Statuten
der Zentralbibliothek Zürich (Öffentliche Stiftung)
(vom 21.Januar / 25.April 1914) FN1

I. Zweck der Stiftung

§ 1. Die Stiftung gewährt vorzugsweise den Einwohnern des Kantons Zürich die unentgeltliche Benutzung der durch Schrift und Druck erzeugten Hilfsmittel zu speziellen wissenschaftlichen Studien oder zur Erlangung allgemeinen sachlichen Aufschlusses irgendwelcher Art.

§ 2. Sie umfasst und sammelt unter besonderer Berücksichtigung einerseits der allgemeinen wissenschaftlichen Literatur und anderseits des orts- und landesgeschichtlichen Materials:

a) Druckschriften,

b) Handschriften,

c) Karten,

d) Porträte und Ansichten,

e) allfällige andere Gegenstände, welche zur Ergänzung von bereits bestehenden oder neu übernommenen Sammlungen der Bibliothek dienen oder für deren Pflege diese die nächste Stelle ist.

Auf dem Gebiet der allgemeinen wissenschaftlichen Literatur sind in erster Linie die an der zürcherischen Universität vertretenen Disziplinen zu berücksichtigen.

§ 3. Sie verzeichnet, soweit tunlich, in ihren Katalogen auch die Bestände anderer hiesiger öffentlicher, Amts-, Gesellschafts- und Anstaltsbibliotheken.

§ 4. Sie fördert durch Publikationen und Ausstellungen die Kenntnis des Inhalts ihrer Sammlungen und die von ihr gepflegten wissenschaftlichen Bestrebungen.

II. Stiftungsgut

§ 5. Das Stiftungsgut besteht aus:

a) der Bibliothek der kantonalen Lehranstalten, der Stadtbibliothek und den mit diesen Bibliotheken verbundenen übrigen Sammlungen des Kantons und der Stadt Zürich;

b) den für die Errichtung des Bibliotheksgebäudes gesammelten Beiträgen Privater;

c) den vom Kanton und von der Stadt Zürich an die Stiftung abgetretenen Immobilien und den für die Errichtung des Bibliotheksgebäudes bestimmten Mitteln;

d) dem Fonds der Stadtbibliothek und den beiden Fonds der Kantonsbibliothek sowie den Zuschüssen, die der Kanton leisten wird, um die von ihm herrührenden Fonds auf die Höhe desjenigen der Stadtbibliothek zu bringen;

e) weiteren Zuwendungen, die der Kanton oder die Stadt Zürich zu dem Zwecke machen, die jährlich nötigen Zuschüsse zu vermindern;

f) künftigen Geschenken oder Vermächtnissen, die von Privaten gegeben werden, um das Stiftungsgut zu vermehren;

g) den alljährlich aus der Betriebsrechnung zu entnehmenden Äu fnungsbeträgen.

Die unter lit. a-g aufgeführten Teile des Stiftungsgutes bilden das Stammgut, das nie angegriffen werden darf. Seine Zinsen fliessen der Betriebsrechnung zu, mit Vorbehalt von Bestimmungen, die an Schenkungen oder Vermächtnisse geknüpft sind.

Die Bestände der an die Stiftung übergehenden Bibliotheken und übrigen Sammlungen müssen hinsichtlich ihrer Herkunft aus den dazu gehörenden Inventaren und Katalogen stets nachweisbar sein. Allfällige Abgänge infolge von Tausch oder Doublettenverkauf sind auszuglei-

chen durch entsprechende Gutschriften zugunsten des betreffenden Inventars.

Die der Stadtbibliothek gehörenden, zurzeit noch von ihr verwalteten Münzsammlungen gehen ebenfalls an die Zentralbibliothek über und sind von dieser fortzuführen (§ 2) und der Benutzung für Studienund Forschungszwecke zugänglich zu machen. Sollte sich früher oder später die Gelegenheit bieten, diese Sammlungen an einem anderen, geeigneteren Ort in Zürich (in einem zu gründenden Museum) aufzustellen, so kann die Stadt Zürich sie zurückziehen. Bestände, die die Zentralbibliothek inzwischen erworben hat, gehen alsdann zum Ankaufspreis an die neue Sammlung über, solche, die sie geschenkt erhalten hat, ohne Entschädigung, jedoch mit der Verpflichtung, dass sie am neuen Ort in gleicher Weise zugänglich sein sollen. Die Zentralbibliothek ihrerseits hat in einem solchen Fall das Recht, zu verlangen, dass ihr die Sammlungen zu den genannten Bedingungen abgenommen werden.

