrechen oder ein Vergehen verfolgt wird, dessen Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt,
2. bestimmte Tatsachen die zu überwachende Person als Täter oder Teilnehmer dringend verdächtig machen und
3. die notwendigen Abklärungen ohne die Überwachung wesentlich erschwert würden oder andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind.
Die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs ist unter den Voraussetzungen der Ziffern 2 und 3 ausserdem zulässig, wenn eine mit Hilfe des Telefons begangene Straftat verfolgt wird.

§ 104 a. FN17 Sind die Voraussetzungen zur Anordnung einer Überwachung gemäss § 104 beim Angeschuldigten oder Verdächtigen erfüllt, so können auch Drittpersonen überwacht werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass diese für ihn bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben. Fernmeldeanschlüsse von Drittpersonen können stets überwacht werden, wenn der Verdacht begründet ist, dass der Angeschuldigte oder Verdächtige sie benützt.

§ 104 b. FN17 Die Überwachungsmassnahmen gemäss §§ 104 und 104 a müssen schriftlich angeordnet, begründet und innert 24 Stunden dem Präsidenten der Anklagekammer des Obergerichts mit den massgebenden Akten zur Genehmigung unterbreitet werden.

Der Präsident entscheidet unverzüglich anhand der Begründung und der Akten, ob die Voraussetzungen für die angeordneten Überwachungsmassnahmen gegeben sind.

Der Entscheid wird kurz begründet und der anordnenden Behörde unverzüglich schriftlich mitgeteilt; er ist endgültig.

Die Überwachungsmassnahmen sind auf höchstens sechs Monate befristet; die anordnende Behörde kann sie jeweils um weitere sechs Monate verlängern. Die neue Verfügung ist dem Präsidenten der Anklagekammer mit Akten und Begründung vor Ablauf der bewilligten Frist zur Genehmigung einzureichen. Abs. 2 ist sinngemäss anzuwenden.

Die Anordnung von Überwachungsmassnahmen und der Entscheid über ihre Genehmigung oder Verlängerung werden den Betroffenen nicht eröffnet.

§ 104 c. FN17 Die anordnende Behörde stellt die Überwachung unverzüglich ein, wenn ihre Genehmigung oder Verlängerung verweigert wird oder ihre Voraussetzungen entfallen.

§ 104 d. Die aus genehmigten Überwachungsmassnahmen stammenden Aufzeichnungen oder Abschriften werden zu den Akten genommen, soweit sie für das Verfahren von Bedeutung sind. Andernfalls werden sie unter besonderem Verschluss gehalten und nach Abschluss des Verfahrens vernichtet. FN21

Die von genehmigten Überwachungsmassnahmen betroffenen Postsendungen, angewiesenen Beträge und Guthaben können unter den Voraussetzungen von § 96 beschlagnahmt werden. Andernfalls werden sie dem Adressaten ausgehändigt, sobald es der Stand des Verfahrens erlaubt. FN17

Ergebnisse genehmigter Überwachungsmassnahmen, die mit dem abzuklärenden Sachverhalt in keiner Beziehung stehen, aber auf die Begehung einer anderen Straftat hindeuten, dürfen nur dann als Beweismittel verwendet werden, wenn sie ein Verbrechen oder Vergehen im Sinne von § 104 Ziff. 1 betreffen und die gemäss § 104 überwachten Personen nach den gesamten Ergebnissen der Überwachungsmassnahmen und den weiteren Beweisen und Verdachtsgründen als Täter oder Teilnehmer dringend verdächtig machen. § 104 a gilt sinngemäss. FN21

§ 104 e. FN17 Wird die Genehmigung von Überwachungsmassnahmen verweigert, werden die bereits erfolgten Aufzeichnungen und Abschriften unverzüglich vernichtet; sie dürfen in keinem Strafverfahren verwendet werden. Eine Beschlagnahme gemäss § 104 d Abs. 2 ist unzulässig.

§ 104 f. FN17 Der für das Polizeiwesen zuständige Direktionsvorsteher FN29 kann die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs von Personen oder den Einsatz von Geräten im Sinne von
Art. 179
bis ff. StGB FN8 anordnen, um ein Verbrechen oder Vergehen, dessen Schwere und Eigenart den Eingriff rechtfertigt, oder eine Straftat, die mit dem Telefon begangen werden soll, zu verhindern, wenn bestimmte Umstände dringend auf die Vorbereitung einer solchen Tat schliessen lassen. §§ 104 b und 104 c sind sinngemäss anzuwenden.

Die aus Überwachungsmassnahmen stammenden Aufzeichnungen und Abschriften werden unter besonderem Verschluss gehalten. Sie werden vernichtet, sobald der Zweck für die Anordnung der Überwachungsmassnahme dahingefallen ist, soweit sie nicht als Beweismittel in einem Strafverfahren verwendet werden sollen.

§ 105. Überwachungsmassnahmen gemäss § 104 a sind unzulässig gegenüber Personen, welche gemäss § 130 zur Zeugnisverweigerung berechtigt sind, sofern sie nicht selber einer solchen Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden. FN18

Unter den gleichen Voraussetzungen wird der mündliche und schriftliche Verkehr überwachter Personen mit den gemäss § 130 zur Zeugnisverweigerung Berechtigten von den angeordneten Massnahmen ausgenommen. FN21

Aufzeichnungen und Abschriften, die Geheimnisse gemäss § 130 enthalten, dürfen nicht beschlagnahmt und als Beweismittel verwendet werden. Bestehen Zweifel darüber, ob sie derartige Geheimnisse enthalten, entscheidet darüber nach Anhörung einer oder mehrerer fachkundiger Vertrauenspersonen der Präsident der Anklagekammer endgültig. FN18

§ 106. FN21 Wird das Verfahren, in welchem eine Beschlagnahme gemäss § 96 erfolgte, durch Urteil oder Beschluss eines Gerichts oder durch Strafbefehl bzw. Bussenverfügung einer Untersuchungs- oder Verwaltungsbehörde abgeschlossen, so befindet die betreffende Behörde darüber, ob die sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte freizugeben oder einzuziehen bzw. als verfallen zu erklären sind. In diesem Fall entscheidet die Behörde auch darüber, ob das beschlagnahmte Gut zu vernichten, unbrauchbar zu machen, an Dritte herauszugeben oder zugunsten Geschädigter zu verwenden ist. Verbleibende Gegenstände und Vermögenswerte fallen dem Staat zu.

Wird das Verfahren durch Einstellung abgeschlossen, so gibt die hiefür zuständige Behörde die Gegenstände und Vermögenswerte frei, zieht sie ein oder erklärt sie als verfallen. Die davon betroffenen Personen können die gerichtliche Beurteilung des Entscheides verlangen. § 44 ist sinngemäss anwendbar.

§ 106 a. FN20 Unterliegt ein im Kanton befindlicher Gegenstand oder Vermögenswert gemäss § 96 der Beschlagnahme, ohne dass im Zusammenhang damit in der Schweiz ein Strafverfahren gegen seinen Inhaber durchgeführt werden kann, so wird eine besondere Untersuchung darüber geführt, ob die Voraussetzungen der Einziehung oder des Verfalls vorliegen. Zuständig ist die Untersuchungsbehörde, in deren Bezirk sich die Gegenstände oder Vermögenswerte befinden oder bei ihrer bereits erfolgten Beschlagnahme befunden haben.

Als Beweismittel können auch die tatsächlichen Feststellungen in Strafurteilen des Auslandes sowie Akten über Beweise, die in dortigen Verfahren erhoben wurden, herangezogen werden. Die durch eine Einziehung oder Verfallerklärung Betroffenen sind nach Möglichkeit anzuhören. Solchen Personen und ihren Vertretern wird Akteneinsicht gewährt, soweit dies ohne Gefährdung des Zwecks der Untersuchung und im Ausland hängiger Strafverfahren geschehen kann.

§ 106 b. FN20 Hält die Untersuchungsbehörde die Voraussetzungen der Einziehung oder des Verfalls gemäss § 106 a für gegeben, überweist sie die Akten dem Einzelrichter und stellt ihm Antrag. Dieser enthält

1. die Bezeichnung der Gegenstände oder Vermögenswerte;
2. die Gründe, welche ihre Einziehung oder ihren Verfall rechtfertigen;
3. die Gründe, welche ein Strafverfahren in der Schweiz verunmöglichen.
Der Richter gibt den Betroffenen nach Möglichkeit Gelegenheit, zum Antrag schriftlich Stellung zu nehmen. Er kann eine mündliche Verhandlung anordnen. Der Entscheid besteht in einer Anordnung gemäss § 106 Abs. 1.

5. Augenschein und Gutachten Sachverständiger

§ 107. Ein Augenschein ist vorzunehmen, wenn ein für die Untersuchung erheblicher Umstand dadurch aufgeklärt werden kann.

Insbesondere soll sich die Untersuchungsbehörde oder in weniger wichtigen Fällen ein von ihr zu bezeichnender Polizeiangestellter unverzüglich an den Ort der Verübung des Verbrechens oder Vergehens begeben, wenn anzunehmen ist, dass Spuren der Tat daselbst anzutreffen sind.

§ 108. Über die Gegenstände des Augenscheines sind Zeichnungen (in der Regel blosse Handzeichnungen, in wichtigeren Fällen Photographien und Pläne) oder Modelle anzufertigen, um die Sache dem urteilenden Gericht zu veranschaulichen.

§ 109. Bedarf es zur Feststellung oder tatsächlichen Würdigung eines Sachverhaltes besonderer Kenntnisse oder Fertigkeiten, so werden Sachverständige zugezogen.

Der Geschädigte kann bei Verbrechen und Vergehen gegen das Vermögen ganz oder teilweise zur Sicherstellung und Tragung der Kosten des Sachverständigen angehalten werden, wenn die Strafuntersuchung oder das Gutachten vorwiegend zur Feststellung seiner Zivilansprüche dienen und das Gutachten mit seiner Zustimmung eingeholt wurde.

§ 110. Die Wahl der Sachverständigen steht der Untersuchungsbehörde zu.

Die Bezirksärzte und Bezirkstierärzte und ihre Adjunkte sind die bleibend bestellten gerichtsärztlichen Sachverständigen. Als gerichtsärztliche Sachverständige gelten ferner die ärztlichen Direktoren und Oberärzte der kantonalen Spitäler und psychiatrischen Kliniken und des gerichtlich-medizinischen Instituts sowie der Leiter der kantonalen Familienpflege.

In Fällen der Verhinderung oder Befangenheit der genannten Sachverständigen oder wenn sonst besondere Umstände es rechtfertigen, können ausnahmsweise andere Sachverständige ernannt werden.

Für die Untersuchung weiblicher Personen bezeichnet der Regierungsrat die erforderliche Zahl von patentierten Ärztinnen, denen die Untersuchung namentlich dann zu übertragen ist, wenn die zu untersuchende Person oder der Inhaber der elterlichen Gewalt es wünscht. Diese Ärztinnen unterstehen den für die Bezirksärzte geltenden Vorschriften.

§ 111. Niemand darf als Sachverständiger zugezogen werden, der als Richter abgelehnt werden könnte.

§ 112. Abgesehen von einer besondern amtlichen Stellung, ist niemand verpflichtet, als Sachverständiger zu handeln. Wer aber einen solchen Auftrag übernommen hat, ist gehalten, ihn bei Vermeidung von Ordnungsbusse und Kostenauflage zu erfüllen.

§ 113. Die Sachverständigen werden auf die Pflicht aufmerksam gemacht, ihr Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben, unter Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen eines wissentlich unrichtigen Gutachtens.

§ 114. Erfordert es der Zweck der Untersuchung, so werden die Sachverständigen zu den Verhören, Zeugeneinvernahmen, Hausdurchsuchung und Augenscheinen zugezogen.

§ 115. Die Untersuchungsbehörde bezeichnet die Punkte, auf welche die Sachverständigen ihre Aufmerksamkeit zu richten haben, erteilt ihnen die erforderlichen Aufschlüsse aus den Akten oder übergibt ihnen dieselben und stellt die zu beantwortenden Fragen.

Hält der Sachverständige eine Ergänzung der Untersuchung oder eine veränderte Fragestellung für notwendig, so stellt er darüber dem Untersuchungsbeamten Antrag.

§ 116. Werden durch das Verfahren der Sachverständigen die zu untersuchenden Gegenstände zerstört oder verändert, so wird ihnen wo möglich nur ein Teil dieser Gegenstände zu ihrer Untersuchung überlassen.

Von Urkunden ist unter der eben bezeichneten Voraussetzung entweder eine Nachbildung oder wenigstens eine genaue Abschrift, verbunden mit einer Beschreibung des Zustandes der Urkunde, zu den Akten zu erheben.

§ 117. Zum Zwecke der Schriftenvergleichung können Angeschuldigte und Zeugen, diese unter Androhung von Ordnungsstrafe, angehalten werden, einige Worte oder Sätze vor der Untersuchungsbehörde niederzuschreiben.

Inhaber von Schriften, die sich zur Vergleichung eignen, sind verpflichtet, sie gegen Ausfertigung einer beglaubigten Abschrift und Bescheinigung des Empfanges an die Untersuchungsbehörde abzugeben.

§ 118. Der Bericht über die Sektion eines Leichnams soll enthalten:

1. die Angabe, wie und wo der Leichnam angetroffen wurde;
2. die Angabe der Zeit und des Ortes der Sektion;
3. die Bezeichnung des Leichnams nach Geschlecht, Alter, Gestalt und Grösse;
4. die Beschreibung des äussern Zustandes der Leiche und der innern Beschaffenheit der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle;
5. das Gutachten über die Beschaffenheit der Verletzung und die Art der Entstehung derselben sowie über die Todesursache, unter Angabe der Gründe.
§ 119. Im Falle der Kindestötung ist ausserdem zu untersuchen, ob das Kind lebend geboren wurde, wobei alle wichtigen Tatsachen und die zu ihrer Feststellung angewendeten Methoden genau anzugeben sind.

§ 120. Der Leichnam ist nötigenfalls Personen, welche den Verstorbenen im Leben gekannt haben, zur Anerkennung vorzuzeigen. Ist der Tote niemandem bekannt, so soll eine genaue Beschreibung oder Photographie desselben sowie seiner Kleider und Effekten zu den Akten genommen und auf geeignete Weise bekanntgemacht werden.

§ 121. Der Leichnam darf erst dann bestattet werden, wenn die Untersuchungsbehörde den vorläufigen ärztlichen Bericht eingesehen und ihre Einwilligung zur Bestattung gegeben hat.

Eine bereits beerdigte Leiche darf zum Zwecke der Leichenschau nur dann wieder ausgegraben werden, wenn von dieser Massregel ein erhebliches Ergebnis erwartet werden kann.

§ 122. Bei Vergiftungen soll das Gift im Körper aufgesucht und chemisch untersucht werden. Verdächtige Substanzen, welche in der Wohnung des Vergifteten oder bei dem Verdächtigen gefunden werden, sind ebenfalls chemisch zu untersuchen.

§ 123. Eine Frau, welche heimlicher Geburt und eines damit in Verbindung stehenden Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt ist, soll ärztlich untersucht werden.

§ 124. Hat eine Person eine erhebliche Körperverletzung erlitten oder ist ihr sonst Gewalt angetan worden, so werden die Verletzungen wo möglich durch den gerichtlichen Arzt untersucht und genau beschrieben. Das Gutachten hat sich über die mutmassliche Art der Entstehung und über die Bedeutung sowie über die wahrscheinlichen Folgen der Verletzung auszusprechen.

Der Verletzte wird über den Vorgang einvernommen, sobald es ohne Gefahr für seine Gesundheit und sein Leben geschehen kann.

§ 125. Ist es zweifelhaft, ob es sich um Körperverletzung oder tätliche Beschimpfung handelt, so wird eine Untersuchung durch den gerichtlichen Arzt nur angeordnet, wenn die Kosten vertröstet werden.

Der Kostenvorschuss kann erlassen werden, wenn der Geschädigte seine Mittellosigkeit dartut.

§ 126. Die Sachverständigen erstatten ihr Gutachten je nach dem Ermessen der Untersuchungsbehörde mündlich zu Protokoll oder schriftlich.

§ 127. Ist ein Gutachten unvollständig, ungenau oder undeutlich oder weichen die Sachverständigen in ihren Ansichten voneinander ab oder ergeben sich erhebliche Zweifel in die Richtigkeit des Gutachtens, so kann die Untersuchungsbehörde den Bericht durch die gleichen Sachverständigen verbessern lassen oder neue Sachverständige ernennen.

6. Einvernahme der Zeugen

§ 128. Zum Zeugnis vor der Untersuchungsbehörde ist mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen jedermann, auch der Geschädigte, verpflichtet.

§ 129. Das Zeugnis können verweigern:

1. die Bluts-, Adoptiv- und Stiefverwandten und die Verschwägerten des Angeschuldigten in auf- und absteigender Linie, seine Brüder und Schwestern, seine Schwäger und Schwägerinnen;
2. der Ehegatte des Angeschuldigten; der geschiedene Ehegatte, sofern sich das Zeugnis auf die Zeit vor der Scheidung bezieht.

§ 130. Geistliche, Ärzte und Anwälte dürfen die Mitteilung von Geheimnissen ablehnen, die ihnen um ihrer Amts- oder Berufsstellung willen anvertraut worden sind.

§ 131. Der Zeuge kann die Beantwortung von Fragen verweigern, die ihn oder einen der in § 129 genannten Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde.

Opfer im Sinne von Art. 2 des Opferhilfegesetzes FN10 können die Aussage zu Fragen verweigern, die ihre Intimsphäre betreffen. FN23

§ 132. Die Untersuchungsbehörde macht Personen, welche das Zeugnis verweigern dürfen, hierauf aufmerksam; sie nimmt hievon am Protokoll Vormerk.

Die in der Untersuchung abgegebene Erklärung, Zeugnis ablegen zu wollen, ist auch für die Hauptverhandlung verbindlich.

