Einführungsgesetz
zum Gleichstellungsgesetz

(vom 29. Oktober 2001)

Der Kantonsrat,

nach Einsichtnahme in den Antrag des Regierungsrates vom 17. Mai 2000,

beschliesst:

A. Zweck

§ 1. Dieses Gesetz regelt den Vollzug des Bundesgesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz), insbesondere das Schlichtungsverfahren.


B. Schlichtungsstelle

I. Zuständigkeit
§ 2. Als Schlichtungsstelle im Sinne von Art. 11 des Gleichstellungsgesetzes wird eine Paritätische Schlichtungsstelle für Streitigkeiten über Diskriminierungen im Erwerbsleben eingesetzt.

Die Schlichtungsstelle ist zuständig für Diskriminierungsstreitigkeiten aus

a) privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen, wenn im Kanton ein Gerichtsstand gegeben ist,

b) öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnissen des kantonalen und kommunalen Rechts.

II. Aufgaben
§ 3. Die Schlichtungsstelle berät die Parteien und versucht, eine Einigung herbeizuführen.

Bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen können die Parteien die Schlichtungsstelle im Rahmen ihrer Zuständigkeit als Schiedsgericht anrufen.

III. Organisation
1. Zusammensetzung, Amtadauer
§ 4. Die Schlichtungsstelle setzt sich zusammen aus der oder dem Vorsitzenden, der Stellvertretung und weiteren 16 Mitgliedern, und zwar gleich vielen Vertreterinnen und Vertretern der privaten oder öffentlichen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und deren Verbände sowie der Verbände der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Der oder dem Vorsitzenden obliegt die Geschäftsführung der Schlichtungsstelle.

Der Regierungsrat wählt die Mitglieder der Schlichtungsstelle auf eine Amtsdauer von vier Jahren. Die privaten und öffentlichen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und die Verbände unterbreiten dem Regierungsrat Wahlvorschläge. Sie achten dabei auf eine gleichmässige Vertretung von Frauen und Männern.

2. Aufsicht
§ 5. Die Schlichtungsstelle untersteht der administrativen Aufsicht der zuständigen Direktion des Regierungsrates. Die Schlichtungsstelle erstattet ihr jährlich Bericht über ihre Tätigkeit.

3. Besetzung
§ 6. Die Schlichtungsstelle wird für jede Verhandlung mit der oder dem Vorsitzenden oder der Stellvertretung sowie je einem Mitglied aus Kreisen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besetzt. Beide Geschlechter sind vertreten. Bei der Besetzung ist der rechtlichen Natur des Arbeitsverhältnisses Rechnung zu tragen.

IV. Verfahren
1. Freiwilligkeit
§ 7. Das Schlichtungsverfahren ist für die Parteien freiwillig.

2. Einleitung
§ 8. Das Begehren um Durchführung des Schlichtungsverfahrens kann bei der Schlichtungsstelle mündlich oder schriftlich angebracht werden.

Bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen ist die Schlichtungsstelle vor Einreichung der Klage beim Gericht anzurufen.

Bei öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnissen ist das Begehren spätestens innerhalb der Rechtsmittelfrist gegen die erstinstanzliche Verfügung anzubringen. Die Anrufung der Schlichtungsstelle unterbricht die Rechtsmittelfrist nicht. Zur Wahrung der Rechtsmittelfrist ist das Rechtsmittel bei der zuständigen Behörde anzumelden. Die Rechtsmitteleingabe muss weder Antrag noch Begründung enthalten. Wer von einer Diskriminierung betroffen ist, die nicht auf einer Verfügung beruht, kann die Schlichtungsstelle jederzeit anrufen.

3. Vorsorgliche Massnahmen
§ 9. Wird die Schlichtungsstelle bei öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnissen angerufen, bevor eine Verfügung ergangen ist, trifft die für den Erlass der Verfügung zuständige Behörde auf entsprechendes Begehren die nötigen vorsorglichen Massnahmen. Bei Kollegialbehörden ist in dringenden Fällen die oder der Vorsitzende hiezu ermächtigt.

4. Verhandlung
a) Mündlichkeit
§ 10. Die Verhandlungen sind mündlich. Die Parteien haben ungeachtet des Beizugs von Vertreterinnen und Vertretern persönlich zu erscheinen, für juristische Personen deren zuständige Organe und für öffentlichrechtliche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die zur Vertretung zuständige Person.

