Stipendienverordnung
(vom 10. Januar 1996) FN1

Der Regierungsrat,

gestützt auf §§ 243 und 244 des Unterrichtsgesetzes vom 23. Dezember 1859 FN2 und auf § 33 des EG zum Berufsbildungsgesetz vom 21. Juni 1987 FN3,

beschliesst:

I. Allgemeines

Grundsatz
§ 1. Der Kanton unterstützt im Rahmen dieser Verordnung in Ausbildung stehende Personen mit Beiträgen, sofern ihre eigenen Mittel und diejenigen ihrer nächsten Angehörigen oder anderer Leistungspflichtiger nicht ausreichen.

Die Beiträge werden in der Regel als Stipendien ausgerichtet.

In besonderen Fällen können an Stelle oder zur Ergänzung von Stipendien Darlehen ausgerichtet werden.

Stipendien und Darlehen
§ 2. Stipendien sind Beiträge ohne Rückzahlungsverpflichtung.

Die Empfängerinnen und Empfänger von Stipendien werden jedoch darauf hingewiesen, dass von ihnen eine gänzliche oder teilweise Rückerstattung erwartet wird, wenn sie sich später in guten finanziellen Verhältnissen befinden.

Darlehen sind zu verzinsen und ratenweise innert zehn Jahren zurückzuzahlen, sobald die unterstützte Ausbildung beendet oder abgebrochen wird.

Bei finanzieller Notlage oder aus anderen wichtigen Gründen kann die Rückzahlung aufgeschoben oder die Schuld ausnahmsweise erlassen werden.

Das Reglement FN4 bestimmt den Zinssatz sowie die weiteren Einzelheiten über Ausrichtung und Rückzahlung von Darlehen.

II. Voraussetzungen

Persönliche Voraussetzungen
§ 3. Unterstützt werden Personen, welche

a) für die vorgesehene Ausbildung befähigt sind,

b) das Schweizer Bürgerrecht oder die Niederlassungsbewilligung besitzen oder vom Bund als Flüchtlinge anerkannt sind und

c) ihren stipendienrechtlichen Wohnsitz im Kanton Zürich haben.

Auslandschweizerinnen und -schweizer mit zürcherischem Bürgerrecht können unterstützt werden, wenn ihre Eltern ins Ausland gezogen sind; erfolgte die Auswanderung in einer früheren Generation, können Beiträge nur für Ausbildungen in der Schweiz gewährt werden.

Bewerberinnen und Bewerber, die während der unterstützten Ausbildung ihren stipendienrechtlichen Wohnsitz im Kanton Zürich wegen Wohnsitzwechsels ihrer Eltern verlieren, können in Härtefällen weiter unterstützt werden.

Stipendienrechtlicher Wohnsitz
§ 4. Der stipendienrechtliche Wohnsitz befindet sich am zivilrechtlichen Wohnsitz der Eltern oder des Elternteils, der zuletzt die elterliche Gewalt innehatte, oder am Sitz der zuletzt zuständigen Vormundschaftsbehörde.

Mündige Personen mit abgeschlossener Erstausbildung begründen stipendienrechtlichen Wohnsitz im Kanton Zürich, wenn sie

a) danach während zwei Jahren ununterbrochen im Kanton Zürich zivilrechtlichen Wohnsitz hatten,

b) dabei aufgrund eigener Erwerbstätigkeit finanziell unabhängig waren und

c) mit Ausnahme berufsbegleitender Weiterbildungen nicht in Ausbildung standen.

Wird ein stipendienrechtlicher Wohnsitz in einem andern Kanton begründet, fällt ein früherer stipendienrechtlicher Wohnsitz im Kanton Zürich dahin.

Von der Schweiz anerkannte Flüchtlinge und Staatenlose, deren Eltern im Ausland wohnen, haben stipendienrechtlichen Wohnsitz im Kanton Zürich, wenn sie im Zeitpunkt der Anerkennung dem Kanton Zürich zugewiesen waren. Vorbehalten bleiben Abs. 2 und 3.

Unterstützte Ausbildungen
§ 5. Unterstützt werden schulische und berufliche Ausbildungen, die zu einem vom Bund, vom Kanton oder von der kantonalen Stipendienbehörde anerkannten Studien- oder Berufsabschluss führen sowie notwendige Vor- und Weiterbildungskurse.

Unterstützt wird in erster Linie der Besuch von kantonalzürcherischen und diesen stipendienrechtlich gleichgestellten Ausbildungsstätten oder die Absolvierung einer Berufslehre im Kanton Zürich.