§ 133. Gegen Zeugen, welche einer an sie erlassenen Vorladung keine Folge leisten, ist ein Vorführungsbefehl zulässig.

§ 134. Verweigert ein Zeuge ohne gesetzlichen Grund das Zeugnis, so wird er nach fruchtloser Warnung vorläufig bis zu 24 Stunden in Verhaft gesetzt. Beharrt er auf seiner Weigerung, so wird er, nach vorangegangener Androhung, dem Strafrichter wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen überwiesen.

§ 135. Überdies hat ein Zeuge, welcher einer Vorladung nicht Folge leistet, ohne sich entschuldigen zu können, oder ohne gesetzlichen Grund das Zeugnis verweigert, alle durch ihn verschuldeten Kosten zu tragen und den sonst von ihm verursachten Schaden zu ersetzen.

§ 136. Zeugen, welche nicht im Kanton wohnen, werden in der Regel durch die Untersuchungsbehörde des Wohnortes einvernommen.

§ 137. Zeugen, welche durch Krankheit oder Gebrechlichkeit am Erscheinen vor der Untersuchungsbehörde verhindert sind, werden in ihrer Wohnung einvernommen.

§ 138. Beamte sind mit Beziehung auf Wahrnehmungen und Verhandlungen, über welche sie ein Protokoll führen, in der Regel nicht zur Ablegung eines mündlichen Zeugnisses, sondern nur zur Einreichung des Protokolls oder eines Auszuges oder einer Abschrift desselben anzuhalten, sofern das Protokoll genügenden Aufschluss gibt.

§ 139. Ist ein Zeuge der deutschen Sprache nicht kundig, so wird nötigenfalls ein Dolmetscher zugezogen, der die Richtigkeit des Protokolls unterschriftlich zu bestätigen hat.

Das Protokoll wird in deutscher Sprache geführt. Der Untersuchungsbeamte kann die Niederschrift einzelner wichtiger Äusserungen auch in der Ursprache anordnen.

Die Einvernahme stummer oder tauber Personen geschieht schriftlich oder durch Vermittlung eines Sachverständigen.

§ 140. Die Zeugen werden einzeln einvernommen.

§ 141. Vor ihrer Einvernahme werden die Zeugen unter Hinweis auf die Strafe des falschen Zeugnisses an ihre Pflicht erinnert, nur die Wahrheit zu sagen und nichts zu verschweigen, was zur Sache gehört.

§ 142. Der Zeuge wird gefragt:

1. über Name, Wohnort, Beruf und Alter;
2. über seine persönlichen Beziehungen zu dem Angeschuldigten und zu dem Geschädigten sowie über andere Umstände, welche auf seine Glaubwürdigkeit Einfluss ausüben können;
3. über die Sache selbst.

§ 143. Bei der Vernehmung über die Sache selbst wird der Zeuge vorerst zur Angabe der den Gegenstand des Zeugnisses bildenden Tatsachen und sodann nötigenfalls zur Ergänzung derselben und zur Hebung von Unklarheiten und Widersprüchen veranlasst. Er ist anzuhalten, den Grund seines Wissens anzugeben.

§ 144. Fragen, durch welche dem Zeugen Tatumstände vorgehalten werden, die erst durch seine Aussagen festgestellt werden sollen, sind möglichst zu vermeiden. Verfängliche Fragen sind untersagt.

§ 145. Müssen dem Zeugen zum Zwecke der Anerkennung Personen vorgestellt oder Sachen vorgelegt werden, so ist er vorher aufzufordern, sie so gut als möglich zu beschreiben.

§ 146. Zur Hebung von Widersprüchen kann jeder Zeuge dem andern oder dem Angeschuldigten gegenübergestellt werden.

§ 147. Muss der Geisteszustand eines Zeugen festgestellt werden, so zieht der Untersuchungsbeamte einen Sachverständigen bei; er gibt ihm Gelegenheit, die nötigen Fragen an den Zeugen zu stellen.

§ 148. Über jede wichtige Zeugenaussage ist der Angeschuldigte zu einer Erklärung zu veranlassen, welche protokolliert wird.

§ 149. Es ist in das Ermessen der Untersuchungsbehörde gestellt, welche Zeugen sie von Amtes wegen oder auf Antrag des Angeschuldigten oder des Geschädigten einvernehmen will.

7. FN23 Einvernahme von Auskunftspersonen

§ 149 a. FN23 Statt als Zeuge wird vom Untersuchungsbeamten als Auskunftsperson einvernommen, wer
1. zur Zeit der Einvernahme das zwölfte Altersjahr noch nicht zurückgelegt hat,
2. ohne selber der abzuklärenden Straftat beschuldigt oder dringend verdächtigt zu werden, als Täter oder Teilnehmer der Tat oder einer mit ihr im Zusammenhang stehenden anderen strafbaren Handlung nicht ausgeschlossen werden kann,
3. als Mitbeschuldigter in einem getrennten Verfahren oder nur zu einer ihm nicht selber zur Last gelegten Straftat zu befragen ist,
4. vom Beschuldigten ausdrücklich bezichtigt wird, ihn im Sinne von Art. 303 Ziffer 1 Abs. 1 StGB FN8 falsch angeschuldigt zu haben.

§ 149 b. FN23 Die Auskunftsperson ist zum Erscheinen verpflichtet. Sie kann die Aussage ohne Angabe von Gründen verweigern.

Der Untersuchungsbeamte belehrt die Auskunftsperson über das Recht zur Aussageverweigerung sowie die Bedeutung ihrer Aussage und fordert sie ohne Hinweis auf die Straffolgen von Art. 307 StGB FN8 auf, die Wahrheit zu sagen. Er macht sie auf die Strafbarkeit von falscher Anschuldigung, Irreführung der Rechtspflege und Begünstigung gemäss Art. 303-305 StGB FN8 aufmerksam.

Im übrigen finden die Bestimmungen über die Einvernahme von Zeugen gemäss
§§ 10 Abs. 1, 128 und 133-149 sinngemäss Anwendung.

8. FN23 Besondere Bestimmungen für die Einvernahme von Minderjährigen

§ 149 c. FN23 Wird ein Minderjähriger als Zeuge oder Auskunftsperson einvernommen, so entscheidet er selber über die Ausübung der ihm gemäss §§ 10 Abs. 7, 14, 129, 131 und 149 b Abs. 1 zustehenden Befugnisse, sofern er hiefür urteilsfähig ist. Andernfalls werden die erforderlichen Entscheidungen von seinem gesetzlichen Vertreter, im Falle eines Interessenkonflikts mit diesem durch einen von der Vormundschaftsbehörde zu bestellenden Beistand getroffen.

Werden Minderjährige bis zu 16 Jahren in den Untersuchungen über strafbare Handlungen gegen die körperliche, psychische und sexuelle Integrität bei Einvernahmen nicht gemäss § 10 Abs. 7 von einer Vertrauensperson begleitet, kann der Untersuchungsbeamte zur Einvernahme einen Elternteil oder, wenn dies vom Betroffenen abgelehnt wird, eine von der Vormundschaftsbehörde vorzuschlagende Person beiziehen.

Hat das Opfer zur Zeit der Einvernahme das zwölfte Altersjahr noch nicht zurückgelegt, kann die Befragung als Auskunftsperson durch die Untersuchungsbehörde, die Polizei oder auf Weisung der Untersuchungsbehörde durch ein geeignetes Fürsorgeorgan erfolgen. Der Angeschuldigte ist von der Teilnahme an der Befragung ausgeschlossen. Er hat aber das Recht, sich zu den Angaben des Opfers zu äussern. Es ist ihm zudem Gelegenheit zu geben, Ergänzungsfragen stellen zu lassen, soweit dies dem Kind zugemutet werden kann.

Der Ausschluss des Angeschuldigten von der Teilnahme an der Befragung umfasst auch den Ausschluss seiner Verteidigung. § 14 Abs. 3 Satz 1 wird angewendet, sofern dies dem Kind zugemutet werden kann.

9. Verhör mit dem Angeschuldigten

§ 150. Der Angeschuldigte wird vorerst über Name, Alter, Beruf, Heimat, Wohnort, über seine Familienverhältnisse und militärische Stellung sowie darüber, ob er schon früher bestraft worden ist, befragt.

Ist der Angeschuldigte unmündig oder bevormundet, so ist der Name und Wohnort des Inhabers der elterlichen Gewalt oder des Vormundes festzustellen.

Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Angeschuldigten, so werden darüber Erhebungen angeordnet.

§ 151. Dem Angeschuldigten wird die ihm zur Last gelegte strafbare Handlung im allgemeinen bezeichnet. Er wird veranlasst, sich über die der Anschuldigung zugrunde liegenden Tatsachen zu äussern.

Die weitere Befragung ist auf die Ergänzung der Erzählung und auf die Beseitigung von Unklarheiten und Widersprüchen zu richten. Fragen und Antworten werden protokolliert.

§ 152. Die Protokolle über die Zeugeneinvernahmen, denen der Angeschuldigte nicht persönlich beigewohnt hat, werden ihm im Zusammenhang vollständig mitgeteilt, und er wird veranlasst, sich über den Inhalt zu erklären.
Das gleiche gilt von andern Protokollen, Gutachten usw., die zu den Akten erhoben werden.

§ 153. Die an den Angeschuldigten zu richtenden Fragen dürfen nicht unbestimmt, unklar, mehrdeutig oder auf verschiedene Umstände zugleich gerichtet sein; namentlich ist die Stellung solcher Fragen zu vermeiden, in welchen eine von dem Angeschuldigten noch nicht zugestandene Tatsache als bereits zugegeben angenommen wird.

Fragen, durch welche dem Angeschuldigten Tatumstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort ermittelt werden sollen, dürfen erst dann gestellt werden, wenn der Angeschuldigte nicht in anderer Weise auf jene Umstände geführt werden konnte; insbesondere soll bei Erforschung von Mitschuldigen die Untersuchungsbehörde die Bezeichnung bestimmter Personen so viel als tunlich vermeiden.

§ 154. Um den Angeschuldigten zum Geständnis zu bewegen, dürfen weder Versprechen noch Vorspiegelungen, noch Drohungen oder Zwangsmittel angewendet werden.

§ 155. Die mit dem Verbrechen oder Vergehen in Verbindung stehenden Gegenstände werden dem Angeschuldigten vorgezeigt. Er wird gefragt, ob er sie erkenne.

§ 156. Der Angeschuldigte darf, wenn es die Umstände erfordern, einer körperlichen Durchsuchung und Untersuchung, nötigenfalls auch der Entnahme einer Blutprobe durch einen Arzt unterzogen werden.

Die Blutprobe kann auch gegenüber an Unfällen oder Gefährdungen im Strassenverkehr beteiligten Personen angeordnet werden, wenn begründeter Verdacht besteht, dass ein fehlbares Verhalten unter Alkoholeinfluss vorliegt.

Personen weiblichen Geschlechtes dürfen nur von Frauen durchsucht werden, soweit es sich nicht um gerichtsärztliche Untersuchungen handelt.

§ 157. Herrschen über den Geisteszustand des Angeschuldigten Zweifel, so zieht der Untersuchungsbeamte das Gutachten eines Sachverständigen ein.

Der Angeschuldigte kann zur Beobachtung in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden. §§ 6066 gelten sinngemäss. Der Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik ist der Untersuchungshaft gleichgestellt. FN19

§ 158. Ist der Angeschuldigte der deutschen Sprache nicht kundig oder ist er taub oder stumm, so wird nach § 139 verfahren.

§ 159. Der Angeschuldigte darf bei der Einvernahme nicht gefesselt sein; nur wegen besonderer Gefährlichkeit ist die Anlegung von Handfesseln gestattet.

§ 160. Bei weitläufigen Untersuchungen sind die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung dem Angeschuldigten in einem Schlussverhör nochmals vorzuhalten.

III. Abschnitt: Hauptverfahren

A. Im Allgemeinen

1. Zulassung der Anklage. Vorbereitung der Hauptverhandlung

§ 161. FN23 Das Hauptverfahren wird durch die Anklagebehörde oder im Ehrverletzungsprozess durch den Ankläger mittels Einreichung der Anklageschrift eingeleitet.

§ 162. Die Anklageschrift bezeichnet kurz, aber genau:

1. die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten;
2. die ihm zur Last gelegten Handlungen oder Unterlassungen unter Angabe aller Umstände, welche zum gesetzlichen Tatbestand gehören sowie unter möglichst genauer Angabe von Ort und Zeit und andern Einzelheiten, so dass der Angeklagte daraus ersehen kann, was Gegenstand der Anklage bildet. Blosse Strafzumessungsgründe (Art. 63, 64, 66, 67 und 68 StGB) FN8 sind nicht aufzuführen;
3. die Gesetzesbestimmungen, durch welche dieser Tatbestand mit Strafe bedroht ist.

Es sind weder die Verdachtsgründe noch irgendwelche Rechtserörterungen aufzunehmen.

In der Anklageschrift oder in einem Verzeichnis sind die Geschädigten aufzuführen, und es ist besonders zu vermerken, ob sie Schadenersatz verlangt oder auf Vorladung zur Hauptverhandlung verzichtet haben.

§ 163. Für den Fall der Verwerfung der Hauptanklage kann eine eventuelle Anklage erhoben werden.

§ 164. Vom Zeitpunkt der Einreichung der Anklageschrift an stehen die Akten allen Beteiligten und ihren Rechtsbeiständen zur Einsichtnahme offen.

Gegen Bezahlung der Kosten werden ihnen auf Verlangen Abschriften gefertigt; doch darf dadurch das Verfahren nicht aufgehalten werden.

§ 165. Über Zulassung oder Nichtzulassung der Anklage entscheidet der Präsident des Bezirksgerichts, in Sachen des Geschworenengerichts und des Obergerichts die Anklagekammer.

§ 166. Die Zulassungsbehörde prüft die Untersuchungsakten auf das Vorhandensein von Mängeln in der Form oder in der Sache. Sie prüft die Anklageschrift insbesondere auf ihren Inhalt, die örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, die Frage der Verjährung und der abgeurteilten Sache sowie mit Bezug auf das Vorliegen eines Strafantrages des Berechtigten, wo ein solcher erforderlich ist.

Die Anklagekammer prüft überdies, ob der Angeklagte eines strafbaren Verhaltens hinreichend verdächtig erscheint.

§ 167. Die Zulassungsbehörde kann daher:

1. die Anklage zulassen;
2. die Anklage einstweilen nicht zulassen und den schliesslichen Entscheid abhängig machen von dem Ergebnis einer Vervollständigung der Untersuchung oder von der Hebung anderer Mängel. Diese Ergänzungen sind vom Untersuchungsbeamten vorzunehmen;
3. die Zulassung der Anklage verweigern.

§ 168. Die gänzliche oder teilweise Nichtzulassung der Anklage ist zu begründen, die einfache Zulassung dagegen nicht.

§ 169. Gegen die Verweigerung der Zulassung der Anklage können der Ankläger und der Geschädigte Rekurs erheben.

Nach rechtskräftiger Nichtzulassung der Anklage entscheidet die Anklagebehörde über die Kosten- und Entschädigungsfolgen.

§ 170. Im Falle der Zulassung der Anklage kann der Angeklagte nur wegen Unzuständigkeit des Gerichts Rekurs erheben. Das urteilende Gericht ist indes an den Entscheid der Zulassungsbehörde nicht gebunden.

§ 171. Wird die Anklage zugelassen, so trifft der Präsident die für die Abhaltung und den ungehinderten Fortgang der Hauptverhandlung notwendigen Anordnungen.

Er setzt Tag zur Hauptverhandlung an und erlässt die Vorladungen an Parteien, Geschädigte, Zeugen und Sachverständige.

§ 172. Der Angeklagte ist ungeachtet der Beiziehung eines Verteidigers zu persönlichem Erscheinen bei Ordnungsbusse verpflichtet. Auf begründetes Begehren kann ihm das Erscheinen vom Gerichtspräsidenten erlassen werden.

§ 173. Ist der Aufenthaltsort des Angeklagten unbekannt, so darf gegen ihn nur verhandelt werden, wenn ihm in der Untersuchung Gelegenheit geboten war, sich gegen die Anschuldigung zu verteidigen.

Er wird zur Verhandlung öffentlich vorgeladen.

§ 174. Vor das Bezirksgericht werden Zeugen nicht vorgeladen, wenn ihr Wohnort mehr als 30 km vom Bezirkshauptort entfernt ist, vor das Geschworenengericht nicht, wenn sie weiter als 100 km entfernt wohnen.

Von dieser Regel dürfen nur aus besonderen Gründen Ausnahmen gemacht werden.
§ 175. Nicht vorgeladene Zeugen können abgehört werden, wenn sie freiwillig oder auf Einladung einer Partei vor Gericht erscheinen. Sie haben keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn ihre Aussagen unerheblich sind.

§ 176. Dem Präsidenten steht das Recht zu, unter Anzeige an die Parteien, vor und während der Hauptverhandlung von Amtes wegen Zeugen vorzuladen und einen Augenschein anzuordnen.

§ 177. Die Anklage kann bis zum Beginn der Hauptverhandlung zurückgezogen werden. Wird sie in abgeänderter Form wieder eingereicht, so ist über deren Zulassung neuerdings Beschluss zu fassen.

2. Hauptverhandlung

§ 178. Die Anklagebehörde ist im Hauptverfahren Prozesspartei. Sie hat alle einer solchen zustehenden Rechte und Pflichten.

Der Ankläger soll bei seinen Vorträgen nicht einseitig nur dasjenige hervorheben, was den Angeschuldigten beschweren kann, sondern auch das berücksichtigen, was zu seinen Gunsten spricht.

§ 178 a. Der Angeklagte soll über seine persönlichen Verhältnisse und den Gegenstand der Anklage befragt werden.

