Reglement
für die Anerkennung der Diplome
der höheren Fachschulen für Soziale Arbeit

(vom 6. Juni 1997)

Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), nach Rücksprache mit der Fürsorgedirektorenkonferenz,

gestützt auf Artikel 2, 4, 5 und 6 der Interkantonalen Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen vom 18. Februar 1993 (Diplomvereinbarung) und auf das EDK-Statut vom 2. März 1995,

beschliesst:

1. Kapitel: Grundsatz

Art. 1 Kantonale oder kantonal anerkannte Diplome, die eine höhere Ausbildung in Sozialer Arbeit bescheinigen, werden von der EDK anerkannt, wenn sie die in diesem Reglement festgelegten Mindestanforderungen erfüllen.

Anerkannt werden Diplome in Sozialer Arbeit, denen entweder eine allgemeine Ausbildung mit Studienschwerpunkten oder eine in drei Studienrichtungen differenzierte Ausbildung für Sozialarbeit, Sozialpädagogik oder soziokulturelle Animation zu Grunde liegt.


2. Kapitel: Anerkennungsvoraussetzungen


1. Abschnitt: Ausbildung

Ziel
Art. 2 Der Ausbildungsgang gewährleistet eine wissenschaftlich fundierte und praxisbezogene Grundkompetenz für die Bearbeitung der Aufgaben, die in den Zuständigkeitsbereich der Sozialen Arbeit fallen. Die Ausbildung stützt sich auf eine ganzheitliche und interdisziplinäre Sicht der sozialen Prozesse.

Die Diplomierten sollen insbesondere

a) komplexe soziale Problemlagen erfassen können,

b) die der Problemlage entsprechende Intervention selbstständig planen, realisieren und evaluieren können,

c) soziale Probleme und ihre Folgen präventiv und kurativ bearbeiten können,

d) die erforderlichen berufsrelevanten, sozialen und personalen Kompetenzen, insbesondere Kommunikations-, Entscheidungs- und Kritikfähigkeit sowie Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung besitzen,

e) über administrative und organisatorische Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.

Theorieausbildung
Art. 3 Die theoretische Ausbildung umfasst mindestens folgende Fachbereiche:

a) Wissen im Sozialbereich: Theorien der Sozialen Arbeit, Interventionsmethoden und -techniken, Aufbau und Organisation des Sozialwesens, Geschichte der Sozialen Arbeit, Soziale Arbeit als Beruf,

b) human- und sozialwissenschaftliches Wissen: Psychologie, Soziologie, Philosophie/Ethik, Pädagogik, Ökonomie, Sozialpolitik, Sozialversicherung, Recht.

Praxisausbildung
Art. 4 Die Praxisausbildung ist integrierter Teil der Ausbildung und erfolgt im Wesentlichen in unter der Verantwortung der Schule geführten Praktika oder durch Berufstätigkeit in Sozialer Arbeit.

Sie erfolgt in öffentlich- oder privatrechtlichen Organisationen, die eine qualifizierte Berufstätigkeit unter geeigneter fachlicher Anleitung ermöglichen.

Integration von Theorie und Praxis
Art. 5 Die Schulen stellen die Integration von Theorie und Praxis sicher. Diese erfolgt in unterschiedlichen methodisch-didaktischen Ausbildungsformen namentlich auch durch Supervision oder Praxisberatung.

Lehrplan
Art. 6 Die Ausbildung richtet sich im Einzelnen nach dem Lehrplan, der vom Kanton erlassen oder genehmigt wird.

Zulassungsbedingungen
Art. 7 Die Zulassung zur Ausbildung erfordert

a) einen Abschluss auf der Sekundarstufe II, der auf einer anerkannten dreijährigen Berufsausbildung oder auf einer anerkannten Allgemeinbildung beruht,

b) eine Arbeitserfahrung von mindestens einem Jahr,

c) das Bestehen einer Eignungsabklärung.

Für Personen über 30 Jahre, die die formalen Bedingungen der Vorbildung nicht erfüllen, sehen die Schulen Eintrittsprüfungen oder andere Selektionsverfahren vor.

Dauer
Art. 8 Die Ausbildung dauert mindestens drei Jahre und umfasst mindestens 3200 Lektionen.