Der Besuch weiterer Ausbildungsstätten oder Lehrgänge wird unterstützt, wenn ein entsprechendes öffentliches Angebot im Kanton Zürich fehlt oder wenn andere Gründe für deren Wahl vorliegen und der Ausbildungsgang stipendienrechtlich anerkannt ist. Sind die Gründe für die Wahl einer solchen Ausbildungsstätte nicht zwingend, wird bei der Bemessung der Beiträge von der kostengünstigeren Lösung ausgegangen.

Für die Weiterbildung im Ausland wird in der Regel zudem eine in der Schweiz abgeschlossene Grundausbildung im entsprechenden Bereich verlangt.

Stipendienrechtliche Anerkennung
§ 6. Eine Ausbildungsstätte und einzelne Ausbildungsgänge können stipendienrechtlich anerkannt werden, wenn das Aufnahmeverfahren, der Lehrplan, die Qualifikation der Lehrkräfte sowie die Art des Abschlusses Gewähr für eine zweckmässige Ausbildung bieten.

Die stipendienrechtliche Anerkennung kann entzogen werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.

Dauer der Unterstützung
§ 7. Mittelschulausbildungen werden ab dem Übertritt aus der Volksschule, die übrigen Ausbildungen nach erfüllter Schulpflicht während der ordentlichen Dauer der Ausbildung unterstützt.

Eine Verlängerung der Ausbildungsdauer aus wichtigen Gründen wird angemessen berücksichtigt.

Verweigerung von Beiträgen
§ 8. Beiträge werden in der Regel verweigert, wenn

a) die Eignung für die gewählte Ausbildung in Frage gestellt ist;

b) neben der Ausbildung eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit zumutbar ist (berufsbegleitende Ausbildung);

c) die Ausbildung nicht bis zum 40. Altersjahr abgeschlossen werden kann; ausnahmsweise kann aus sozialen, arbeitsmarktlichen oder weiteren besonderen Gründen eine über das 40. Altersjahr hinausgehende Ausbildung unterstützt werden, wobei der Ausbildungsstand und die Dauer der gewünschten Ausbildung zu berücksichtigen sind;

d) der Ausbildungsstand, die bisherige Ausbildungsdauer oder ein Wechsel der Ausbildung eine Unterstützung nicht rechtfertigen;

e) eine Zweitausbildung oder eine Weiterbildung aus arbeitsmarktlichen Gründen gewählt wird und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt dadurch offensichtlich nicht erhöht werden.

III. Bemessung der Beiträge

Grundsatz
§ 9. Die Höhe der Beiträge richtet sich nach den anerkannten Unterhalts- und Ausbildungskosten und den zumutbaren Leistungen der in Ausbildung stehenden Person, ihrer nächsten Angehörigen sowie nach den Leistungen Dritter.

Als nächste Angehörige gelten Eltern, Stiefeltern und Ehepartner der Bewerberin oder des Bewerbers.

Die Einzelheiten der Bemessung bestimmt das Reglement.

Beiträge von Angehörigen
§ 10. Beiträge der nächsten Angehörigen werden als zumutbar betrachtet, wenn ihre Einkünfte die eigenen Unterhaltskosten und jene der Kinder, zu deren Unterhalt sie verpflichtet sind, übersteigen. Das Vermögen wird dabei berücksichtigt.

Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eltern und Stiefeltern wird nur teilweise berücksichtigt, wenn die Bewerberin oder der Bewerber nach Abschluss einer Erstausbildung

a) entweder das 25. Altersjahr zurückgelegt hat

b) oder während mindestens zwei Jahren durch eigene Erwerbstätigkeit finanziell unabhängig war, ohne gleichzeitig in einer Ausbildung zu stehen. Davon ausgenommen sind berufsbegleitende Weiterbildungen.

Das Reglement FN4 kann weitere Fälle vorsehen, in denen die Leistungsfähigkeit der Eltern nur teilweise berücksichtigt wird.

Einkünfte der Bewerberin oder des Bewerbers
§ 11. Arbeitet eine Bewerberin oder ein Bewerber neben der Ausbildung oder ist eine teilweise Erwerbstätigkeit zumutbar, werden die dabei erzielten oder erzielbaren Einkünfte angemessen berücksichtigt.

Ansprüche auf Leistungen Dritter gehen den Ausbildungsbeiträgen vor. Freiwillige Leistungen Dritter werden angemessen berücksichtigt.

Höchstbeiträge
§ 12. Personen, die zu Beginn einer Bemessungsperiode unmündig sind, werden Beiträge von höchstens Fr. 16 000, Mündigen ohne Unterhaltspflichten höchstens Fr. 30 000, Mündigen mit Unterhaltspflichten höchstens Fr. 40 000 pro Jahr ausgerichtet.

Als Darlehen werden pro Person insgesamt höchstens Fr. 100 000 ausgerichtet.

Die Erziehungsdirektion ist ermächtigt, die Höchstgrenzen der Teuerung anzupassen.