§ 179. Die als Zeugen zur Hauptverhandlung vorgeladenen Personen werden einzeln einvernommen. Vor ihrer Einvernahme dürfen sie nicht als Zuhörer bei der Einvernahme anderer Zeugen in der gleichen Sache anwesend sein.

§ 180. Von mehreren Angeklagten kann jeder mit Beziehung auf die Handlungen der übrigen durch den Verteidiger und durch den Ankläger befragt werden.

§ 181. FN23 Die Bestimmungen der §§ 10, 14, 19, 34 und 128159 über den Schutz der Persönlichkeit von Opfern gemäss Opferhilfegesetz FN10, die Einvernahme der Zeugen und Auskunftspersonen sowie das Verhör mit dem Angeschuldigten gelten auch für die Hauptverhandlung.

§ 182. Wer vor Gericht gestellt wird, muss freigesprochen oder verurteilt werden.

Nach Beginn der Hauptverhandlung kann die Anklage nicht mehr zurückgezogen werden.

Ist jedoch das Gericht der Auffassung, dass zwar ein strafbarer Tatbestand vorliege, die Anklage aber den gesetzlichen Erfordernissen (§ 162) nicht entspreche, so hat es den Entscheid auszusetzen und der Anklagebehörde Gelegenheit zu geben, die Anklage abzuändern oder zu ergänzen.

Will eine Partei gegen das Eintreten auf die Anklage Einwendungen erheben, so muss dies vor Beginn der Verhandlung über die Sache geschehen. Das Gericht entscheidet hierüber sofort oder nach Abnahme hierauf bezüglicher Beweise. Werden die erhobenen Einwendungen abgewiesen, so erfolgt die Verhandlung über die Sache. Erweisen sich die Einwendungen als begründet, so stellt das Gericht das Verfahren bis zur Hebung des Mangels ein und entscheidet vorläufig über Kosten und Entschädigungsbegehren.

§ 183. Hat die Verhandlung über die Sache begonnen, so muss sie vorbehaltlich der vom Vorsitzenden verfügten Ruhepausen ohne Unterbrechung zu Ende geführt werden.

Erscheinen zur Abklärung des Tatbestandes weitere Beweiserhebungen erforderlich, so werden sie nach Anordnung des Gerichtes durch einen Untersuchungsbeamten, durch das Gericht selbst oder durch eine Abordnung desselben vorgenommen. Zu diesem Zwecke können auch schon einvernommene Zeugen erneut abgehört werden.

§ 184. FN26 Müssen zur weiteren Verhandlung Richter oder Geschworene einberufen werden, welche der bisherigen Verhandlung nicht beigewohnt haben, so ist sie auf Verlangen des Angeklagten zu wiederholen.

§ 185. Das Gericht ist an die rechtliche Beurteilung des Tatbestandes, welche der Anklage zugrunde liegt, nicht gebunden.
Eine Beurteilung des Angeklagten auf Grund schärferer Strafbestimmungen als der in der Anklage angerufenen darf jedoch nur erfolgen, wenn der Angeklagte vorher darauf hingewiesen worden ist und Gelegenheit erhalten hat, sich dazu auszusprechen.

§ 186. Das Gericht hat die Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens nach sorgfältiger Würdigung des Falles und unter Berücksichtigung der Milderungs- und Schärfungsgründe zu bestimmen.

§ 187. FN21 Spricht das Gericht den Angeklagten wegen Zurechnungsunfähigkeit frei, ordnet es die erforderlichen Massnahmen nach Art. 43 und 44 StGB FN8 in Form eines Beschlusses an.

§ 188. Wird der Angeklagte verurteilt, hat er in der Regel die Kosten des Prozesses, einschliesslich derjenigen für seine amtliche Verteidigung gemäss § 12 Abs. 2 und für die Verbeiständung des Geschädigten gemäss § 10 Abs. 4, zu tragen. Er hat diesen für die ihm aus dem Verfahren erwachsenen Kosten und Umtriebe zu entschädigen. FN21

Das Gericht bestimmt, ob und inwieweit mehrere Verurteilte solidarisch haften.

§ 189. Wird der Angeklagte freigesprochen, so werden ihm die Kosten auferlegt, wenn er die Einleitung der Untersuchung durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verursacht oder ihre Durchführung erschwert hat. Er kann unter diesen Voraussetzungen zu einer Entschädigung an den Geschädigten verurteilt werden.

Unter den gleichen Voraussetzungen können die Kosten und, wo es sich rechtfertigt, eine Entschädigung an den Angeschuldigten dem Verzeiger auferlegt werden.

Bei Freisprechung wegen Unzurechnungsfähigkeit entscheidet der Richter über den Kostenpunkt unter Würdigung aller Umstände.

Im übrigen werden die Kosten bei Freisprechung der Gerichtskasse überbunden.

§ 190. FN23 Bei Ehrverletzungsprozessen werden die Kosten, welche nicht dem Freigesprochenen überbunden werden können, dem unterliegenden Ankläger auferlegt.

§ 190 a. Bei Bemessung, Auflage und Bezug der Kosten ist den Verhältnissen des Betroffenen Rechnung zu tragen.

§ 191. FN21 Unter den in § 43 angeführten Umständen sind einem freigesprochenen Angeklagten eine Entschädigung für die ihm aus dem Verfahren erwachsenen Kosten und Umtriebe sowie eine Genugtuung aus der Staatskasse zuzusprechen. Der Verzeiger kann zum Ersatz dieser Aufwendungen verpflichtet werden.

§ 192. FN23 Geschädigte können Zivilansprüche gegen den Angeklagten entweder selbständig auf dem Weg des Zivilprozesses oder durch schriftliches oder mündliches Begehren an das für den Entscheid über die Anklage zuständige Strafgericht geltend machen.

Bei Straftaten im Sinne von Art. 2 des Opferhilfegesetzes FN10 kommt dieses Recht auch dem Ehegatten des Opfers, dessen Kindern und Eltern sowie anderen Personen zu, die ihm in ähnlicher Weise nahestehen, soweit sie gegenüber dem Angeklagten eigene Zivilansprüche geltend machen.

Das Begehren gilt auch dann als beim Strafgericht eingereicht, wenn es spätestens fünf Tage vor der Hauptverhandlung beim Untersuchungsbeamten gestellt worden ist.

Der Geschädigte wird fakultativ zur Hauptverhandlung vorgeladen, wenn er es verlangt hat (§§ 10 Abs. 2 und 162 Abs. 3).

§ 193. FN23 Das Strafgericht entscheidet auch über die bei ihm geltend gemachten Zivilansprüche der in Art. 2 des Opferhilfegesetzes FN10 genannten Personen, wenn es den Angeklagten nicht freispricht oder das Verfahren gegen ihn durch einen Prozessentscheid erledigt.

Das Gericht kann vorerst nur im Strafpunkt urteilen und die Zivilansprüche später behandeln.

Würde die vollständige Beurteilung der Zivilansprüche einen unverhältnismässigen Aufwand erfordern, so kann das Strafgericht die Ansprüche nur dem Grundsatz nach entscheiden und das Opfer im übrigen an das Zivilgericht verweisen. Ansprüche von geringer Höhe beurteilt es jedoch nach Möglichkeit vollständig.

§ 193 a. FN23 In den übrigen Fällen kann das Gericht das Begehren auf den Zivilweg verweisen, wenn ihm aufgrund der Akten und Vorbringen der Parteien kein sofortiger Entscheid über die Zivilansprüche möglich ist.

§ 194. FN23 Bleibt im Ehrverletzungsprozess der Ankläger an der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung aus, so wird der Rückzug der Klage angenommen.

§ 195. Bleibt ein Angeklagter ohne genügende Entschuldigung aus oder lässt er sich, wenn das persönliche Erscheinen nicht nötig ist oder erlassen wurde, nicht vertreten, so wird das Urteil auf Grund der Akten gefällt.

Im Verfahren vor Geschworenengericht entscheidet der Gerichtshof. Er ist dafür vollständig zu besetzen.

§ 196. Das Gericht kann in diesem Fall den Angeklagten verurteilen oder freisprechen oder auch die Beurteilung der Sache so lange verschieben, bis der Angeklagte sich stellt oder ergriffen wird. Gegen den Beschluss, durch welchen die Verhandlung aufgeschoben wird, ist der Rekurs zulässig.

§ 197. FN24

B. Hauptverfahren vor Geschworenengericht

1. Vorverfahren

a) Verfahren vor der Anklagekammer

§ 198. Die Anklagekammer teilt die Anklageschrift sofort nach Eingang schriftlich dem Angeklagten und seinem Verteidiger mit. Ist noch kein Verteidiger bestellt, so trifft der Präsident der Anklagekammer die nötigen Anordnungen.

Gleichzeitig setzt die Anklagekammer dem Angeklagten und seinem Verteidiger Frist an:
a) zur Erhebung von Einwendungen;
b) zur Erklärung, ob der eingeklagte Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung in der Anklage anerkannt werden oder nicht.

§ 198 a. Bei Zulassung der Anklage beschliesst die Anklagekammer deren Überweisung an das Geschworenengericht oder an das Obergericht nach Massgabe folgender Bestimmungen:

1. Der Angeklagte wird dem Geschworenengericht überwiesen, wenn er den eingeklagten Sachverhalt nicht anerkennt.
2. Der Angeklagte wird dem Obergericht überwiesen,
a) wenn er den eingeklagten Sachverhalt anerkennt und sich schuldig erklärt oder
b) wenn die Bestreitung nur solche Teile der Anklage oder des Deliktbetrages betrifft, die an sich die Zuständigkeit des Geschworenengerichts nicht begründen.
3. Der Angeklagte hat die Wahl zwischen Geschworenengericht oder Obergericht,
a) wenn er lediglich die rechtliche Würdigung des anerkannten eingeklagten Sachverhaltes bestreitet oder
b) wenn er den eingeklagten Straftatbestand zwar anerkennt, jedoch eine Qualifikation dieses Straftatbestandes, die im Rahmen des gleichen Artikels des Schweizerischen Strafgesetzbuches einen besonderen Strafrahmen begründet, bestreitet.
c) oder wenn er die eingeklagten strafbaren Handlungen vor der Vollendung des 25. Altersjahres begangen hat.

Die Wahl des Gerichts gemäss Ziffer 3 ist unwiderruflich. Die einmal begründete Zuständigkeit des Geschworenengerichts ist endgültig.

Erhebt der Angeklagte keine Einwendungen und spricht er sich über Schuldfrage und Wahl des Gerichts nicht aus, so entscheidet die Anklagekammer auf Grund der Untersuchungsakten über die Überweisung an Geschworenengericht oder Obergericht.

§ 199.

§ 200. Auch nach Einreichung der Anklageschrift soll die Staatsanwaltschaft, sofern neue Beweismittel entdeckt werden oder Ereignisse eintreten, welche die Aufnahme neuer Beweise nötig machen, die Untersuchung ergänzen und das Ergebnis der Anklagekammer oder dem Präsidenten des Geschworenengerichts beförderlich mitteilen.

§ 201. Die Beschlüsse der Anklagekammer werden den Parteien schriftlich mitgeteilt.

§ 202.

b) Vorbereitung der Hauptverhandlung

§ 203. Der Präsident des Geschworenengerichtes bestimmt den Tag der Hauptverhandlung für jeden einzelnen Fall und erlässt die Vorladungen an Richter, Parteien, Geschädigte, Zeugen und Sachverständige.

§ 204. Die Hauptverhandlung vor Geschworenengericht soll innerhalb drei Monaten, jedoch ohne Zustimmung des Anklägers und des Angeklagten nicht vor Ablauf von zehn Tagen seit der Zulassung der Anklage stattfinden.

Ausnahmsweise kann die Anklagekammer aus besonderen Gründen auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Verteidigers eine längere Verschiebung bewilligen. In diesem Fall beschliesst die Anklagekammer über die Fortdauer des Verhaftes.

§ 205. Der Ankläger hat die Liste der Zeugen, deren Abhörung er verlangt, dem Präsidenten des Geschworenengerichts so frühzeitig einzureichen, dass sie dem Angeklagten mit der Vorladung zur Hauptverhandlung zugestellt werden kann.

Hierauf hat der Angeklagte seine Beweiseingabe mit der Zeugenliste beförderlich einzureichen. Eine Abschrift wird dem Ankläger zugestellt.

Der Geschädigte kann die Vorladung von Zeugen und Sachverständigen mit Bezug auf den Schadenersatzanspruch beantragen.

§ 206. Der Präsident hält die Parteien an, in Kürze, bei schon einvernommenen Zeugen wenigstens durch Verweisung auf die betreffenden Aktenstücke, die Punkte zu bezeichnen, über welche ihre Zeugen vernommen werden sollen. Ergibt sich, dass diese Punkte unerheblich sind, oder wird die Abhörung von Zeugen verlangt, von denen bekannt ist, dass sie über die Sache nichts wissen, oder missbraucht eine Partei das Recht, Zeugen vorladen zu lassen, wie bei Bezeichnung von Leumundszeugen, so wird die Vorladung verweigert. Zeugen, welche nicht aus eigener Wahrnehmung aussagen, sondern lediglich die Angaben anderer zu bezeugen vermögen, sind nur dann zuzulassen, wenn die unmittelbaren Zeugen nicht zur Stelle sind oder sich des Vorfalls nicht mehr erinnern.

§ 206 a. FN20 Die Bestimmungen über Zeugen gelten sinngemäss für Auskunftspersonen.

§ 206 b. FN21 Der Präsident kann unter Anzeige an die Parteien von Amtes wegen die Abnahme weiterer Beweise anordnen.

§ 207. Spätestens drei Wochen vor dem Zusammentritt des Geschworenengerichts ermittelt der Präsident nach vorheriger Bekanntmachung in öffentlicher Sitzung und im Beisein des Gerichtsschreibers durch das Los aus allen auf der Urliste enthaltenen Namen 28 Geschworene (Sitzungsliste).

Die Ausgelosten werden davon benachrichtigt.

§ 208. Bei der Auslosung bleiben die Geschworenen unberücksichtigt, welche in der laufenden Amtsdauer schon einer Sitzung des Geschworenengerichts beigewohnt haben.

§ 209. Die Namen der Mitglieder des Gerichtshofes, der ausgelosten Geschworenen und des Gerichtsschreibers werden den Parteien bekanntgegeben.

§ 210. Der Ankläger und der Angeklagte sind berechtigt, innert sieben Tagen seit dieser Bekanntgabe je vier Geschworene ohne Angabe von Gründen abzulehnen.

Sind mehrere Personen zusammen angeklagt, so können sie sich über die Ausübung des Ablehnungsrechts verständigen oder es kann jede von ihnen ihr Recht besonders ausüben. In beiden Fällen dürfen nicht mehr als acht Geschworene abgelehnt werden. Nötigenfalls bestimmt das Los die Reihenfolge, in welcher die Angeklagten die Ablehnung vorzubringen haben.

Über Streitigkeiten, die zwischen den Angeklagten über die Ausübung des Ablehnungsrechts entstehen, entscheidet der Präsident des Geschworenengerichts.

§ 211. Ausstandsbegehren nach §§ 112114 des Gerichtsverfas-sungsgesetzes FN2 gegen Mitglieder des Gerichtshofes, Geschworene und den Gerichtsschreiber sind ebenfalls binnen sieben Tagen, von der Bekanntgabe oder von der späteren Kenntnis des Ausstandsgrundes an gerechnet, beim Präsidenten des Geschworenengerichts anzubringen.

Über den Ausstand von Geschworenen entscheidet der Gerichtshof, über den Ausstand von Mitgliedern des Gerichtshofes oder des Gerichtsschreibers das Obergericht.

§ 212.

§ 213. Beträgt die Zahl der nicht abgelehnten und nicht vom Ausstand betroffenen Geschworenen mehr als zwölf, so werden mindestens sechs Tage vor dem Zusammentritt des Geschworenengerichts zwölf von ihnen durch den Präsidenten im Beisein des Gerichtsschreibers ausgelost und unverzüglich zur Sitzung eingeladen (Spruchliste).

§ 214. Reicht die Zahl der Geschworenen zur Bildung einer Spruchliste für alle zur Verhandlung kommenden Prozesse nicht aus, so werden für einzelne Fälle besondere Spruchlisten gebildet.

Steht mehr als eine Sitzungswoche in Aussicht, so können ebenfalls zwei oder mehrere Spruchlisten gebildet werden.

§ 215. Ist ein Geschworener durch Krankheit, Landesabwesenheit oder Militärdienst verhindert, der Einladung Folge zu leisten, so hat er hiervon unverzüglich dem Präsidenten des Geschworenengerichts Anzeige zu machen und den Grund der Verhinderung zu bescheinigen. Von dieser Bestimmung ist den Geschworenen mit der Vorladung Kenntnis zu geben.

2. Hauptverhandlung

a) Besetzung der Geschworenenbank

§ 216. Bei Beginn der Verhandlungen des Geschworenengerichts bezeichnet der Präsident aus den einberufenen Geschworenen durch das Los diejenigen neun, welche bei der Beurteilung der vertagten Fälle mitzuwirken haben.

Musste für einen Fall eine besondere Liste gebildet werden, so findet die Auslosung bei Beginn der betreffenden Hauptverhandlung statt.

Überzählige Geschworene gelten als Ersatzmänner.

§ 217.

§ 218. Steht für einen einzelnen Fall die erforderliche Zahl von Geschworenen nicht mehr zur Verfügung, so lost der Präsident aus den Ersatzmännern und allenfalls aus der Sitzungsliste oder der Urliste die dreifache Zahl der fehlenden Geschworenen aus.

Jede Partei kann einen Drittel der Ausgelosten ohne Anführung von Gründen ablehnen.

Der Präsident setzt den Parteien für die Ablehnung und für allfällige Ausstandsbegehren eine kurze Frist an und ergänzt die Geschworenenbank durch das Los.
§ 219. Die Geschworenen nehmen ihre Plätze in der Reihenfolge ein, in welcher sie ausgelost worden sind.