Zur Ausbildungsdauer zählen Theorieausbildung, Praxisausbildung, Theorie-Praxis-Intergration, Prüfungen und Diplomarbeit.

Die Praxisausbildung umfasst mindestens 1500 Lektionen, die übrigen Ausbildungselemente zusammen mindestens 1600 Lektionen.

Ausbildungen für eine zusätzliche Studienrichtung oder für einen zusätzlichen Studienschwerpunkt dauern mindestens ein Jahr und umfassen mindestens 400 Lektionen.

Qualifikation der Lehrkräfte und der Praxislehrkräfte
Art. 9 Die Lehrer und Lehrerinnen verfügen über eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder über eine Ausbildung einer höheren Fachschule. Sie weisen sich über methodisch-didaktische Kompetenzen aus.

Die Praxisausbildner und Praxisausbildnerinnen verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung in Sozialer Arbeit und über eine mehrjährige berufliche Erfahrung.

Die Schulen ermöglichen und fördern die Fortbildung ihrer Lehrkräfte und Praxislehrkräfte in Theorie und Praxis. Sie wachen darüber, dass diese ihre Ausbildungstätigkeit laufend den fachspezifischen und methodisch-didaktischen Entwicklungen anpassen.


2. Abschnitt: Diplomprüfungsverfahren

Diplomreglement
Art. 10 Jede Schule verfügt über ein Diplomreglement, das vom Kanton erlassen oder genehmigt ist. Dieses regelt die spezifischen Bedingungen zur Diplomierung, enthält Bestimmungen zur Ernennung und zu den Aufgaben der Experten und Expertinnen und nennt die Rechtsmittel.

Diplomierung
Art. 11 Die Diplomierung erfolgt auf Grund der Bewertung folgender Elemente:

a) Leistungen während der Ausbildung,

b) Diplomarbeit,

c) Diplomprüfung.

Die Diplomarbeit bezieht sich auf ein Thema der Sozialen Arbeit. Sie ist in einer definierten Zeit unter der Begleitung einer oder mehrerer Lehrkräfte durchzuführen.

Im Rahmen der Diplomprüfung werden die theoretischen Kenntnisse und die berufsbezogenen Kompetenzen geprüft.

Die Prüfungen werden in der Regel von den Lehrkräften der Schule und externen Experten und Expertinnen abgenommen.

Diplom
Art. 12 Das Diplom enthält:

a) die Bezeichnung der Schule und deren Sitzkanton,

b) die persönlichen Angaben des oder der Diplomierten,

c) den Vermerk «Diplom in Sozialer Arbeit», mit der Angabe der absolvierten Studienrichtung oder des Studienschwerpunkts und der entsprechenden Berufsbezeichnung,

d) die Unterschrift der Schulleitung und der zuständigen Aufsichtsbehörde,

e) den Ort und das Datum.

Das anerkannte Diplom trägt zusätzlich den Vermerk «Das Diplom ist schweizerisch anerkannt (Beschluss der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz vom …)».

Titel
Art. 13 Der Inhaber oder die Inhaberin eines anerkannten Diploms ist berechtigt, je nach absolvierter Studienrichtung oder je nach Studienschwerpunkt einen der folgenden Berufstitel zu tragen:

a) «dipl. Sozialarbeiter HFS», «dipl. Sozialarbeiterin HFS»,

b) «dipl. Sozialpädagoge HFS»*, «dipl. Sozialpädagogin HFS»*,

c) «dipl. sozio-kultureller Animator HFS», «dipl. sozio-kulturelle Animatorin HFS».


3. Kapitel: Anerkennungsverfahren

Anerkennungskommission
Art. 14 Die Begutachtung der Gesuche um Anerkennung und die periodische Überprüfung des Verzeichnisses der Diplome (Art. 18) sowie die Beratung weiterer Fragen im Zusammenhang mit der Ausbildung in Sozialer Arbeit in der Schweiz ist Aufgabe einer Anerkennungskommission. Sie koordiniert ihre Arbeit mit der Eidgenössischen Fachkommission für die Höheren Fachschulen im Sozialbereich.