IV. Rückforderung

Fehlen oder Wegfall der Anspruchsberechtigung
§ 13. Bestand nie ein Anspruch auf Beiträge oder ist er nachträglich weggefallen, sind die entsprechenden Beiträge unverzüglich zurückzuerstatten, wobei in der Regel ein Zins erhoben wird.

Bei Abbruch der Ausbildung sind vorschüssig ausgerichtete Beiträge zurückzuerstatten.

Die Rückerstattung kann aufgeschoben oder ausnahmsweise erlassen werden, wenn sie für die Betroffenen unzumutbar ist.

Unvollständige und unwahre Angaben
§ 14. Unter schuldhafter Verletzung der Mitwirkungspflicht, insbesondere durch unwahre oder unvollständige Angaben, erwirkte oder missbräuchlich verwendete Beiträge sind unverzüglich mit Zins zurückzuerstatten.

Die Verweigerung weiterer Beiträge sowie die strafrechtliche Verfolgung bleiben vorbehalten.

Beitragsbegünstigte, die inzwischen volljährig geworden sind, haften mit den ursprünglichen Gesuchstellern solidarisch.

Verjährung
§ 15. Der Anspruch auf Rückforderung verjährt mit Ablauf von fünf Jahren seit Beendigung oder Abbruch der Ausbildung.

Für die Unterbrechung der Verjährung gelten Art. 135-138 OR FN5 sinngemäss.

V. Behörden und Verfahren

Gesuche und Informationen
§ 16. Gesuche um Ausbildungsbeiträge sind bei der Stipendienstelle der Erziehungsdirektion einzureichen.

St.ipendienstelle, Berufsberatungsstellen und Rektorate der kantonalen Schulen informieren über die kantonalen Ausbildungsbeiträge.

Nachweis- und Mitwirkungspflicht
§ 17. Die gesuchstellenden Personen sind verpflichtet, sämtliche für die Gewährung von Ausbildungsbeiträgen erheblichen Umstände wahrheitsgetreu mitzuteilen und die benötigten Belege zur Verfügung zu stellen.

Ein Abbruch oder vorzeitiger Abschluss der Ausbildung sowie Änderungen in den massgebenden persönlichen und finanziellen Verhältnissen sind unaufgefordert und unverzüglich zu melden.

Im Unterlassungsfall können Beiträge verweigert und bereits ausgerichtete Beiträge zurückgefordert werden.

§ 18. Der Regierungsrat wählt auf eine Amtsdauer von vier Jahren die Kantonale Stipendienkommission mit höchstens neun Mitgliedern, eingeschlossen ein Mitglied des Erziehungs- oder des Berufsbildungsrates als Präsidentin oder Präsident sowie ein in Ausbildung stehendes Mitglied.

Stipendienkommission
Bei der Wahl der übrigen Mitglieder sind die verschiedenen Ausbildungsbereiche angemessen zu berücksichtigen.

Die Stipendienkommission entscheidet auf Antrag der Stipendienstelle über die Ausrichtung und Rückforderung von Ausbildungsbeiträgen sowie über die stipendienrechtliche Anerkennung von auswärtigen und privaten Ausbildungsstätten und Ausbildungsgängen.

Rechtsmittel
§ 19. Gegen Entscheide der Stipendienkommission kann Einsprache erhoben werden.

Gegen Einspracheentscheide der Stipendienkommission kann beim Erziehungsrat Rekurs erhoben werden.

Reglement
§ 20. Der Erziehungsrat erlässt im Einvernehmen mit dem Berufsbildungsrat zum Vollzug dieser Verordnung ein Reglement.

VI. Schlussbestimmungen

Übergangsbestimmungen
§ 21. Hat die Bemessungsperiode vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung begonnen, bleibt bis zu deren Ende das alte Recht anwendbar.

Empfängerinnen und Empfänger von Beiträgen für den zweiten Bildungsweg, die nach den Bestimmungen dieser Verordnung ihre Beitragsberechtigung ganz oder teilweise verlieren, können bis zur Beendigung der begonnenen Ausbildung nach den Grundsätzen des alten Rechts unterstützt werden.

Inkraftsetzung
§ 22. Diese Verordnung tritt nach Genehmigung durch den Kantonsrat FN6 am 1. Juli 1996 in Kraft.

Die Studienbeitragsverordnung für die höheren Lehranstalten vom 10. Mai 1989 und die Stipendienverordnung für die Berufsbildung vom 10. Mai 1989 werden auf den gleichen Zeitpunkt aufgehoben.

__________
FN1 OS 53, 408.
FN2 410.1.
FN3 413.31.
FN4 416.11.
FN5 SR 220.
FN6 Genehmigt am 26. August 1996.