§ 220. Hierauf schreitet der Präsident des Geschworenengerichts zur Abnahme des Gelübdes.

Das Gelübde lautet:
«Ihr gelobet, mit der grössten Aufmerksamkeit die Anschuldigungen, welche gegen den Angeklagten erhoben werden, zu prüfen, bei Euern Verrichtungen weder durch Eigennutz noch durch Schwäche, weder durch Furcht noch durch Hoffnung, weder durch Zuneigung noch durch Hass Euch leiten zu lassen, weder die öffentlichen Interessen noch diejenigen des Angeklagten preiszugeben, Euern Entscheid einzig auf die Verhandlungen und das Gesetz zu gründen und Euerem Gewissen und Euerer Überzeugung gemäss mit derjenigen Festigkeit und Unbefangenheit zu urteilen, die einem freien und rechtschaffenen Menschen geziemen; über den Gegenstand des Prozesses mit niemandem Rücksprache zu nehmen, bevor Euer Spruch eröffnet sein wird; endlich die Art, wie gestimmt wurde, geheim zu halten.»

Die Geschworenen sprechen die Worte nach: «Ich gelobe es.»

Bei der Abnahme des Gelübdes erheben sich alle Anwesenden.

§ 220 a. Die Geschworenen sind verpflichtet, über die unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Verhandlungen, über die Beratung und über die Abstimmung jederzeit das Geheimnis zu wahren. Der Präsident macht sie darauf aufmerksam, dass die Verletzung dieser Pflicht nach Art. 320 Ziffer 1 StGB FN8 mit Gefängnis oder Busse geahndet wird.

§ 221. Verweigert ein Geschworener das Gelübde, so wird er bestraft, wie wenn er ausgeblieben wäre, und es tritt ein anderer an seine Stelle.

§ 222. Ein Geschworener, der ohne genügende Entschuldigung bei der Sitzung gänzlich ausbleibt oder bei einer einzelnen Verhandlung nicht rechtzeitig sich einfindet oder den Anordnungen des Gerichtspräsidenten nicht nachkommt, wird durch den Gerichtshof in die Kosten verurteilt und mit einer Ordnungsstrafe belegt. Diese kann je nach den Verhältnissen des Falles und den Vermögensumständen des Geschworenen bis auf Fr. 300 ansteigen und beträgt bei gänzlichem Wegbleiben wenigstens Fr. 25.

Als genügende Entschuldigung gelten nur unüberwindbare Hindernisse. Wenn keine oder wenigstens keine ausreichende Entschuldigung für das Ausbleiben oder Zuspäterscheinen vorliegt, so spricht der Gerichtshof sofort die Strafe aus.

§ 223. Gegen diese Ordnungsstrafen kann binnen zehn Tagen, von der Mitteilung an gerechnet, bei der Anklagekammer Einsprache erhoben werden.

§ 224. Der Gerichtshof ist ermächtigt, in dringenden Fällen einen Geschworenen zu entlassen.

b) Verhandlung

§ 225. Bei der Eröffnung der Verhandlung muss das Gericht vollständig besetzt sein.

§ 226. Sind ein Mitglied des Gerichtshofes oder ein oder zwei Geschworene verhindert, der Hauptverhandlung bis zu Ende beizuwohnen, so wird sie gleichwohl zu Ende geführt.

§ 227. Über Vor- und Zwischenfragen entscheidet der Gerichtshof, über die Erhebung weiterer Beweise das Gericht.

§ 228. Will sich der Ankläger oder der Verteidiger über eine Entscheidung des Gerichtshofs oder über eine Handlung des Präsidenten beschweren, so hat er dies kurz, aber genau zu Protokoll zu erklären. Der Gerichtshof spricht sich sofort ebenfalls zu Protokoll darüber aus, ob die Tatsachen, auf welche die Beschwerde sich bezieht, richtig angegeben sind. Der Protokolleintrag ist vor der Beendigung der Hauptverhandlung abzufassen und in Gegenwart der Parteien vorzulesen.

§ 229. Auf Antrag der Parteien oder von Amtes wegen kann der Präsident die Verhandlungen ganz oder teilweise auf das in Frage kommende Lokal verlegen oder die Vornahme eines Augenscheines durch das Gericht anordnen.

§ 230.

§ 231. Der Gerichtsschreiber verliest die Anklageschrift und den Zulassungsbeschluss der Anklagekammer. Jedes Mitglied des Gerichts erhält eine Abschrift der Anklageschrift.

Der Präsident befragt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse und den Gegenstand der Anklage. Dabei kann er ausnahmsweise einzelne Mitangeklagte vorübergehend von den Verhandlungen ausschliessen.

§ 232. Der Ankläger ist berechtigt, vor der Zeugeneinvernahme dem Gericht kurz die Tatsachen zu bezeichnen, auf welche er die Anklage stützt, und vor der Abhörung eines einzelnen oder einer Reihe von Zeugen kurz anzudeuten, auf was sich die Einvernahme beziehen solle.

Der Verteidiger darf mit Bezug auf den Entlastungsbeweis in gleicher Weise verfahren.

§ 233. Der Ankläger verhört die von ihm bezeichneten Zeugen und Sachverständigen in der ihm gutscheinenden Reihenfolge.

Nach der Einvernahme eines jeden steht dem Verteidiger und dem Angeklagten das Recht zu, im Interesse der Verteidigung die erforderlichen Fragen zu stellen.

§ 234. Sodann verhört der Verteidiger die von ihm bezeichneten Zeugen; auch der Angeklagte darf Fragen an sie richten.

Der Ankläger ist berechtigt, Ergänzungsfragen zu stellen.

§ 235. Berufen sich beide Parteien auf die nämliche Person als Zeugen, so ist der Zeuge zunächst von der Partei zu verhören, die ihn zuerst benannt hat.

§ 236. Zeugen, auf deren Abhörung erst während der Hauptverhandlung angetragen wird, werden nur einvernommen, wenn es wahrscheinlich ist, dass ihr Zeugnis für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sein werde.

§ 237. Widersprüche zwischen Zeugen oder Sachverständigen sollen durch Gegenüberstellung möglichst behoben werden. Steht amtlichen Sachverständigen ein nicht amtlicher gegenüber, so soll ersteren Gelegenheit geboten werden, sich über das Gutachten des letzteren auszusprechen.

§ 238. Der Präsident beaufsichtigt die Einvernahme der Zeugen und Angeschuldigten; er untersagt die Stellung von ungebührlichen Fragen und schützt die Befragten vor Beleidigungen.

Parteien und Rechtsbeistände, welche beharrlich gegen die bestehenden Vorschriften verstossen, können angehalten werden, ihre Fragen durch den Präsidenten stellen zu lassen.

§ 239. Der Präsident hat das Recht, Fragen an die Zeugen oder die Angeklagten einzuschieben oder nachzuholen. Den Mitgliedern des Gerichtes sowie dem Geschädigten steht das Recht zu, nach vollendeter Einvernahme eines Zeugen Fragen an ihn zu richten.

§ 239 a. Die von Amtes wegen anzuhörenden Zeugen werden durch den Präsidenten einvernommen. Die Parteien sind berechtigt, Ergänzungsfragen zu stellen.

§ 239 b. FN28 Minderjährige und junge Erwachsene bis zum 20. Altersjahr werden ausschliesslich durch den Präsidenten einvernommen. Den Parteien steht das Recht zu, im Anschluss an die Einvernahme durch den Präsidenten Ergänzungsfragen stellen zu lassen.

§ 240. Die während der Untersuchung erhobenen Protokolle über die Einvernahme des Angeschuldigten, der Zeugen und der Sachverständigen dürfen in der Verhandlung nicht vorgelesen werden.

§ 241. Ist ein Zeuge oder ein Sachverständiger verhindert, vor Gericht zu erscheinen oder wurde er wegen zu grosser Entfernung nicht vorgeladen oder konnte er nicht aufgefunden werden, so wird das in der Untersuchung von ihm abgegebene Zeugnis oder Gutachten verlesen.

Auch ist es erlaubt, Angaben, welche der Angeklagte, ein Zeuge oder ein Sachverständiger in der Untersuchung gemacht hat, dem Betreffenden vorzuhalten und ihn zu einer Erklärung darüber zu veranlassen.

§ 242. Bei Beantwortung der an sie gerichteten Fragen dürfen sich die Zeugen in der Regel keiner schriftlichen Aufzeichnungen bedienen. Sofern sie aber ihre Angaben über Beträge, den Zeitpunkt ihrer Beobachtungen auf Bucheinträge und andere Aufzeichnungen stützen, sollen sie solche vorlegen.

Sachverständigen kann bei ihrer Einvernahme die Benutzung schriftlicher Aufzeichnungen gestattet werden.

§ 243. Vor Beendigung der Verhandlung darf ohne Zustimmung des Gerichtshofes und der Parteien kein Zeuge oder Sachverständiger entlassen werden.

§ 244. Gegenstände, welche zu den Akten gebracht worden sind und die auf die eingeklagte strafbare Handlung hinweisen, sind während der Verhandlung vorzulegen. Beweisurkunden sind zu verlesen oder allenfalls zu erläutern.

§ 245. Wird bei der Hauptverhandlung wahrscheinlich, dass der Angeklagte eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, die nicht eingeklagt wurde, so kann der Staatsanwalt bis zum Schluss der Parteiverhandlung eine Anklageschrift einreichen, über deren Zulassung der Gerichtshof entscheidet. Die Zulassung darf nur erfolgen, sofern dies ohne Beeinträchtigung der Rechte der Verteidigung geschehen kann und sofern dadurch das Verfahren nicht in unzulässiger Weise gestört wird.

§ 246. Nach jeder Zeugeneinvernahme kann und am Schluss der Beweisverhandlung soll dem Angeklagten Gelegenheit gegeben werden, sich über das gegen ihn Vorgebrachte auszusprechen.

§ 246 a. FN20 Die Bestimmungen über die Einvernahme von Zeugen gelten sinngemäss für die Befragung von Auskunftspersonen.

§ 247. Nach der Beweisverhandlung begründet der Ankläger die Anklage und stellt seine Anträge zur Straffrage und zu den Nebenpunkten.

Mit Bewilligung des Gerichtshofes kann er seine Anklage berichtigen. Gegenstand der berichtigten Anklage können jedoch nur ursprünglich eingeklagte Handlungen und Unterlassungen bilden.

Der Ankläger darf sich eines Antrages zur Schuldfrage enthalten oder Freispruch beantragen.

§ 248. Dem Geschädigten steht hinsichtlich des Schadenersatzes das Wort zu.

Der Staatsanwalt kann die Wahrung der Interessen des Geschädigten auf dessen Antrag übernehmen.

§ 249. Alsdann erhält der Verteidiger das Wort. Der Ankläger und der Geschädigte können erwidern. Dem Verteidiger steht der letzte Vortrag zu.

Der Angeklagte hat das letzte Wort.

§ 250. Wenn die Verhältnisse es rechtfertigen, kann der Gerichtshof anordnen, dass nach Durchführung des Beweisverfahrens zuerst nur über die Schuldfrage verhandelt und beraten wird.

In diesem Fall wird der Entscheid des Gerichts über die Schuldfrage sofort eröffnet. Er kann jedoch erst nach Erlass des Urteils weitergezogen werden.

Anschliessend wird über die Straffrage und die Nebenpunkte verhandelt und beraten. Die Fortsetzung der Hauptverhandlung ist nicht an die Frist von § 184 gebunden.

§§ 251-259.

c) Beratung und Urteil

§ 260. Nach Beendigung der Verhandlung ziehen sich die Mitglieder des Gerichts, die daran teilgenommen haben, mit dem Gerichtsschreiber zur geheimen Beratung und Urteilsfällung zurück.

§ 261. Der Präsident leitet Beratung und Abstimmung. Er erläutert dem Gericht die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen.

§ 262. Bei Beratung und Abstimmung sind namentlich folgende Fragen getrennt zu behandeln:

1. Welche Handlungen und Unterlassungen fallen dem Angeklagten zur Last?
2. Unter welche Straftatbestände fallen diese Handlungen und Unterlassungen?
3. Bestehen Straf- und Schuldausschliessungsgründe?
4. Sind Gründe für eine Strafmilderung oder Strafschärfung gegeben?
5. Welche Strafe ist angemessen? Sind Massnahmen anzuordnen? Sind Nebenstrafen auszufällen?
6. Wie ist die Schadenersatzklage zu beurteilen?
7. Wie sind die Kosten festzusetzen und aufzuerlegen, und welche Verfahrensentschädigungen sind auszurichten?

§ 263. In der Beratung haben die Geschworenen das Recht, sich vor den Mitgliedern des Gerichtshofes zu äussern.

Die Mitglieder des Gerichtshofes beantworten die von den Geschworenen gestellten Fragen.

§ 264. Die in der Verhandlung vorgelegten Gegenstände und die dort verlesenen Schriftstücke stehen den Mitgliedern des Gerichts während der Beratung zur Verfügung. Im übrigen dürfen die Mitglieder des Gerichts in der Beratung nur ihre eigenen Aufzeichnungen benützen.

§ 265. Die Abstimmung erfolgt offen. Zuerst geben die Geschworenen in der Reihenfolge ihrer Auslosung, nachher die Mitglieder des Gerichtshofes, zuletzt der Präsident die Stimme ab.

§ 266. Für die Bejahung der Schuldfrage ist eine Mehrheit von mindestens acht Stimmen erforderlich. In allen übrigen Fragen entscheidet die einfache Mehrheit der Stimmenden.

Bei gleichgeteilten Stimmen, oder wenn das vorgeschriebene Mehr nicht erreicht wird, macht diejenige Ansicht Recht, welche für den Angeklagten günstiger ist.

§§ 267-275.

C. Hauptverfahren vor Obergericht

§ 276. Das Obergericht fällt nach vorheriger mündlicher Parteiverhandlung das Urteil.

§ 277. Die Anklage ist durch den Staatsanwalt vor Gericht mündlich zu vertreten.

Im übrigen finden auf das Verfahren die §§ 280285 sinngemäss Anwendung.

§ 278. Erscheint dem Obergericht der Tatbestand nicht ausreichend abgeklärt, so kann es die Untersuchung selbst ergänzen oder damit die Staatsanwaltschaft beauftragen. Nach Vervollständigung der Untersuchung wird in Fällen geschworenengerichtlicher Zuständigkeit der Angeklagte nochmals zur Erklärung veranlasst, ob er sich auf das Geschworenengericht berufen wolle.

D. Hauptverfahren vor Bezirksgericht

§ 279. Die Anklageschrift ist dem Bezirksgericht einzureichen. Der Vorsitzende verfügt über die Zulassung und trifft alle zur Vorbereitung der Hauptverhandlung nötigen Anordnungen.

§ 280. Wollen die Parteien die Vorladung einzelner Zeugen oder Sachverständiger vor das Gericht beantragen, so haben sie das Gesuch bei Vermeidung von Kostenfolge so rasch wie möglich und unter Angabe der Gründe schriftlich einzureichen. Es dürfen auch schon einvernommene Zeugen angerufen werden.

Auf Beweisanträge eines Geschädigten, der nicht Ankläger im Ehrverletzungsprozess ist, wird nur eingetreten, wenn sie sich auf den Zivilpunkt beziehen und die Kosten binnen einer ihm anzusetzenden Frist vertröstet werden. FN23

§ 281. Hat der Angeklagte den eingeklagten Sachverhalt nicht eingestanden oder sich nicht schuldig erklärt und ist eine Freiheitsstrafe von mehr als 18 Monaten oder eine Massnahme gemäss Art. 42 bis 44 oder 100bis StGB FN8 beantragt, so ist die Anklage durch den Bezirksanwalt vor Gericht mündlich zu vertreten.

Das Gericht kann den Bezirksanwalt auch in andern wichtigen Fällen, namentlich wenn in der Hauptverhandlung Zeugen einzuvernehmen sind, zum persönlichen Erscheinen verpflichten. Ist der Bezirksanwalt am persönlichen Erscheinen verhindert, so hat er dies unter Anführung der Gründe dem Gericht anzuzeigen; die Hauptverhandlung soll aber in der Regel gleichwohl vor sich gehen.

Erscheint der Bezirksanwalt nicht persönlich, so ist er befugt, dem Gericht schriftliche Anträge einzureichen.

§ 282. In der Hauptverhandlung wird zunächst die Anklageschrift verlesen. Sodann werden die vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen sowie der Angeklagte durch den Gerichtspräsidenten einvernommen. Die Parteien sind berechtigt, durch den Präsidenten Ergänzungsfragen zu stellen.

§ 283. Hierauf begründet der Bezirksanwalt, sofern er anwesend ist, oder im Ehrverletzungsprozess der Ankläger die Anklage. FN23

Ist der Bezirksanwalt nicht anwesend, so darf der Geschädigte auch zur Begründung der Anklage das Nötige vortragen.

Dem Geschädigten wird mit Bezug auf den Schadenersatzanspruch das Wort erteilt.

Zum Schluss verteidigt sich der Angeklagte.

Ist es zur Abklärung des Sachverhaltes erforderlich, so gestattet der Gerichtspräsident noch weitere Vorträge.

Die Parteien können auf Vorträge verzichten und die Würdigung der Akten dem Richter überlassen.

§ 284. Der Richter fällt das Urteil nach seiner freien, aus der Hauptverhandlung und den Untersuchungsakten geschöpften Überzeugung.

§ 285. Zeigt sich bei der gerichtlichen Verhandlung, dass die Akten noch nicht spruchreif sind, so wird für die Abnahme der weiteren Beweise ein zweiter Rechtstag angesetzt oder es wird die Ergänzung der Untersuchung einem Mitglied des Gerichts oder dem Untersuchungsbeamten übertragen.

§ 285 a. FN20 Die Bestimmungen dieses Abschnittes über Zeugen gelten sinngemäss für Auskunftspersonen.