§ 6. Das Stammgut wird dadurch geäu fnet, dass ihm alle Vermächtnisse und Schenkungen an die Zentralbibliothek zugewiesen werden, für die nicht ein anderer Zweck gesetzt ist.

§ 7. Durch Zuweisung von je einem Zwanzigstel der Einnahmen der Betriebsrechnung aus Zinsen und stiftungsgemässen Leistungen und durch allfällige Schenkungen (besondere Bestimmungen der Geber vorbehalten) wird ein Reservekapital gebildet und unterhalten. Seine Zinsen sind zum Kapital zu schlagen; dieses kann jedoch herangezogen werden zur Deckung:

a) ausserordentlicher Bedürfnisse (z. B. Ergänzung der Einrichtung und Vornahme kleinerer Bauten; Durchführung grösserer Verwaltungsaufgaben; Erwerbung ganzer Bibliotheken und grosser Werke, Ausfüllung grosser Lücken in den Beständen);

b) allfälliger Rückschläge der Betriebsrechnung.

Wenn die Bibliothekskommission in einem Jahre über mehr als die Hälfte des Reservekapitals verfügen will, bedarf sie der Zustimmung des Regierungsrates und des Stadtrates von Zürich.

§ 8. Im Falle der Aufhebung der Stiftung fallen die von Kanton und Stadt Zürich eingeworfenen Immobilien, Fonds und Gegenstände an die einwerfende Partei zurück. Die Stadt Zürich vergütet dem Kanton die Hälfte des Schätzungswertes des Bibliotheksgebäudes samt Ausrüstung. Das übrige Stiftungsvermögen wird hälftig unter die Parteien verteilt; es darf jedoch nur solchen Gütern zugewiesen werden, deren Bestimmung mit dem Stiftungszweck die grösste Verwandtschaft hat.

III. Betriebseinnahmen

§ 9. Die Einnahmen der Stiftung bestehen aus:

a) den Zinsen des Stiftungsgutes;

b) den vertraglich festgesetzten jährlichen Beiträgen des Kantons und der Stadt Zürich;

c) Beiträgen von Privaten und Gesellschaften;

d) allfällig weiteren Zuwendungen, Entschädigungen usw.

IV. Verwaltung

§ 10. Die Bibliothekskommission besteht aus fünf vom Regierungsrat und fünf vom Stadtrat Zürich gewählten Mitgliedern. Die Kommission konstituiert sich selbst.

Die Bibliothekskommission steht unter der Aufsicht des Regierungsrates und des Stadtrates von Zürich; sie hat diesen Behörden alljährlich Rechnung und Geschäftsbericht vorzulegen.

§ 11. Die Organisation der Verwaltung und des Betriebes der Zentralbibliothek wird durch eine von der Bibliothekskommission zu erlassende Bibliotheksordnung FN2 festgesetzt, die der Genehmigung des Regierungsrates und des Stadtrates von Zürich unterliegt.

V. Anschluss von Vereinigungen

§ 12. Vereine oder andere juristische Personen, die der Zentralbibliothek jährlich mindestens Fr. 2000 in Barschaft oder geeigneten Sammlungsgegenständen zuwenden, sind berechtigt, einen Abgeordneten in die Bibliothekskommission zu ernennen. Solche Abgeordnete haben beratende Stimme.

VI. Bestand der Stiftung

§ 13. Die Stiftung tritt ins Leben nach beidseitiger Genehmigung dieser Statuten sowie des zwischen dem Kanton und der Stadt Zürich abgeschlossenen Vertrages betreffend die Stiftung.

§ 14. Die Änderung der Statuten kann nur durch übereinstimmende Beschlüsse des Regierungsrates und des Stadtrates von Zürich stattfinden.

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FN1 OS 30, 88 und GS III, 528. Vom Stadtrat am 21. Januar 1914, vom Regierungsrat am 25. April 1914 genehmigt.
FN2 432.212.