Zur Vorbereitung der Schlichtungsverhandlung kann ein Schriftenwechsel angeordnet werden.

b) Durchführung
§ 11. Die Parteien erhalten Gelegenheit, ihren Standpunkt zu begründen.

c) Sachverhaltsfeststellung, Beweismittel
§ 12. Die Schlichtungsstelle würdigt die eingereichten Urkunden und kann die Parteien und die von diesen bezeichneten Personen befragen, schriftliche Auskünfte einholen und einen Augenschein durchführen. Weitere Beweismittel sind nicht zulässig.

Die Parteien legen die für die Behandlung des Streitfalles notwendigen Unterlagen vor.

Soweit dies zum Beweis der Diskriminierung oder Nichtdiskriminierung geeignet und erforderlich ist, dürfen im Schlichtungsverfahren Personendaten von nicht am Verfahren beteiligten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bekannt gegeben werden.

d) Protokoll
§ 13. Das Protokoll der Verhandlung gibt Aufschluss über:

a) Datum der Verhandlung,

b) Besetzung der Schlichtungsstelle,

c) Parteien,

d) Datum des Begehrens um Durchführung des Verfahrens,

e) Anträge der Parteien,

f) Ergebnis der Verhandlung.

Die oder der Vorsitzende kann das Protokoll selbst führen oder unter ihrer oder seiner Aufsicht durch eine Hilfsperson führen lassen.

5. Abschluss des Verfahrens
a) Einigung
§ 14. Bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen gilt die Einigung als gerichtlicher Vergleich. Dies gilt auch für Nebenpunkte, die keine Diskriminierungstatbestände darstellen.

Bei öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnissen erlässt die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber, soweit notwendig, eine entsprechende Verfügung.

b) Nichteinigung
§ 15. Kommt keine Einigung zu Stande, stellt dies die Schlichtungsstelle fest.

Macht die klagende Partei den Rechtsstreit bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen nicht innerhalb von drei Monaten nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens beim Gericht rechtshängig, gilt die Klage als einstweilen zurückgezogen.

Beruht bei öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnissen die Streitsache auf einer Verfügung, setzt die Rechtsmittelinstanz Frist an, um die Anträge zu stellen und diese zu begründen. In den anderen Fällen ist die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber verpflichtet, auf entsprechendes Begehren eine anfechtbare Verfügung zu erlassen.

c) Ohne Verhandlung (Säumnisfolgen)
§ 16. Bleibt die klagende Partei der Schlichtungsverhandlung ohne genügende Entschuldigung fern, gilt das Begehren um Durchführung des Schlichtungsverfahrens als einstweilen zurückgezogen.

Die Schlichtungsstelle stellt die Nichteinigung fest, wenn die beklagte Partei

a) ohne genügende Entschuldigung der Verhandlung fernbleibt,

b) der Schlichtungsstelle vorgängig schriftlich mitteilt, dass sie sich nicht auf das Verfahren einlässt. Diesfalls kann die Feststellung durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden erfolgen.

d) Rückzug
§ 17. Bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen kommt dem Rückzug des Begehrens im Schlichtungsverfahren keine materielle Rechtskraft zu.

e) Mitteilung
§ 18. Die Schlichtungsstelle teilt das Ergebnis der Verhandlung den Parteien und im Falle eines hängigen Rechtsmittelverfahrens der Rechtsmittelinstanz unverzüglich schriftlich mit. Es wird auf allfällige Verwirkungsfristen und Rechtsmittel hingewiesen.

6. Verfahrenskosten und Parteientschädigung
§ 19. Das Schlichtungsverfahren ist kostenlos. Bei mutwilliger Verfahrensführung kann die fehlbare Partei zur Leistung einer Entschädigung an die Gegenpartei verpflichtet werden.

7. Gerichtsferien
§ 20. In den Gerichtsferien können Verhandlungen stattfinden; Fristen stehen nicht still.

8. Ergänzende Bestimmungen
§ 21. Im Übrigen gelten für das Verfahren bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung und bei öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnissen die Bestimmungen des VRG sinngemäss.


C. Änderung bisherigen Rechts

§ 22. Die nachstehenden Gesetze werden wie folgt geändert:

a) Das Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 24. Mai 1959:

V. Mitteilung und Rechtsmittelbelehrung
1. Grundsätze
§ 10. Die Erledigung einer Angelegenheit soll schriftlich mitgeteilt werden:

lit. a–c unverändert;

d) der Schlichtungsstelle im Sinne des Gleichstellungsgesetzes, wenn eine Schlichtungsverhandlung durchgeführt wurde.

Abs. 2 und 3 unverändert.