E. FN20 Verfahren gegenüber zurechnungsunfähigen Angeschuldigten

§ 285 b. FN20 Gelangt die Untersuchungsbehörde zur Ansicht, dass der Angeschuldigte eine Straftat im Zustand einer nicht selbst verschuldeten Zurechnungsunfähigkeit begangen hat, und hält sie eine Massnahme nach Art. 43 oder 44 StGB FN8 für erforderlich, überweist sie die Akten dem Bezirksgericht.

Den Akten wird ein Bericht beigelegt, der die Bezeichnung des Angeschuldigten, die Umschreibung der von ihm begangenen Tat und den Antrag auf Anordnung einer bestimmten Massnahme enthält.

§ 285 c. FN20 Für das gerichtliche Verfahren gelten sinngemäss die Bestimmungen über das Verfahren vor Bezirksgericht gemäss § 161 ff. und § 279 ff.

Das Gericht kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeschuldigten durchführen, wenn seine Teilnahme wegen seines Zustandes unmöglich oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unangebracht ist.

§ 285 d. FN20 Das Gericht entscheidet in Form eines Beschlusses über die Anordnung einer Massnahme.

Gelangt es zur Auffassung, dass der Angeschuldigte für die ihm zur Last gelegte Straftat zurechnungsfähig war oder seine Zurechnungsunfähigkeit selber verschuldet hatte, leitet es die Akten an die Untersuchungsbehörde zurück, um ihr Gelegenheit zur Erhebung einer Anklage oder zum Erlass eines Strafbefehls zu geben.

§ 285 e. FN23 Bei Anordnung einer Massnahme entscheidet das Gericht über die bei ihm geltend gemachten Zivilansprüche der in Art. 2 des Opferhilfegesetzes FN10 genannten Personen. §§ 193 Abs. 3 und 194 a sind anwendbar.

IV. Abschnitt: Verfahren bei Ehrverletzungen

A. Gemeinsame Bestimmungen

§ 286. Die Bestimmungen des I., II. und III. Abschnittes finden auch auf die Anklagen wegen Ehrverletzung Anwendung, soweit nicht die folgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.

§ 287. Ehrverletzungsklagen sind vom Antragsberechtigten auf dem Weg der Privatstrafklage zu betreiben.

§ 288. Ist gegen den Täter eine Anklage wegen eines andern Vergehens erhoben und zugelassen worden und findet der Richter, dass der eingeklagte Tatbestand lediglich als Ehrverletzung strafbar sei, so soll die Beurteilung im gleichen Verfahren erfolgen, sofern der Geschädigte die Strafanzeige erstattet hat oder in der Hauptverhandlung einen Strafantrag stellt.

§ 289. Der Angeklagte darf nicht der Verleumdung schuldig erklärt werden, wenn die Anklage nur auf üble Nachrede oder Beschimpfung gerichtet ist.

§ 290. Der Rückzug der Anklage ist bis zur rechtskräftigen Erledigung zulässig.

Eine zurückgezogene Anklage darf nicht wieder aufgenommen werden.

§ 291. Die Kosten des Beweisverfahrens in der Untersuchung und in der Hauptverhandlung sind von der beweisführenden Partei zu vertrösten.

Bestehen erhebliche Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit eines Angeklagten, so kann die psychiatrische Begutachtung von Amtes wegen auch ohne Kostenvertröstung angeordnet werden.

§ 292.

§ 293. Die unterliegende Partei wird in die Kosten des Verfahrens und zu einer Prozessentschädigung an die Gegenpartei verfällt; von dieser Regel darf nur abgewichen werden, wenn besondere Verhältnisse es rechtfertigen.

B. Ehrverletzungen durch die Presse

§ 294. FN21 Anklagen wegen Ehrverletzung durch die Presse werden durch das Bezirksgericht beurteilt.

§ 295. Die Anklage wird beim Bezirksgerichtspräsidenten durch Einreichung einer Anklageschrift anhängig gemacht.

Der Anklageschrift ist die bezügliche Druckschrift beizulegen. Die eingeklagten Stellen sind genau zu bezeichnen.

§ 296. Der Bezirksgerichtspräsident entscheidet vorläufig über die Zulassung der Anklage und ordnet die Untersuchung an.

Gegen die vorläufige Zulassung ist der Rekurs nicht gegeben.

§ 297. FN23 Die Kosten der Untersuchung sind, soweit es sich um die Ermittlung des Täters handelt, vom Ankläger, soweit es sich um weitere Erhebungen für den Belastungs- oder Entlastungsbeweis handelt, vom Beweisführer zu vertrösten.

§ 298. Ist in der vorläufigen Anklage keine bestimmte Person als verantwortlicher Verfasser genannt, so hat sich die Untersuchung in erster Linie mit der Ermittlung dieser Person zu befassen. Bei nichtperiodischen Druckschriften ist zunächst der Verleger und, wenn ein solcher fehlt, der Drucker, bei periodischen Druckschriften der als verantwortlich zeichnende Redaktor als Zeuge einzuvernehmen.

§ 299. Der verantwortlich zeichnende Redaktor einer periodischen Druckschrift kann das Zeugnis über die Urheberschaft verweigern mit der Erklärung, dass er selbst die Verantwortung übernehme; er ist aber darauf aufmerksam zu machen, dass, wenn er erst später den Verfasser nennt, er die bis dahin ergangenen Kosten zu übernehmen hätte.

Liegt eine solche Erklärung vor, so darf weder gegen den verantwortlichen Redaktor noch gegen den Drucker und sein Personal, noch gegen den Herausgeber oder Verleger der periodischen Druckschrift ein Zwang zur Nennung des Verfassers ausgeübt werden.

§ 300. Kann bei nichtperiodischen Druckschriften der Verfasser nicht ermittelt werden oder hat die Veröffentlichung ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen stattgefunden, so steht dem Verleger und, wenn ein solcher fehlt, dem Drucker das Recht zu, das Zeugnis über die vorgehend verantwortliche Person zu verweigern mit der Erklärung, die Verantwortung selbst zu übernehmen. Diese Personen sind aber darauf aufmerksam zu machen, dass sie, wenn sie erst später den Verfasser nennen, die bis dahin ergangenen Kosten zu tragen haben.

§ 301. Die Untersuchung ist sodann gegenüber dem Täter oder den sonst verantwortlichen Personen durchzuführen.

§ 302. Die Parteien sind bei Vermeidung von Ordnungsstrafe verpflichtet, ihre sämtlichen Angriffs- und Verteidigungsmittel schon im Untersuchungsverfahren vorzulegen oder zu bezeichnen.

§ 303. Nach durchgeführter Untersuchung wird dem Ankläger von dem Untersuchungsrichter Frist angesetzt, um endgültige Anklage gegen eine bestimmte Person einzureichen, unter der Androhung, dass sonst Abstand angenommen würde.

Auf begründetes Begehren kann eine Vervollständigung der Untersuchung bewilligt werden.

§ 304. FN19

§ 305. FN21 Der Bezirksgerichtspräsident entscheidet über die Zulassung der Anklage und teilt sie dem Angeklagten mit.

§ 306. FN19

§ 307. FN21 Der Angeklagte hat nur dann persönlich vor Gericht zu erscheinen, wenn dies vom Ankläger unter Angabe genügender Gründe ausdrücklich verlangt oder durch den Gerichtspräsidenten von Amtes wegen verfügt wird.

§ 308. Hat der verantwortliche Redaktor, der Verleger oder der Drucker einer Druckschrift die Verantwortung gegenüber dem Ankläger übernommen, so gibt die erst nach rechtskräftiger Verurteilung erfolgende Nennung oder sonstiges Bekanntwerden des Verfassers oder Verlegers dem Verurteilten kein Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

§ 308 a. Für die Prozesskosten und die Prozessentschädigungen, welche von dem Verurteilten nicht erhältlich sind, haften die ihm nachgehenden Personen subsidiär nach Massgabe des Art. 27 StGB FN8. Dem Zahlenden steht der Rückgriff auf den ihm vorgehenden Haftpflichtigen zu.

C. Andere Ehrverletzungen

§ 309. Alle andern Anklagen wegen Ehrverletzung werden beim zuständigen Friedensrichter durch Einreichung einer Anklageschrift anhängig gemacht. Die Anklageschrift muss die kurze Darstellung des eingeklagten Sachverhaltes sowie die Bezeichnung der Zeugen und Urkunden enthalten.

Der Friedensrichter trachtet darnach, die Parteien auszusöhnen.

§ 310. Wird der Streit nicht beigelegt, so kann der Ankläger mündlich oder schriftlich die Weisung verlangen.

. . . FN19
§ 311. Die Weisung soll enthalten:

1. die Bezeichnung der Gerichtsstelle, an welche die Weisung gerichtet wird;
2. die genaue Bezeichnung der Parteien und ihrer Vertreter;
3. die kurze Bezeichnung des eingeklagten Sachverhaltes und die Angabe, ob wegen Verleumdung, übler Nachrede oder Beschimpfung geklagt wird;
4. das Verzeichnis der eingelegten Akten;
5. den Tag der Anbringung der Anklage;
6. die Angabe, dass die Sache auf gütlichem Wege nicht habe erledigt werden können;
7. die Unterschrift des Friedensrichters und den Tag der Versendung.

§ 312. Die Weisung und die Anklageschrift werden dem Ankläger zugestellt, der sie dem Gericht einzureichen hat.

. . . FN19
§ 313. Der Bezirksgerichtspräsident verfügt auf Grundlage der Weisung und der Anklageschrift über die Zulassung der Anklage.

§ 314. Der Bezirksgerichtspräsident oder der von ihm ernannte Untersuchungsrichter schreitet hierauf zur Einvernahme der Parteien.

Je nach dem Ergebnis dieser Einvernahme wird die Untersuchung durchgeführt oder sofort ein Strafbefehl erlassen oder der Fall zur Hauptverhandlung vertagt. Ein Strafbefehl kann auch nach durchgeführter Untersuchung erlassen werden.

Dem Ankläger ist Gelegenheit zu geben, die Anklageschrift nach Durchführung der Untersuchung zu berichtigen.

§ 315. Die Akten stehen den Parteien von der Zulassung der Anklage an zur Ansicht offen, soweit dies ohne Störung des Verfahrens möglich ist.

§ 316. Der Angeklagte ist nur dann zu persönlichem Erscheinen bei der Hauptverhandlung verpflichtet, wenn der Ankläger dies unter Angabe genügender Gründe ausdrücklich verlangt oder der Gerichtspräsident es von Amtes wegen verfügt.

V. Abschnitt: Der Strafbefehl

§ 317. FN26 Hat der Angeschuldigte den Sachverhalt eingestanden, erlässt der Bezirksanwalt anstelle der Anklage einen Strafbefehl, wenn er eine Busse oder eine Freiheitsstrafe von höchstens drei Monaten, allenfalls verbunden mit einer Busse oder einer in Art. 104 Abs. 2 StGB nicht genannten Nebenstrafe, für ausreichend hält.

Kommt die Verweigerung oder ein Widerruf des bedingten Strafvollzuges in Frage, hat der Bezirksanwalt den Angeschuldigten vorgängig zur Sache und zu den Rechtsfolgen einzuvernehmen.

Zivilansprüche von Geschädigten gegenüber dem Angeschuldigten können unabhängig von der Art der zu beurteilenden Straftat auf den Zivilweg verwiesen werden, wenn aufgrund der Akten und Vorbringen der Parteien kein sofortiger Entscheid über die Ansprüche möglich ist.

§ 318. FN23 Im Strafbefehl werden aufgeführt:

1. das dem Angeschuldigten zur Last gelegte Verhalten und die dadurch erfüllten Straftatbestände;
2. die Beweismittel;
3. die festgesetzte Strafe und der kurz begründete Entscheid über die Gewährung des bedingten Strafvollzuges, bei ausschliesslicher Ausfällung einer Busse der Entscheid über die Gewährung der bedingten Löschbarkeit des Strafregistereintrages;
4. der Entscheid über die Kosten, die Prozessentschädigung sowie die Zivilansprüche, sofern der Geschädigte nicht auf den Zivilweg verwiesen wird;
5. die Anordnung von Freigabe, Einziehung oder Verfall beschlagnahmter Gegenstände und Vermögenswerte.

§ 319. FN24

§ 320. Der Strafbefehl wird dem Bestraften, der Staatsanwaltschaft und dem Geschädigten schriftlich mitgeteilt.

§ 321. Binnen zehn Tagen nach der schriftlichen Mitteilung können der Bestrafte, die Staatsanwaltschaft und der Geschädigte gegen den Strafbefehl bei der Bezirksanwaltschaft schriftlich Einsprache erheben. Mit ihr sollen die Abänderungsanträge verbunden werden. Richtet sich die Einsprache nur gegen die Bestimmung über Kosten, Entschädigung und Schadenersatz, so muss sie schriftlich begründet werden.

§ 322. FN26 Der Bezirksanwalt nimmt die zur Beurteilung der Einsprache notwendigen Beweise ab.

Hält er an seinem Strafbefehl fest, überweist er die Einsprache und die Akten dem Einzelrichter zur Beurteilung. Der Strafbefehl ersetzt die Anklage.

Der Bezirksanwalt kann statt dessen Anklage erheben, erneut einen Strafbefehl erlassen oder das Verfahren einstellen.

§ 323. Nach Eingang der Akten ordnet der Einzelrichter die Hauptverhandlung an.

Bezieht sich die Einsprache nur auf die Kosten, die Prozessentschädigung oder die Schadenersatzforderung, so kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

§ 323 a. Der Einzelrichter entscheidet endgültig, wenn sich die Einsprache nur auf die Kosten und Entschädigungen bezieht.

§ 324. Die Einsprache kann bis zum Beginn der Hauptverhandlung zurückgezogen werden.

§ 325. Der Strafbefehl erlangt die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils, soweit nicht rechtzeitig Einsprache erhoben worden ist oder wenn die Einsprache zurückgezogen wurde.

Diese Bestimmung wird in den Strafbefehl aufgenommen.

§ 326. In Ehrverletzungssachen erlässt der Gerichtspräsident oder der Untersuchungsrichter unter den Voraussetzungen von § 317 den Strafbefehl.

Der Richter, der den Strafbefehl erlassen hat, kann von den Parteien für die gerichtliche Verhandlung abgelehnt werden. Die Einsprache steht dem Bestraften und dem Privatstrafkläger zu.

VI. Abschnitt: Verfahren bei Übertretungen

A. Allgemeine Bestimmungen

§ 327.

§ 328. FN26 Die Verwaltungsbehörden können zum Vollzug der in ihre Zuständigkeit fallenden Gesetze und Verordnungen, wenn diese keine Strafandrohungen enthalten, im einzelnen Bussen androhen, und zwar die kantonalen sowie die Bezirks- und Kreisbehörden bis Fr. 1000, die Gemeindebehörden bis Fr. 500. Solche Strafandrohungen verlieren ihre Wirkung nach zwei Jahren, wenn eine Zuwiderhandlung nicht erfolgte, sonst zwei Jahre nach Vollstreckung der letzten Busse.

Zur Ausfällung der Bussen sind die in den §§ 333 und 334 genannten Stellen zuständig.

Strafandrohungen im Sinne des ersten Absatzes dürfen nicht erlassen werden zur Vollstreckung von Ansprüchen, die auf dem Wege der Schuldbetreibung oder sonst auf dem Exekutionswege durchzuführen sind.

§§ 328 a und 328 b.

§ 328 c. Wird wegen einer Übertretung im Sinne des § 328 oder wegen einer andern nur mit Busse bedrohten Übertretung eine Busse ausgesprochen, so kann die Behörde für den Wiederholungsfall die Überweisung an den Strafrichter zur Bestrafung wegen Ungehorsams (Art. 292 StGB) FN8 androhen.

§ 328 d.

§§ 329331.

B. Bestimmungen über die Zuständigkeit

§ 332.

§ 333. FN26 Der Gemeinderat behandelt Übertretungen, für die er eine Busse von höchstens Fr. 500 als ausreichend erachtet.

§ 334. Das Statthalteramt untersucht und beurteilt die Übertretungen, für die es nach Gesetz oder Verordnung ausschliesslich zuständig ist, ferner die direkt bei ihm anhängig gemachten Übertretungen, in denen durch Gesetz oder Verordnung eine die Kompetenz des Gemeinderates übersteigende Mindestbusse angedroht ist, und die ihm von einem Gemeinderat überwiesenen Fälle. Eine Rückweisung findet nicht statt.

§ 335. Hält das Statthalteramt eine Haftstrafe für angemessen oder kommt die Verhängung einer Massnahme oder Nebenstrafe gemäss Art. 104 Abs. 2 StGB FN8 in Frage, so überweist es die Akten der Bezirksanwaltschaft zur Durchführung der Untersuchung und zur Erledigung durch Anklageerhebung, Erlass eines Strafbefehls oder Einstellung der Untersuchung. Eine Rückweisung findet nicht statt.

§ 335 a. Die besonderen Bestimmungen einzelner Gesetze, wodurch die Befugnis, Übertretungen zu behandeln, anderen Behörden übertragen ist, und die Befugnisse des Regierungsrates gemäss § 74 GVG FN2 bleiben vorbehalten.

C. Verfahren der Polizeiorgane FN21

§ 336. FN21 Die Polizei führt die erforderlichen Ermittlungen durch und hält dem Beschuldigten den ihm zur Last gelegten Sachverhalt zur Stellungnahme vor.
§ 337. FN21 Die Polizei kann den von ihr bei einer Übertretung Betroffenen dazu verpflichten, eine Sicherheit in der voraussichtlichen Höhe von Busse und Kosten zu leisten, wenn er sich nicht über seine Identität auszuweisen vermag oder in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat. Leistet der Betroffene den Betrag nicht, kann ihm die Polizei als Sicherheit soweit wie nötig Vermögensgegenstände abnehmen.

Weist sich der Betroffene nicht über seine Identität aus, leistet er keine Sicherheit oder steht er trotz Aufforderung von einer Übertretung nicht ab, so kann ihn die Polizei festnehmen. Im übrigen ist die Festnahme wegen einer Übertretung ausgeschlossen.