* In der französischen Schweiz sind zwei weitere Berufsbezeichnungen neben dem Sozialpädagogen oder der Sozialpädagogin üblich, und zwar «maître ou maîtresse socio-professionnels» und «éducateur ou éducatrice de la petite enfance». Die französische Version dieses Reglementes enthält zusätzlich diese beiden Berufsbezeichnungen.
Die Kommission besteht aus höchstens sieben Mitgliedern. Die Sprachregionen der Schweiz müssen angemessen vertreten sein.

Der Vorstand der EDK ernennt die Mitglieder der Anerkennungskommission und regelt deren Vorsitz. Die Konferenz der kantonalen Fürsorgedirektoren und die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der höheren Fachschulen für Soziale Arbeit haben Vorschlagsrecht für ihre Vertreter und Vertreterinnen.

Das Sekretariat der EDK amtet als Geschäftsstelle der Anerkennungskommission.

Anerkennungsgesuch
Art. 15 Das Anerkennungsgesuch wird vom Kanton an die EDK gerichtet. Dem Gesuch sind alle zur Überprüfung nötigen Unterlagen beizulegen.

Die Anerkennungskommission prüft das Gesuch und stellt der EDK den Antrag.

Sie kann dem Unterricht und den Prüfungen beiwohnen und ergänzende Unterlagen anfordern.

Entscheid
Art. 16 Der Entscheid über die Anerkennung, deren Ablehnung und eine allfällige Aberkennung obliegt dem Vorstand der EDK.

Wird die Anerkennung abgelehnt oder aberkannt, sind im Entscheid die Gründe dafür darzulegen. Ausserdem sind jene Massnahmen festzuhalten, die zu einer späteren Anerkennung führen könnten.

Geltungszeitpunkt der Anerkennung
Art. 17 Die Anerkennungskommission stellt den Zeitpunkt fest, ab welchem die Anerkennung ihre Wirkung entfaltet.

Verzeichnis
Art. 18 Die EDK führt ein Verzeichnis der anerkannten Diplome.

Erfüllt ein Diplom die Mindestanforderungen des Reglementes nicht mehr, gewährt der Vorstand der EDK dem Kanton eine angemessene Frist zur Behebung der Mängel. Die Trägerschaft der betreffenden Schule wird darüber orientiert.


4. Kapitel: Anerkennung von ausländischen Diplomen

Art. 19 Die EDK kann ausländische Diplome nach den Grundsätzen dieses Reglementes und unter Berücksichtigung von internationalem Recht anerkennen.

Sie kann dafür Anpassungslehrgänge, Eignungsprüfungen oder eine zusätzliche Berufserfahrung vorschreiben.

Für das Verfahren gilt sinngemäss das 3. Kapitel dieses Reglementes. Die EDK holt die Stellungnahme der betreffenden Schul- und Berufsverbände ein.

Der Vorstand der EDK kann einzelne Kompetenzen an die Anerkennungskommission oder an deren Geschäftsstelle delegieren.


5. Kapitel: Rechtsmittel

Art. 20 Gegen Entscheide der Anerkennungsbehörde stehen als Rechtsmittel die staatsrechtliche Klage bzw. die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht zur Verfügung (Art. 10 Diplomvereinbarung).


6. Kapitel: Schlussbestimmungen

Übergangsbestimmungen
Art. 21 Kantonal anerkannte Diplome, die vor der Erteilung der Anerkennung im Sinne dieses Reglementes ausgestellt wurden, gelten nach der Anerkennung der ersten Diplome in Sozialer Arbeit gemäss diesem Reglement ebenfalls als anerkannt.

Die Inhaber und die Inhaberinnen von Diplomen gemäss Absatz 1 sind berechtigt, je nach Studienrichtung oder Studienschwerpunkt den entsprechenden in Artikel 13 bezeichneten Titel zu führen.

Die Geschäftsstelle der Anerkennungskommission stellt auf Verlangen eine Bescheinigung über die Anerkennung aus.

Inkrafttreten
Art. 22 Dieses Reglement tritt am 1. Juli 1997 in Kraft.

Es ist auf alle Kantone anwendbar, die der Diplomvereinbarung beigetreten sind.

Bern, 6. Juni 1997

Der Präsident: Der Sekretär:
Schmid Arnet