3. Form und Mitteilung des Entscheides
§ 65. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts ist den am Verfahren Beteiligten und dem Regierungsrat schriftlich und begründet mitzuteilen. Der Entscheid wird zudem der Schlichtungsstelle im Sinne des Gleichstellungsgesetzes mitgeteilt, wenn eine Schlichtungsverhandlung durchgeführt wurde.

Abs. 2 unverändert.

b) Das Gerichtsverfassungsgesetz vom 13. Juni 1976:

Zuständigkeit
§ 13. Das Arbeitsgericht entscheidet Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zwischen Verleiher und Arbeitnehmer, Streitigkeiten aus dem Vermittlungsverhältnis zwischen Vermittler und Stellensuchendem sowie Klagen von Organisationen gemäss Art. 7 des Gleichstellungsgesetzes. Ausgenommen sind Streitigkeiten zwischen dem Personal des Bundes, des Kantons und der Gemeinden und seinen Arbeitgebern.

Abs. 2 bis 4 unverändert.

b) als Zivilgericht
§ 43. Das Obergericht entscheidet als Zivilgericht über die nach dem Gesetz zulässigen Berufungen, Rekurse und Nichtigkeitsbeschwerden gegen Entscheide der Arbeitsgerichte, der Mietgerichte, der Bezirksgerichte und der Schiedsgerichte sowie gegen Entscheide der Einzelrichter am Bezirksgericht, am Mietgericht und am Arbeitsgericht. Es entscheidet ferner über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Erledigungsentscheide der Schlichtungsstelle im Sinne des Gleichstellungsgesetzes, sofern die Streitigkeit ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis betrifft.

Abs. 2 und 3 unverändert.

Zivilentscheide
§ 185. Endentscheide und dem Rekurs unterliegende Zwischenentscheide in Zivilsachen werden den Parteien und unteren Instanzen auch nach mündlicher Eröffnung schriftlich mitgeteilt, im Erkenntnisverfahren vor Friedensrichter jedoch nur auf Verlangen. Endentscheide werden zudem der Schlichtungsstelle im Sinne des Gleichstellungsgesetzes mitgeteilt, wenn eine Schlichtungsverhandlung durchgeführt wurde.

c) Das Anwaltsgesetz vom 3. Juli 1938:

§ 1. Abs. 1 unverändert.

Im einfachen und raschen Verfahren gemäss Art. 343 OR sind die Angestellten der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, denen die Parteien angehören, auch ohne Fähigkeitszeugnis oder Bewilligung im Sinne von § 3 in ihrer beruflichen Eigenschaft zur Vertretung berechtigt. Dies gilt in Streitigkeiten nach Gleichstellungsgesetz auch für Angestellte von Organisationen gemäss Art. 7 des Gleichstellungsgesetzes.

d) Die Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976:

§ 32 wird aufgehoben.

Förderung der Prozesserledigung; einfaches und rasches Verfahren
§ 53. Abs. 1 unverändert.

Dem einfachen und raschen Verfahren unterstehen:

Ziffern 1 und 2 unverändert;

3. Arbeitsstreitigkeiten und Streitigkeiten aus der Arbeitsvermittlung und dem Personalverleih (Art. 10 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 AVG) bis zu einem Streitwert von Fr. 20 000 sowie Streitigkeiten nach Gleichstellungsgesetz;

Ziffern 4 bis 6 unverändert.

Abs. 3 unverändert.

c) beim Miet- und Arbeitsgericht; in Streitigkeiten nach Gleichstellungsgesetz
§ 105. Ohne Sühnverfahren wird die Klage mündlich oder schriftlich rechtshängig gemacht

Ziffern 1 und 2 unverändert;

3. beim Einzelrichter und beim Bezirksgericht in Streitigkeiten nach Gleichstellungsgesetz einschliesslich Nebenpunkten, die keine Diskriminierungstatbestände darstellen, sofern die Klage innerhalb von drei Monaten nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens eingereicht wird.


D. Referendum

§ 23. Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

Im Namen des Kantonsrates

Der Präsident: Der Sekretär:
Martin Bornhauser Hans Peter Frei



Der Kantonsrat,

gestützt auf § 45 des Wahlgesetzes vom 4. September 1983 und nach Kenntnisnahme des Berichts der Geschäftsleitung vom 10. Januar 2002,

stellt fest:

Die Referendumsfrist für das am 29. Oktober 2001 beschlossene Einführungsgesetz zum Gleichstellungsgesetz ist am 8. Januar 2002 unbenützt abgelaufen.

Zürich, 10. Januar 2002

Im Namen des Kantonsrates

Der Präsident: Der Sekretär:
Martin Bornhauser Hans Peter Frei