Die Festnahme ist nach spätestens sechs Stunden dem vorgesetzten Polizeioffizier zu melden, der sie genehmigt oder den Festgenommenen entlässt. Sofern der Festgenommene nicht einer anderen Behörde zuzuführen ist, muss er spätestens nach 24 Stunden entlassen werden.

§ 338. FN21 Die Polizei kann Gegenstände zum Zwecke des Beweises oder der Einziehung im Sinne von § 96 Abs. 2 sicherstellen. Sie kann ferner eine Hausdurchsuchung und eine körperliche Durchsuchung des Angeschuldigten vornehmen, wenn eine solche Massnahme dringend erforderlich ist und durch die Bedeutung der Übertretung gerechtfertigt wird.

Weitere Zwangsmassnahmen sind ausgeschlossen.

§ 339. FN21 Die Polizei erstattet der zuständigen Verwaltungsbehörde über ihre Ermittlungen einen Bericht, der auch die Stellungnahme des Beschuldigten zu der ihm vorgehaltenen Übertretung enthält.

Die Polizei übergibt die von ihr sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte der Verwaltungsbehörde; diese entscheidet über die Beschlagnahme.

D. Verfahren der Verwaltungsbehörden

§ 340. FN21 Erscheint aufgrund der polizeilichen Ermittlungen der Tatbestand einer Übertretung als erfüllt, erlässt die Verwaltungsbehörde eine Bussenverfügung.

In den übrigen Fällen stellt die Verwaltungsbehörde das Verfahren mit einer kurzen Begründung ein oder führt zunächst eine Untersuchung im Sinne von § 343 durch.

Die Bussen- oder Einstellungsverfügung wird in ein besonderes Protokoll eingetragen und dem Verzeigten sowie dem Geschädigten mitgeteilt. Auf die Einstellungsverfügung finden § 42 über die Kostentragung und § 43 über die Entschädigung des Beschuldigten sowie § 106 Abs. 2 über beschlagnahmte Gegenstände und Vermögenswerte Anwendung.

Gegen die Einstellung des Verfahrens ist der Rekurs, gegen die in der Verfügung getroffene Kosten- und Entschädigungsregelung das Begehren um gerichtliche Beurteilung an den Einzelrichter gegeben. FN23

§ 341. FN20 Die Bussenverfügung enthält:

1. die Bezeichnung des Gebüssten und des Geschädigten;
2. die Umschreibung des dem Gebüssten zur Last gelegten Verhaltens und dessen rechtliche Würdigung;
3. den Betrag der Busse und den Entscheid über die bedingte Löschbarkeit des Strafregistereintrags;
4. den Entscheid über Verwendung, Einziehung oder Freigabe beschlagnahmter Gegenstände oder Vermögenswerte;
5. die Bezeichnung der angewendeten Gesetzesbestimmungen;
6. den Entscheid über die Kosten- und Entschädigungsfolgen;
7. den Hinweis auf § 342.

§ 342. FN21 Der Gebüsste und der Geschädigte können innert zehn Tagen seit der Mitteilung der Bussenverfügung bei der Verwaltungsbehörde schriftlich das Begehren um gerichtliche Beurteilung stellen. Wird kein Begehren gestellt, erwächst die Bussenverfügung in Rechtskraft. Vorbehalten bleibt § 350 Abs. 2.

Bezieht sich das Begehren nur auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen, ist es zu begründen.

§ 343. FN21 Die Verwaltungsbehörde nimmt die zur Beurteilung des Begehrens notwendigen Beweise ab. Sie kann Zwangsmassnahmen im Sinne von § 338 anordnen.

Aufgrund des Untersuchungsergebnisses kann die Verwaltungsbehörde an der Bussenverfügung festhalten, sie durch eine andere ersetzen oder das Verfahren einstellen.

Hält der Gebüsste oder der Geschädigte an seinem Begehren fest, überweist die Verwaltungsbehörde die Akten dem Einzelrichter.


E. Verfahren der Gerichte

§ 344. FN26 Der Einzelrichter ordnet die Hauptverhandlung an. Er kann zuvor die Akten zur Ergänzung an die Verwaltungsbehörde zurückweisen.

Gegenstand der Verhandlung bildet der Sachverhalt, wie er sich aus der Bussenverfügung und den Akten ergibt.

Der Gebüsste ist zum persönlichen Erscheinen verpflichtet. Bleibt er ohne genügende Entschuldigung der Hauptverhandlung fern, wird Rückzug des Begehrens um gerichtliche Beurteilung angenommen.

Die Verwaltungsbehörde ist nicht verpflichtet, sich vertreten zu lassen.

§ 345. FN21 Bezieht sich das Begehren um gerichtliche Beurteilung nur auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen, wird ohne mündliche Verhandlung entschieden.

§ 346. FN21 Das Begehren um gerichtliche Beurteilung kann bis zur Eröffnung des Entscheides zurückgezogen werden.

§ 347. FN21 Im übrigen gelten für das gerichtliche Verfahren sinngemäss die Bestimmungen von §§ 161 ff. und 279 ff. über das Verfahren vor Bezirksgericht.

Der Einzelrichter ist nicht an das in der Bussenverfügung festgesetzte Strafmass gebunden.

§ 348. FN21 Der Entscheid wird dem Gebüssten, dem Geschädigten und der Verwaltungsbehörde schriftlich mitgeteilt.

Bezieht sich das Begehren um gerichtliche Beurteilung nur auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen, entscheidet der Einzelrichter endgültig.

§ 349. FN21 Übertretungen, die sich im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens ergeben, sind vom betreffenden Gericht zu untersuchen und zu beurteilen, wenn die Sache nicht bereits von der Verwaltungsbehörde an Hand genommen worden ist.

F. Weitere Bestimmungen FN21

§ 350. FN21 Der Regierungsrat kann anordnen, dass bestimmte Bussen- und Einstellungsverfügungen den von ihm bezeichneten Direktionen oder dem Statthalteramt mitzuteilen sind.

Diese Behörden können Bussenverfügungen, deren gerichtliche Beurteilung nicht verlangt worden ist, sowie Einstellungsverfügungen innert drei Monaten seit Erlass wegen Verletzung klaren Rechts aufheben.

§ 351. FN21 Hebt das Statthalteramt eine Einstellungs- oder Bussenverfügung auf, trifft es einen neuen Entscheid.

Hebt die zuständige Direktion des Regierungsrates eine Einstellungs- oder Bussenverfügung auf, trifft sie einen neuen Entscheid oder weist die Sache zur nochmaligen Beurteilung an die untere Behörde zurück.

Der Entscheid wird dem Verzeigten, dem Geschädigten und der unteren Behörde schriftlich mitgeteilt.
Gegen eine neue Bussenverfügung gemäss Abs. 1 oder 2 ist wiederum das Begehren um gerichtliche Beurteilung zulässig.

§ 352. FN21 Bussen, deren Ausfällung in der Kompetenz der Behörden von Gemeinden liegt, stehen diesen zu. Die andern Bussen fallen in die Staatskasse.

G. FN21 Verfahren bei Ordnungsbussen

1. FN21 Bundesrechtliche Ordnungsbussen im Strassenverkehr

§ 353. FN21 Der Regierungsrat übt die Befugnisse aus, die in der Bundesgesetzgebung über Ordnungsbussen im Strassenverkehr den Kantonen zugewiesen sind.

Er legt die Anforderungen fest, denen die Gemeinden und ihre Polizeikorps zu genügen haben, um neben der Kantonspolizei zur Erhebung von Ordnungsbussen im Strassenverkehr durch ihre Polizeibeamten berechtigt zu sein. Er bezeichnet die Gemeinden, welche diese Voraussetzungen erfüllen.

Die für das Polizeiwesen zuständige Direktion FN29 bezeichnet die Organe der Kantonspolizei, welche zur Erhebung von Ordnungsbussen befugt sind. Die Gemeinderäte der dazu berechtigten Gemeinden bezeichnen die Organe ihrer Polizeikorps, welche daneben zur Erhebung von Ordnungsbussen ermächtigt sind.

2. FN21 Kantonalrechtliche Ordnungsbussen

§ 354. FN26 Übertretungen des kantonalen Rechts können in einem vereinfachten Verfahren mit Ordnungsbussen bis zu Fr. 500 geahndet werden.

§ 355. FN21 Der Regierungsrat bezeichnet die Übertretungen, bei denen das Ordnungsbussenverfahren zur Anwendung kommt, und bestimmt den Bussenbetrag.

§ 356. FN21 Zur Erhebung von Ordnungsbussen sind die Polizei und die mit ähnlichen Funktionen betrauten, vom Regierungsrat bezeichneten Beamten ermächtigt. Diese Befugnis steht ihnen zu, wenn sie die Übertretung selber wahrgenommen haben.

§ 357. FN21 Die Ordnungsbussen können an Ort und Stelle erhoben werden.

Der Gebüsste kann die Busse sofort gegen Quittung, die seinen Namen nicht nennt, oder innert einer Frist von 30 Tagen bezahlen.

Die Busse wird mit der Bezahlung rechtskräftig.

Wird die Busse nicht bezahlt, so wird das Verfahren gemäss § 336 ff. eingeleitet.

Eine Ordnungsbusse kann auch im ordentlichen Strafverfahren ausgefällt werden.

§ 358. FN21 Die zuständigen Organe sehen von einer Ordnungsbusse ab und erstatten eine Verzeigung,

a) wenn eine Übertretung mit einer Widerhandlung zusammentrifft, die nicht durch Ordnungsbusse geahndet werden kann;
b) wenn anzunehmen ist, dass sich wegen Wiederholung der Übertretung eine strengere Bestrafung rechtfertigt.

3. FN21 Gemeinderechtliche Ordnungsbussen

§ 359. FN21 Die vorstehenden Bestimmungen gelten sinngemäss für gemeinderechtliche Übertretungen. An die Stelle des Regierungsrates tritt der Gemeinderat. Die Bussen fallen den Gemeinden zu.

Von den Gemeinderäten aufgestellte Bussenlisten werden durch den Statthalter auf ihre Recht- und Zweckmässigkeit überprüft und genehmigt.

§§ 360-366. FN19

VII. FN28 Abschnitt: Verfahren gegen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 20. Altersjahr

A. FN28 Allgemeine Vorschriften

§ 367. Solange der Angeschuldigte, Angeklagte oder Verurteilte das 20. Altersjahr noch nicht vollendet hat, finden auf ihn die §§ 368373 Anwendung.
Werden jungen Erwachsenen bis zum 20. Altersjahr Straftaten zur Last gelegt, die sie als Minderjährige begangen haben, richtet sich das Verfahren nach §§ 374389. FN28

Soweit die in Abs. 1 und 2 genannten Bestimmungen keine besonderen Regeln aufstellen, gelten die Bestimmungen über das Verfahren gegen Erwachsene. FN20
§ 368. Das Verfahren, insbesondere aber die Befragungen und andere Untersuchungshandlungen, ist den erzieherischen und fürsorgerischen Bedürfnissen eines Minderjährigen oder jungen Erwachsenen bis zum 20. Altersjahr anzupassen und mit Beschleunigung zu führen. FN28

Ermittlungshandlungen der Polizei sind nach Möglichkeit besonders geschultem Personal zu übertragen.

§ 369. Der Anspruch eines Beteiligten auf Akteneinsicht und Teilnahme an Verhandlungen darf durch geeignete Massnahmen nur soweit eingeschränkt werden, als es überwiegende schutzwürdige Interessen eines Minderjährigen oder jungen Erwachsenen bis zum 20. Altersjahr oder seiner Angehörigen erfordern. Solche Anordnungen sind in den Akten zu vermerken und zu begründen. FN28

Das Recht der gemäss § 371 bestellten amtlichen Verteidiger oder als Verteidiger erbetenen Rechtsanwälte auf Akteneinsicht und Teilnahme an Verhandlungen bleibt vorbehalten.

§ 370. Bedarf ein Minderjähriger aus erzieherischen oder fürsorgerischen Gründen der Hilfe, welche ihm im Verfahren nicht gewährt werden kann, so werden die Organe der Jugendhilfe benachrichtigt; allenfalls unter Übermittlung der Akten.

§ 371. Bestehen Zweifel daran, dass der Inhaber der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt gewillt oder in der Lage ist, den Minderjährigen hinreichend zu verteidigen, oder scheint ein Interessenkonflikt zu bestehen, so bestellt der Präsident des Bezirks- oder Jugendgerichts dem Angeschuldigten für das Untersuchungs- und Gerichtsverfahren sobald als möglich, im Falle der Anordnung vorsorglicher Massnahmen gemäss § 380 Abs. 1 und 2 rechtzeitig vorher, einen Verteidiger, der nicht Rechtsanwalt zu sein braucht. Die Vertretung durch einen erbetenen Verteidiger bleibt vorbehalten.

Für junge Erwachsene bis zum 20. Altersjahr gelten die Bestimmungen über die notwendige Verteidigung gemäss § 11 Abs. 2 und § 12, sofern nicht das Verfahren gegen Jugendliche anwendbar ist. FN28

§ 372. Die Gerichtsverhandlungen gegen Minderjährige und junge Erwachsene bis zum 20. Altersjahr sind nicht öffentlich, wenn nicht gleichzeitig gegen Erwachsene verhandelt werden muss. Eltern, Vormünder und Fürsorger von Minderjährigen dürfen, solche von jungen Erwachsenen bis zum 20. Altersjahr mit deren Einverständnis, den Verhandlungen beiwohnen, ebenso die Geschädigten, diese aber in der Regel nur in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche. FN28

Das Gericht kann die Allgemeinheit ausnahmsweise durch Berichte über die Verhandlungen, seine Entscheide und deren Motive orientieren, wenn überwiegende öffentliche Interessen dies verlangen.

§ 373. FN23 Rechtsmittel können ergreifen:

1. der Minderjährige selbst, wenn er das 15. Altersjahr zurückgelegt hat und urteilsfähig ist, und der junge Erwachsene bis zum 20. Altersjahr;
2. der Verteidiger;
3. der Inhaber der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt;
4. im Verfahren gegen Kinder und Jugendliche die Jugendstaatsanwaltschaft, sonst die Staatsanwaltschaft;
5. der Geschädigte;
6. die übrigen Beteiligten nach Massgabe von § 395.

B. Verfahren gegen Kinder und Jugendliche

1. Die Untersuchung

§ 374. Strafanzeigen gegen Kinder und Jugendliche sind dem Jugendanwalt zu erstatten oder ihm unverzüglich zu überweisen.

§ 375. FN21 Sind an einem Strafverfahren neben Erwachsenen auch Kinder oder Jugendliche beteiligt, wird der Jugendanwalt sofort benachrichtigt und zur Untersuchung beigezogen. Über Zwangsmassnahmen gegen die Kinder oder Jugendlichen entscheidet der Jugendanwalt. Das Verfahren gegen diese Beteiligten wird sobald als möglich abgetrennt.

§ 376. FN21 Der Jugendanwalt leitet die Untersuchung. Die Polizei verständigt ihn sobald als möglich über ihre Ermittlungen. Festnahmen von Jugendlichen und Kindern sind dem Jugendanwalt unverzüglich mitzuteilen.

§ 377. Das Verhalten, die Erziehung und die Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen sind bei der Untersuchung von Verbrechen und Vergehen sowie vor der Anordnung von Massnahmen wegen Übertretungen eingehend abzuklären. Der Angeschuldigte ist hierzu in der Regel zuerst zu befragen. Neben den ordentlichen Beweismitteln ist die protokollarische Befragung von Angehörigen, Erziehern und weiteren geeigneten Personen zulässig. Jugendanwälte und Sozialarbeiter können Berichte einholen. Wird die Richtigkeit solcher Auskünfte bestritten, so sind diese durch Zeugeneinvernahmen zu überprüfen, sofern sie für den Entscheid über die Anordnung einer Massnahme von Bedeutung sein können.

Nötigenfalls ist über den körperlichen und geistigen Zustand des Angeschuldigten ein Gutachten einzuholen.

§ 378. Die besonderen Bestimmungen dieses Gesetzes über das Verfahren bei Ehrverletzungen finden keine Anwendung.

. . . FN22

§ 379. Die Schulorgane werden über ein Verfahren gegen Kinder und Jugendliche und dessen Erledigung nur unterrichtet, wenn schutzwürdige Interessen des Angeschuldigten oder Dritter es verlangen.

§ 380. Der Angeschuldigte kann zur Abklärung seiner Verhältnisse in eine Beobachtungsstation oder Klinik eingewiesen werden.

Solange die persönliche, erzieherische oder gesundheitliche Betreuung des Angeschuldigten anders nicht gewährleistet werden kann, soll er vorsorglich in einer geeigneten Familie, in einem Erziehungsheim oder einer ärztlich geleiteten Anstalt untergebracht werden.

Bei Vorliegen der Haftgründe gemäss § 58 Abs. 1 und 2 kann er in Haft gesetzt werden. Es wird ihm umgehend ein amtlicher Verteidiger beigegeben. Sein gesetzlicher Vertreter wird vom Jugendanwalt unverzüglich davon benachrichtigt. Jugendliche Häftlinge sind von anderen Gefangenen streng zu trennen. FN21

§ 381. FN21 Für Anordnung und Vollzug vorsorglicher Massnahmen nach § 380 ist bis zur Vollstreckbarkeit des Urteils der Jugendanwalt zuständig. Der Rekurs gegen die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme ist ausgeschlossen.

Die in § 373 Ziff. 1 bis 3 genannten Personen können ein Gesuch um Aufhebung der vorsorglichen Massnahmen stellen. Dieses ist beim Jugendanwalt mündlich zu Protokoll zu geben oder schriftlich zu stellen und kurz zu begründen. Sofern der Jugendanwalt dem Gesuch keine Folge geben will, unterbreitet er es unverzüglich mit den Akten und mit seinem begründeten Antrag auf Abweisung dem Präsidenten des Jugendgerichts.

Ist kein Gesuch um Aufhebung gestellt worden und erweist es sich nach Ablauf von fünf Tagen seit Anordnung der vorsorglichen Massnahme als notwendig, diese weiterzuführen, hat der Jugendanwalt unverzüglich beim Jugendgerichtspräsidenten schriftlich um Genehmigung nachzusuchen.

Der Jugendgerichtspräsident entscheidet unter sinngemässer Anwendung der §§ 61 sowie 62 Abs. 1 und 2.

Die vorsorgliche Massnahme wird jeweils für eine bestimmte Zeit bewilligt. Erweist sich eine Erstreckung als notwendig, hat sie der Jugendanwalt rechtzeitig zu beantragen. Das Vorgehen richtet sich nach Abs. 2 und 3.

Gegen Entscheide des Jugendgerichtspräsidenten kann an das Obergericht rekurriert werden.

Im Berufungs- und Nichtigkeitsverfahren entscheidet die Rechtsmittelinstanz über die Genehmigung nach Abs. 2 und 3 endgültig.

§ 382. Die Anordnungen nach § 380 werden sinngemäss an die Dauer der Strafen und Massnahmen angerechnet. Ihre Kosten werden als Vollzugskosten behandelt.

§ 383. FN23 Der Jugendanwalt stellt die Untersuchung ein, wenn aus Mangel an Tatbestand oder an Beweisen weder eine Bestrafung noch eine Massnahme angeordnet werden kann. Die Einstellungsverfügung des Jugendanwalts bedarf der Genehmigung durch die Jugendstaatsanwaltschaft.

§ 384. FN23 Der Jugendanwalt schliesst die Untersuchung mit einer Erziehungsverfügung

1. gegenüber Kindern, falls er nicht eine Verfügung über deren Aufenthalt treffen will;
2. gegenüber Jugendlichen, die den Sachverhalt eingestanden haben,
a) wenn er einen Verweis erteilen oder keine höhere Strafe als vierzehn Tage Arbeitsleistung oder Einschliessung oder eine Busse bis Fr. 500 aussprechen will;
b) wenn er eine Massnahme ohne Verfügung über den Aufenthalt des Angeschuldigten treffen will;
c) wenn er von Massnahmen oder Strafen absehen oder deren Anordnung aufschieben will, wofür die Genehmigung der Jugendstaatsanwaltschaft erforderlich ist.

Für die Beurteilung von Zivilansprüchen des Geschädigten findet § 317 Abs. 2 FN12 Anwendung.

Auf die Erziehungsverfügung und die Einsprache dagegen an das Jugendgericht finden die Vorschriften über den Strafbefehl entsprechende Anwendung. Über die Einsprache entscheidet das Jugendgericht endgültig.

§ 385. In den übrigen Fällen überweist der Jugendanwalt die Akten mit seinem Schlussbericht dem Jugendgericht. Er bezeichnet darin genau den Straftatbestand, welchen er dem Angeschuldigten vorwirft, und stellt seine Anträge, die er kurz begründet.

2. Das gerichtliche Verfahren

§ 386. Kinder werden nur soweit zu den Verhandlungen zugelassen, als es zur Abklärung des Sachverhaltes und der persönlichen Verhältnisse nötig ist.

Jugendliche nehmen an den Verhandlungen teil; sie können jedoch ganz oder teilweise davon ausgeschlossen werden.

Kinder und Jugendliche sind von der Urteilsberatung ausgeschlossen.

Der Jugendanwalt ist zum Erscheinen verpflichtet.

§ 386 a. FN23 Für die Beurteilung von Zivilansprüchen des Geschädigten findet § 317 Abs. 2 FN21 Anwendung.

§ 387. Die Entscheide werden dem Angeschuldigten, dem Inhaber der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt und dem Geschädigten im Dispositiv mitgeteilt. Auf Verlangen erhalten diese Beteiligten die Begründung, der Geschädigte jedoch nur bezüglich seiner zivilrechtlichen Ansprüche.

Das Urteil ist dem Angeschuldigten in geeigneter und verständlicher Form zu erklären.

3. Die Kosten

§ 388. Bei Bemessung, Auflage und Bezug der Verfahrenskosten ist den Verhältnissen und dem Fortkommen des Pflichtigen Rechnung zu tragen.

Neben dem Angeschuldigten oder Verurteilten werden dessen Eltern solidarisch kostenpflichtig, wenn die Voraussetzungen von Art. 333 ZGB FN6 erfüllt sind.

§ 389. Die gerichtliche Beurteilung von Kostenentscheiden bei Einstellung des Verfahrens steht dem Jugendgericht endgültig zu.

C. FN27

§ 390. FN27

§§ 391394.

IX. Abschnitt: Rechtsmittel

A. Allgemeine Bestimmungen

§ 395. Zur Ergreifung der in diesem Abschnitt bezeichneten Rechtsmittel sind befugt: FN23

1. die Staatsanwaltschaft, bei Übertretungen auch die Verwaltungsbehörde, die den Entscheid gefällt hat;
2. die Personen, welchen durch die der gerichtlichen Beurteilung unterstellten Handlungen unmittelbar ein Schaden zugefügt wurde oder zu erwachsen drohte (Geschädigte). Als solche gelten auch die Personen gemäss Art. 2 Abs. 2 des Opferhilfegesetzes FN10, sofern sie gegen den Angeschuldigten eigene Zivilansprüche geltend gemacht haben;
3. der Angeschuldigte, Angeklagte oder Verurteilte.

Überdies steht der Rekurs gegen Verfügungen der Untersuchungs- und Anklagebehörden sowie Beschlüsse der Gerichte allen Personen zu, die durch eine darin getroffene Anordnung in ihren Rechten betroffen werden. Im Rechtshilfeverfahren für das Ausland richtet sich die Legitimation nach dem Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen FN11. FN21
. . .
Zum Rekurs gegen Einstellungsverfügungen der Untersuchungsbehörden sind auch die Behörden und Beamten befugt, die in Wahrung der ihrem Schutze anvertrauten Interessen Strafanzeige erstattet haben.

Vorbehalten bleiben die Bestimmungen der Bundesgesetzgebung über die den Bundesbehörden zustehenden Rechtsmittel.

§ 396. Die Staatsanwaltschaft ist befugt, Rechtsmittel auch zugunsten des Angeklagten oder Verurteilten zu ergreifen.

Erklärt sie die Berufung zugunsten eines Verurteilten, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist, so wird dieser nicht vorgeladen.

§ 397. FN23 Der Ankläger im Ehrverletzungsprozess ist zur Sicherstellung der Kosten des Verfahrens und der Prozessentschädigung verpflichtet, sofern er in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat oder wenn seine Zahlungsunfähigkeit feststeht.

§ 398. Auf das Verfahren finden die Bestimmungen über das Hauptverfahren Anwendung, soweit sie nicht durch die Bestimmungen dieses Abschnittes abgeändert werden.

Wo das schriftliche Verfahren zugelassen ist, kann der Richter aus besonderen Gründen auch eine mündliche Verhandlung anordnen, jedoch ohne Rechtsnachteile für die ausbleibende Partei.

§ 399. Wurde vom Angeklagten oder vom Staatsanwalt zugunsten des Angeklagten ein Rechtsmittel eingelegt, so darf das Urteil nicht zuungunsten des Angeklagten abgeändert werden, sofern nicht auch die Gegenpartei das Rechtsmittel ergriffen hat.

§ 400. Haben von mehreren Verurteilten nur einzelne ein Rechtsmittel ergriffen, so kann das Gericht das Urteil auch zugunsten der übrigen abändern.

§ 401. Eine irrtümliche Bezeichnung des Rechtsmittels ist unschädlich.

B. Rekurs

§ 402. FN23 Der Rekurs ist zulässig:
1. gegen das Verfahren und die Verfügungen der Bezirksanwaltschaft bei der Staatsanwaltschaft, im Falle der Nichtanhandnahme oder Einstellung einer Untersuchung beim Einzelrichter des Bezirksgerichts;
2. gegen die Verfügungen der Bezirksanwaltschaften im Rechtshilfeverfahren für ausländische Staaten beim Obergericht;
3. gegen das Verfahren und die Verfügungen der Jugendanwaltschaft bei der Jugendstaatsanwaltschaft, im Falle der Nichtanhandnahme oder Einstellung einer Untersuchung beim Präsidenten des Jugendgerichts;
4. gegen das Verfahren und die Verfügungen der Staatsanwaltschaft als Untersuchungs- und Anklagebehörde bei der für das Justizwesen zuständigen Direktion FN29, im Falle der Nichtanhandnahme oder Einstellung einer Untersuchung beim Obergericht;
5. gegen das Verfahren und die Verfügungen der Friedensrichter in Ehrverletzungssachen beim Bezirksgericht;
6. gegen das Verfahren, die Verfügungen und Beschlüsse der Bezirksgerichtspräsidenten, der bezirksgerichtlichen Untersuchungsrichter, der Einzelrichter, der Bezirksgerichte und Jugendgerichte in Sachen, die von ihnen erstinstanzlich erledigt werden, beim Obergericht;
7.
8. gegen Beschlüsse der Anklagekammer beim Obergericht;
9. gegen Urteile der Einzelrichter, der Bezirksgerichte und der Jugendgerichte, wenn sich der Rekurs nur auf die Kostenauflage und die Entschädigung bezieht, beim Obergericht.
10. gegen die Nichtanhandnahme oder Einstellung einer Strafuntersuchung durch eine Verwaltungsbehörde beim Einzelrichter des Bezirksgerichts.

§ 403. Der Rekurs ist ausgeschlossen, wenn der von einem Untersuchungsbeamten abgelehnte Antrag bei dem urteilenden Richter ohne Gefährdung einer Partei neuerdings eingebracht werden kann.

Beschlüsse und Verfügungen, welche das Gericht während der Hauptverhandlung erlassen hat, können nur mit dem gegen den Endentscheid eingelegten Rechtsmittel angefochten werden. Vorbehalten bleibt der Rekurs über Verschiebungsbeschlüsse oder verhängte Ordnungsstrafen.

§ 404. FN26 Richtet sich der Rekurs gegen Verfügungen oder Beschlüsse, welche protokolliert und mündlich eröffnet oder schriftlich mitgeteilt worden sind, so beträgt die Rekursfrist, sofern in der Verfügung selbst nicht etwas anderes bestimmt ist, zwanzig Tage von der Eröffnung oder Mitteilung an.

Versäumnis wird als Verzicht betrachtet. Aus zureichenden Gründen kann jedoch die obere Instanz Wiederherstellung erteilen. Der Verzicht auf das Rechtsmittel des Rekurses gegen das Verfahren und die Verfügungen eines Untersuchungsbeamten schliesst, sofern Anklage erhoben wird, die Anfechtung und Hebung der betreffenden Mängel im gerichtlichen Verfahren nicht aus.

In allen andern Fällen ist der Rekurs an keine Frist gebunden.

§ 405. Der Rekurs muss innerhalb der Frist bei der oberen Instanz mit Angabe der Gründe schriftlich eingereicht werden.

§ 406. Stellt sich der Rekurs nicht sofort als unstatthaft oder unbegründet dar, so wird er der untern Instanz und der Gegenpartei zur Beantwortung mitgeteilt.

§ 407. Die Behörde, welche den Rekurs begründet erklärt, trifft die erforderlichen Anordnungen.

§ 408. Der Rekurs hat keine aufschiebende Wirkung, soweit nicht die Rekursinstanz etwas anderes verfügt.

§ 409. Der Entscheid der Rekursinstanz ist endgültig.

Für den urteilenden Richter sind jedoch Entscheidungen über Rekurse gegen Verfügungen des Untersuchungsbeamten nicht bindend.

C. Berufung (Appellation)

§ 410. FN26 Gegen Urteile der Bezirksgerichte, ihrer Einzelrichter und der Jugendgerichte ist die Berufung an das Obergericht zulässig. Ausgenommen sind lediglich auf eine Busse lautende Urteile wegen Übertretungen im Verfahren gegen Erwachsene.
. . .

§ 411. FN22

§ 412. FN26 Die Berufungsfrist beträgt 20 Tage.

Sie läuft dem Geschädigten und dem Angeklagten von der Eröffnung des Urteils und, wo eine solche nicht erfolgt ist, von der schriftlichen Mitteilung an.

Für die Staatsanwaltschaft beginnt die Frist mit dem Tag, an welchem ihr das begründete Urteil gemäss § 413 Abs. 2 zugeht. Sie hat diesen Tag auf der Urteilsausfertigung vorzumerken.

§ 413. Die Bezirksgerichtskanzlei stellt eine Ausfertigung des Urteils der Bezirksanwaltschaft zu. FN21

Die Bezirksanwaltschaft stellt die bei ihr eingegangenen Urteile mit einem allfälligen Antrag auf Erklärung der Berufung innert fünf Arbeitstagen der Staatsanwaltschaft zu. FN21

Steht das Berufungsrecht einer Bundesbehörde zu, so ist ihr eine Urteilsausfertigung zu übermitteln.

§ 414. FN19

§ 415. Die Berufung kann bei der untern Instanz entweder mündlich bei Eröffnung des Urteils oder innerhalb der Berufungsfrist schriftlich erklärt werden.

Die Erklärung wird zu Protokoll genommen und den Beteiligten sowie der Staatsanwaltschaft unverzüglich zur Kenntnis gebracht. FN21

§ 416. Offenbar verspätete Berufungen werden vom Bezirksgerichtspräsidenten zurückgewiesen. Der Berufungskläger kann in diesem Fall binnen fünf Tagen, von der Mitteilung an gerechnet, die Berufung beim Obergericht einreichen, welches nach Einforderung der Akten über die Zulässigkeit der Berufung entscheidet.

§ 417. Der Gerichtspräsident verfügt über die Anordnung der Sicherheitshaft. FN21

Sind die Akten dem Berufungsgericht zugestellt, so verfügt der Präsident des Berufungsgerichts.

Ausnahmsweise kann auch die Anklagebehörde die Sicherheitshaft verfügen; sie stellt gleichzeitig bei dem Präsidenten des Berufungsgerichts schriftlich begründeten Antrag auf Bestätigung dieser vorsorglichen Massnahme. Der Präsident des Berufungsgerichts entscheidet endgültig. FN21

§ 418. Ist die Berufung rechtzeitig eingelegt worden, so sendet die Gerichtskanzlei binnen zehn Tagen und, wenn der Verurteilte sich im Verhaft befindet, binnen fünf Tagen die Akten und Protokolle in der Urschrift der Berufungsinstanz ein.

§ 419. Mit der Berufung können alle Mängel sowohl der Untersuchung als des Verfahrens und des Urteils der ersten Instanz gerügt werden.

Die Berufung des Bestraften hemmt die Vollstreckung des Urteils, sofern er nicht dazu seine Zustimmung gibt. Vorbehalten bleibt die Verfügung, dass der Sicherheitsverhaft fortdauere.

§ 420. Beantragt der Berufungskläger oder ein anderer Beteiligter, dass in der zweiten Instanz Zeugen oder Sachverständige abgehört oder die erstinstanzlichen Verhandlungen vervollständigt werden, so soll er seinen Antrag binnen fünf Tagen, von der Erklärung der Berufung oder von der Mitteilung der Erklärung an gerechnet, der Berufungsinstanz unter Anführung der Gründe schriftlich einreichen. Versäumnis hat Ordnungsbusse zur Folge.

§ 421. Das Berufungsgericht fasst über diese Anträge nach deren Eingang oder in der Verhandlung Beschluss.

Es kann auch von sich aus die Akten vervollständigen.

Will das Gericht Zeugen und Sachverständige nicht selbst abhören, so kann es die Vervollständigung durch eines seiner Mitglieder oder durch die Untersuchungsbehörde vornehmen lassen.

§ 422. FN21 Lautet das angefochtene Urteil auf eine Freiheitsstrafe von mehr als 18 Monaten oder auf eine freiheitsentziehende Massnahme oder will der Staatsanwalt eine solche Anordnung beantragen, so hat er persönlich vor dem Gericht zu erscheinen. In den übrigen Fällen kann er seine Anträge schriftlich stellen.

Beantragt der Staatsanwalt in einem Berufungsverfahren lediglich die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils, ist er zum persönlichen Erscheinen an der Berufungsverhandlung nur verpflichtet, wenn das Gericht dies anordnet.

§ 423. Der Geschädigte, welcher selbständige Berufung eingelegt hat, muss seine Berufung mündlich begründen oder begründen lassen.

§ 424. Ausbleiben des Berufungsklägers bei der Berufungsverhandlung ohne genügenden Entschuldigungsgrund wird als Rückzug der Berufung betrachtet.

§ 425. Der Angeklagte kann sich bis zum Schluss der Verhandlung der Berufung des Anklägers in der Weise anschliessen, dass er mit Bezug auf alle Teile des erstinstanzlichen Urteils Anträge stellen darf, wie wenn er selbst die Berufung eingelegt hätte.

Bezieht sich die Berufung des Geschädigten nur auf den Schadenersatzanspruch, so kann sich der Angeklagte der Berufung nur mit Bezug darauf anschliessen.

Der Ankläger und der Geschädigte können sich der Berufung des Angeklagten anschliessen, der erstere mit Bezug auf einen angefochtenen Strafpunkt des erstinstanzlichen Urteils, der letztere mit Bezug auf den Schadenersatzanspruch.

Der Geschädigte kann sich der Berufung des Anklägers anschliessen mit Bezug auf den Schadenersatzanspruch und der Ankläger der vom Geschädigten bezüglich eines Strafpunktes erklärten Berufung beitreten.

§ 426. Wird die selbständig erklärte Berufung vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurückgezogen, so fallen die Anschlussberufungen dahin.

§ 427. Eine Rückweisung an das Bezirksgericht darf nur dann stattfinden, wenn von der ersten Instanz über einen Anklagepunkt nicht entschieden worden ist oder eine Verhandlung über die Schuldfrage dort nicht stattgefunden hat.

D. Nichtigkeitsbeschwerde (Kassation)

§ 428. FN23 Die Nichtigkeitsbeschwerde ist zulässig:

1. gegen Urteile und Erledigungsentscheide der Einzelrichter, des Präsidenten des Jugendgerichts, der Bezirksgerichte und der Jugendgerichte, wenn die Berufung oder der Rekurs nicht gegeben sind, beim Obergericht;
2. gegen Urteile und Erledigungsbeschlüsse des Geschworenengerichts und des Obergerichts beim Kassationsgericht.

§ 428 a. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist unzulässig:

a) gegen den Entscheid einer Kassationsinstanz;
b) gegen die im Zulassungsverfahren gefassten Entscheide über die Zulassung oder Nichtzulassung von Anklagen und gegen Rekursentscheide über solche Beschlüsse.

§ 429. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten hemmt die Vollstreckung des Urteils, soweit er nicht seine Zustimmung dazu erklärt.

Vorbehalten bleibt die Verfügung, dass die Sicherheitshaft fortzudauern habe. Diese Verfügung trifft der Präsident des Gerichts, das geurteilt hat. Sind die Akten bereits der Kassationsinstanz überwiesen, so verfügt deren Präsident über Anordnung oder Fortdauer der Sicherheitshaft. FN21

Ausnahmsweise kann auch die Anklagebehörde vorsorglich die Sicherheitshaft verfügen. Sie stellt gleichzeitig bei dem Präsidenten der Kassationsinstanz schriftlich begründeten Antrag auf Bestätigung dieser vorsorglichen Massnahme. Der Präsident der Kassationsinstanz entscheidet endgültig. FN21

§ 430. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist zulässig:

1. wenn das erkennende Gericht zur Beurteilung der Sache nicht zuständig war;
2. wegen ungehöriger Besetzung des Gerichts;
3. wegen Mitwirkung eines unfähigen oder abgelehnten Gerichtsbeamten oder Geschworenen;
4. wegen Verletzung gesetzlicher Prozessformen zum Nachteil des Nichtigkeitsklägers, insbesondere Unterlassung der Fürsorge für gehörige Verteidigung eines handlungsunfähigen Angeklagten und wesentliche Beeinträchtigung der Parteirechte, und zwar auch dann, wenn der Mangel in der Untersuchung eingetreten ist und im spätern Verfahren nicht aufgehoben werden konnte;
5. wenn das Gericht seinen Entscheid auf aktenwidrige tatsächliche Annahmen gestützt hat;
6. wegen Verletzung materieller Gesetzesvorschriften.
In der Beschwerdeschrift ist jeder Nichtigkeitsgrund genau zu bezeichnen.

§ 430 a.

§ 430 b. Die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ist nur zulässig, soweit gegen eine Entscheidung nicht die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichtes wegen Verletzung eidgenössischen Rechts gegeben ist (Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege, Art. 268, 269 und 275 Abs. 1) FN9.

Wird Verletzung eidgenössischen und kantonalen Rechts geltend gemacht, so entscheidet die kantonale Kassationsinstanz nur soweit, als Verletzung kantonalen Rechts behauptet wird. Hängt jedoch die Frage der Verletzung kantonalen Rechts vom Entscheid über eine Vorfrage eidgenössischen Rechts ab, so prüft die kantonale Kassationsinstanz auch diese Frage.

Tritt die kantonale Kassationsinstanz auf eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht ein, weil sie für die geltend gemachte Rüge das Bundesgericht für zuständig hält, und erklärt sich nachher das Bundesgericht als unzuständig, so hat die kantonale Kassationsinstanz auf Begehren des Nichtigkeitsklägers die Beschwerde materiell zu entscheiden. Das Begehren ist innert zehn Tagen nach Zustellung des bundesgerichtlichen Entscheides bei der kantonalen Kassationsinstanz schriftlich zu stellen.

§ 431. FN21 Die Nichtigkeitsbeschwerde ist binnen zehn Tagen, von der Eröffnung des Entscheides oder der Entdeckung des Mangels an gerechnet, beim Präsidenten des urteilenden Gerichts anzumelden. Er ordnet die sofortige schriftliche Mitteilung des Entscheides mit Begründung an. Hierauf hat der Beschwerdeführer binnen einer Frist von 30 Tagen, die ihm der Präsident des urteilenden Gerichts ansetzt, die Beschwerdeschrift bei der Kassationsinstanz einzureichen, soweit er die Beschwerde nicht schon in der Anmeldung begründet hat.

§ 432. Der Staatsanwaltschaft und in Übertretungssachen der Verwaltungsbehörde läuft die zehntägige Kassationsfrist in den Fällen, in welchen ihr der Entscheid nicht mündlich eröffnet worden war, vom Tage der schriftlichen Mitteilung an.

§ 433. Stellt sich die Nichtigkeitsbeschwerde sofort nach der Einziehung der Akten als unbegründet dar, so entscheidet die Kassationsinstanz darüber ohne Anhörung der Gegenpartei. In den übrigen Fällen setzt sie der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Beantwortung der Beschwerde an unter der Androhung, dass sonst auf Grund der Akten entschieden würde. Sie gibt in diesen Fällen ferner der unteren Instanz Gelegenheit, sich zur Beschwerde zu äussern.

Wird die Beschwerde abgewiesen oder die Sache zu neuer Entscheidung an die untere Instanz zurückgewiesen oder ist ein Urteil oder ein Beschluss nur hinsichtlich der Kosten oder der Entschädigung angefochten, so entscheidet die Kassationsinstanz ohne mündliche Verhandlung.

Fällt die Kassationsinstanz nach Gutheissung der Beschwerde ein neues Urteil in der Sache selbst, so werden die Parteien zu mündlicher Verhandlung vorgeladen, sofern sie auf eine solche nicht verzichten. Der Beschwerdeführer hält den ersten, der Beschwerdegegner den zweiten Vortrag; weitere Vorträge werden nur ausnahmsweise gestattet.

§ 434. Ausbleiben des Beschwerdeführers bei der mündlichen Verhandlung ohne genügenden Entschuldigungsgrund wird als Rückzug der Nichtigkeitsbeschwerde betrachtet.

§ 435. Erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde als begründet, so bestimmt die Kassationsinstanz, welche Punkte des angefochtenen Urteils oder Beschlusses aufgehoben werden.

§ 436. Wird ein Urteil wegen eines der in § 430 Ziffer 14 erwähnten Nichtigkeitsgründe oder ein Gerichtsbeschluss aufgehoben, so weist die Kassationsinstanz die Sache an das Gericht zurück.

Das Gericht fällt einen neuen Entscheid; die Nichtigkeitsbeschwerde ist auch gegen diesen zulässig.

§ 437. Wird ein Urteil aus einem der in § 430 Ziffer 5 oder 6 angeführten Nichtigkeitsgründe aufgehoben, so fällt die Kassationsinstanz das Urteil.

§ 438. Die Kassationsinstanz hat auch dann über die Anrechnung des Sicherheitsverhaftes auf die Strafe zu entscheiden, wenn die Kassationsbeschwerde verworfen wird.

E. Wiederaufnahme des Verfahrens (Revision)

1. Allgemeines

§ 439. Das Gesuch um Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Strafbefehle und Urteile ist beim Obergericht, gegenüber Urteilen des Kassationsgerichts im Sinne des § 437 StPO bei diesem Gericht anzubringen.

In dem Gesuch sind die Gründe, auf welche es gestützt wird, genau zu bezeichnen und soweit möglich zu belegen.

§ 440. Das Gesuch wird dem Gericht zur Vernehmlassung mitgeteilt, welches das Urteil gefällt hat.

§ 441. Das Gericht kann die Akten von sich aus vervollständigen und über das Ergebnis eine mündliche Verhandlung veranstalten.

§ 442. Wurde dem Verurteilten im Urteil irrtümlicherweise ein unrichtiger Name oder Zivilstand beigelegt, so kann ein Gesuch um Richtigstellung bei dem Gericht angebracht werden, das letztinstanzlich die Strafe ausgesprochen hat.

Das Gesuch kann vom Staatsanwalt und von demjenigen gestellt werden, dem der irrtümlich eingesetzte Name oder Zivilstand wirklich zusteht.

Das Gericht ordnet die nötigen Erhebungen an und entscheidet nach Anhörung der Beteiligten endgültig über das Gesuch.

2. Wiederaufnahme zuungunsten eines Freigesprochenen oder Verurteilten

§ 443. Das Verfahren zuungunsten eines rechtskräftig Freigesprochenen oder Verurteilten wird wieder aufgenommen:
1. wenn durch ein Verbrechen oder Vergehen, zum Beispiel Bestechung oder falsches Zeugnis, auf das frühere Strafverfahren zugunsten des Angeklagten eingewirkt worden ist;
2. wenn der Freigesprochene vor Gericht oder aussergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis abgelegt hat oder wenn andere Tatsachen oder Beweismittel entdeckt worden sind, welche für sich allein zu einer Verurteilung des Angeschuldigten hinreichen würden.

§ 444. Das Wiederaufnahmegesuch ist zulässig, solange das Verbrechen oder Vergehen nicht verjährt ist.

§ 445. FN23 Zur Stellung des Gesuchs sind die Staatsanwaltschaft und der Geschädigte sowie im Ehrverletzungsprozess der Ankläger befugt.

§ 446. Das Gesuch wird dem Angeklagten zu schriftlicher Beantwortung mitgeteilt, sofern es sich nicht sofort als unbegründet herausstellt oder das Gericht nicht eine mündliche Verhandlung anordnet.

§ 447. Das Gericht kann auf Antrag der Anklagebehörde den Angeklagten vorläufig verhaften.

§ 448. Wird das Urteil aufgehoben, so weist das Gericht die Sachen an die Untersuchungsbehörde zurück.

3. Wiederaufnahme zugunsten eines Verurteilten

§ 449. Gegen ein rechtskräftiges Urteil, durch welches eine Strafe oder eine Massnahme verhängt wurde, kann Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten verlangt werden:
1. wenn durch ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Nachteil des Verurteilten auf das frühere Strafverfahren eingewirkt wurde;
2. wenn seit der Verurteilung ein Strafurteil ausgefällt wurde, das mit dem ersten Urteil in unverträglichem Widerspruch steht;
3. wenn Tatsachen und Beweismittel geltend gemacht werden, die dem erkennenden Richter nicht bekannt gewesen waren und welche allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Tatsachen die Freisprechung des Angeklagten oder eine mildere Bestrafung rechtfertigen.

§ 450. Das Wiederaufnahmegesuch ist an keine Frist gebunden. Es kann auch nach Vollzug der Strafe oder Massnahme gestellt werden.

§ 451. Ist der Verurteilte gestorben, so sind der überlebende Ehegatte und die in § 129 genannten Verwandten berechtigt, die Wiederaufnahme zu beantragen.

§ 452. FN23 Das Wiederaufnahmegesuch wird der Staatsanwaltschaft zur Begutachtung mitgeteilt. Sie kann von sich aus oder auf Begehren des Gesuchstellers die nötigen Erhebungen veranstalten.

Das Wiederaufnahmegesuch wird dem Opfer, im Ehrverletzungsprozess dem Ankläger zur Beantwortung zugestellt.

Das Gericht kann die Einstellung des Straf- oder Massnahmevollzugs anordnen.

§ 453. Das Gericht kann schon vor dem endgültigen Entscheid über das Wiederaufnahmegesuch die einstweilige Freilassung des Angeklagten verfügen.

§ 454. Wird die Wiederaufnahme beschlossen, so hebt das Gericht das frühere Urteil auf und weist die Akten an dasjenige Gericht, welches erstinstanzlich erkannt hatte, mit dem Auftrag zurück, die Verhandlung soweit erforderlich zu wiederholen und ein neues Urteil auszufällen.

In Sachen des Geschworenengerichts, in welchen der Staatsanwalt auf weitere strafrechtliche Verfolgung verzichtet, fällt das Obergericht das Urteil. Es spricht den Angeklagten frei, soweit der Verzicht der Staatsanwaltschaft reicht.

§ 455. FN21 Dem Freigesprochenen werden die bezahlten Bussen und, wenn sich dies nach § 189 rechtfertigt, die bezahlten Kosten zurückerstattet. Hat er die über ihn verhängte Strafe ganz oder teilweise verbüsst, so spricht ihm das Gericht eine den Umständen angemessene Entschädigung und Genugtuung aus der Staatskasse zu. Das freisprechende Urteil wird auf Antrag des Freigesprochenen im Amtsblatt veröffentlicht.

§§ 456-486.

X. Abschnitt: Begnadigungsverfahren

§ 487. Eine Begnadigung kann nur durch den Kantonsrat erfolgen.

§ 488.

§ 489. Das Begnadigungsgesuch ist an den Regierungsrat zu richten.

Das Gesuch hemmt die Vollstreckung des Urteils nicht.

Der Regierungsrat kann auch von sich aus das Begnadigungsverfahren einleiten.

§ 490. Der Regierungsrat hört die Staatsanwaltschaft an und kann in wichtigen Fällen eine Vernehmlassung des erkennenden Gerichts einholen.

§ 491. Der Regierungsrat ist, wenn das Urteil auf lebenslängliches Zuchthaus lautet oder wenn der Richter durch die besonderen Bestimmungen des Strafgesetzbuches FN8 an ein erhöhtes Mindestmass der Zuchthausstrafe gebunden war sowie bei politischen Verbrechen und Vergehen, verpflichtet, das Gesuch mit seinem Antrag dem Kantonsrat vorzulegen. In allen andern Fällen entscheidet er über Vorlegung oder Abweisung.

Im Falle der Abweisung unterrichtet der Regierungsrat die Begnadigungskommission des Kantonsrates über die Gründe der Abweisung. FN20

§ 492. Wird ein zu lebenslänglichem Zuchthaus Verurteilter begnadigt, so ist im Begnadigungsbeschluss zu bestimmen, ob und wie lange der Begnadigte in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt bleiben soll.

§§ 492 a-492 c.

§ 493. Die Begnadigung hat keinen Einfluss auf die zivilrechtlichen Folgen der Straftat.

§ 494. Beschlüsse über Begnadigungsgesuche werden nicht begründet.

XI. Abschnitt: Ergänzende Bestimmung

§ 495. Die Direktion des Gesundheitswesens bezeichnet die für den straflosen Abbruch der Schwangerschaft vorgesehenen Fachärzte (Art. 120 StGB) FN8.
Sie ist auch zuständig zur Entgegennahme der in Art. 120 Ziffer 2 Abs. 2 StGB FN8 genannten Anzeigen.

§§ 496509.

XV. Abschnitt: Schluss- und Übergangsbestimmungen FN14

§ 510. Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1919 in Kraft.

§ 511. Durch dieses Gesetz werden die widersprechenden Bestimmungen früherer Gesetze aufgehoben, insbesondere, soweit dies nicht bereits geschehen ist, das Gesetz betreffend die zürcherische Rechtspflege vom 2. Dezember 1874 und die Gesetze betreffend Änderungen einiger Bestimmungen desselben vom 13. Juni 1880 und 5. Mai 1889.
________
FN1 OS 31, 327 und GS II, 580.
FN2 211.1.
FN3 215.1.
FN4 551.11.
FN5 551.152, 551.151.
FN6 SR 210.
FN7 SR 281.1.
FN8 SR 311.0.
FN9 SR 312.0.
FN10 SR 312.5.
FN11 SR 351.1.
FN12 Heute Abs. 3.
FN13 Heute Verbrechen oder Vergehen.
FN14 Vgl. OS 51, 874 f.
FN15 Fassung gemäss Sozialhilfegesetz vom 14. Juni 1981 (OS 48, 197). In Kraft seit 1. Januar 1982 (OS 48, 264).
FN16 Eingefügt durch Jugendhilfegesetz vom 14. Juni 1981 (OS 48, 210). In Kraft seit 1. Januar 1982 (OS 48, 384).
FN17 Eingefügt durch G vom 19. Juni 1983 (OS 48, 762). In Kraft seit 1. Oktober 1983 (OS 48, 766).
FN18 Fassung gemäss G vom 19. Juni 1983 (OS 48, 762). In Kraft seit 1. Oktober 1983 (OS 48, 766).
FN19 Aufgehoben durch G vom 1. September 1991 (OS 51, 851). In Kraft seit 1. Juli 1992 (OS 52, 23).
FN20 Eingefügt durch G vom 1. September 1991 (OS 51, 851). In Kraft seit 1. Juli 1992 (OS 52, 23).
FN21 Fassung gemäss G vom 1. September 1991 (OS 51, 851). In Kraft seit 1. Juli 1992 (OS 52, 23).
FN22 Aufgehoben durch EG zum Opferhilfegesetz vom 25. Juni 1995 (OS 53, 225). In Kraft seit 1. Januar 1996 (OS 53, 251).
FN23 Fassung gemäss EG zum Opferhilfegesetz vom 25. Juni 1995 (OS 53, 225). In Kraft seit 1. Januar 1996 (OS 53, 251).
FN24 Aufgehoben durch G vom 24. September 1995 (OS 53, 271). In Kraft seit 1. Januar 1996 (OS 53, 301).
FN25 Eingefügt durch G vom 24. September 1995 (OS 53, 271). In Kraft seit 1. Januar 1996 (OS 53, 301).
FN26 Fassung gemäss G vom 24. September 1995 (OS 53, 271). In Kraft seit 1. Januar 1996 (OS 53, 301).
FN27 Aufgehoben durch G vom 2. März 1997 (OS 54, 103). In Kraft seit 1. Januar 1998 (OS 54, 322).
FN28 Fassung gemäss G vom 2. März 1997 (OS 54, 103). In Kraft seit 1. Januar 1998 (OS 54, 322).
FN29 Fassung gemäss G vom 15. März 1998 (OS 54, 517). In Kraft seit 1. August 1998 (OS 54, 624).