Verordnung
betreffend Archivierung von Verfahrensakten

(Archivverordnung der obersten Gerichte)
(vom 16. März 2001)

Der Plenarausschuss der Gerichte,

gestützt auf §§ 17 und 18 des Archivgesetzes vom 24. September 1995,

verordnet:

I. Geltungsbereich

§ 1. Diese Verordnung regelt die Archivierung der Akten der obersten Gerichte, der dem Obergericht angegliederten Gerichte und Kommissionen, der Bezirksgerichte, der Arbeitsgerichte, der Mietgerichte, der Schlichtungsbehörden in Miet- und Pachtsachen, der Friedensrichterämter, der Schätzungskommissionen in Abtretungsstreitigkeiten und, soweit anwendbar, der Schiedsgerichte mit Sitz im Kanton Zürich.

Die Archivierung der Akten der Gemeindeammann- und Betreibungsämter und der Notariate richtet sich nach den entsprechenden besonderen Verordnungen des Obergerichts.


II. Allgemeine Bestimmungen

§ 2. Das Archiv ist dazu bestimmt, nach Verfahrensabschluss die weitere Benützung der Akten und der Spruchbücher durch Verfahrensbeteiligte und Amtsstellen sowie Dritte zu gewährleisten und eine dauerhafte dokumentarische Überlieferung nach Massgabe des Archivgesetzes sicherzustellen.

§ 3. Akten sind schriftliche, elektronische und andere Aufzeichnungen im Sinn von § 3 des Archivgesetzes, die in einem Verfahren vor den in § 1 genannten Instanzen entgegengenommen, beigezogen oder erstellt worden sind, sowie Objekte im Sinne von § 168 GVG.

§ 4. Die Spruchbücher enthalten die prozesserledigenden Entscheide der Gerichte.

§ 5. Jede in § 1 Abs. 1 erwähnte Instanz sorgt für eine zweckdienliche Aufbewahrung ihrer Akten und Spruchbücher.

§ 6. Die dem Obergericht angegliederten Gerichte und Kommissionen können die Akten und die Spruchbücher zur Aufbewahrung dem Obergericht übergeben.

Das Obergerichtsarchiv übernimmt ferner die Aufbewahrung der ihm zu diesem Zweck übergebenen Akten von Schiedsgerichten mit Sitz im Kanton Zürich.

§ 7. Die Akten der Arbeitsgerichte, der Mietgerichte und der Schlichtungsbehörden in Miet- und Pachtsachen werden im entsprechenden Bezirksgerichtsarchiv aufbewahrt.

§ 8. Die Friedensrichterämter liefern ihre Akten jeweils drei Jahre nach der Geschäftserledigung zur weiteren Aufbewahrung dem entsprechenden Bezirksgerichtsarchiv ab.

§ 9. Die Akten der Schätzungskommissionen in Abtretungsstreitigkeiten werden sowohl in den weitergezogenen als auch in den übrigen Fällen von den Statthalterämtern aufbewahrt.

§ 10. Verantwortlich für die ordnungsgemässe Aufbewahrung und Verwaltung der Akten in den Gerichtsarchiven sowie für die Ablieferung und Vernichtung sind bei den obersten Gerichten die Generalsekretäre bzw. die Generalsekretärinnen, bei den Bezirksgerichten die Bezirksgerichtsschreiber bzw. die Bezirksgerichtsschreiberinnen. Wo ein Archivar bzw. eine Archivarin bestellt ist, trägt dieser bzw. diese die Verantwortung.

§ 11. Für die sichere Aufbewahrung bzw. Vernichtung persönlicher Unterlagen wie Verfügungsentwürfe, Handnotizen usw. sind die Verfasser bzw. die Verfasserinnen verantwortlich.

§ 12. Für Akten in den Gerichtsarchiven und im Staatsarchiv gelten Amtsgeheimnis und Datenschutz während einer Schutzfrist von dreissig Jahren von ihrer Archivierung an gerechnet. Für Akten mit Personendaten beträgt diese Schutzfrist dreissig Jahre seit dem Tod der Betroffenen und, falls der Tod ungewiss ist, hundert Jahre seit ihrer Geburt. Sind weder Todes- noch Geburtsdatum einer Person feststellbar, endet die Schutzfrist achtzig Jahre nach der Anlage.


III. Grundsätze der Archivierung

§ 13. Die archivierten Akten sind in verschliessbaren Räumen aufzubewahren und vor schädlichen Einwirkungen (Feuer, Staub, Feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung usw.) zu schützen.

§ 14. Die Archivakten sind nach Gerichtsstelle, Verfahrensart und Erledigungsdatum oder nach Archivnummern zu ordnen. Die Verbindung von Archiv- und Prozessnummer ist durch die elektronische Geschäftsverwaltung sicherzustellen. Die entsprechenden Listen sind mindestens einmal im Jahr auszudrucken und gesamthaft aufzubewahren.

§ 15. Die Behältnisse (Schränke, Schachteln, Mappen, gebundene Spruchbücher) sind aussen gut lesbar zu beschriften.


IV. Einsicht in nicht beim Staatsarchiv archivierte Akten

§ 16. Bei Gesuchen von Verfahrensbeteiligten um Aktenherausgabe und Akteneinsicht ist die Berechtigung der Gesuchstellenden zu prüfen.

§ 17. Die Einsichtnahme durch Dritte, die Überlassung von Akten und die Erteilung von Auskünften an Dritte, einschliesslich Gerichtsberichterstatter, richtet sich nach der Verordnung über die Information über Gerichtsverfahren und die Akteneinsicht bei Gerichten durch Dritte.

Zuständig zum Entscheid über Gesuche um Einsicht in die Akten und über die Art der Erledigung ist der Gerichtspräsident bzw. die Gerichtspräsidentin des aufbewahrenden Gerichts, soweit die einzelnen Gerichte für ihren Bereich nicht ausdrücklich abweichende Regelungen vorsehen.

§ 18. Die dem Obergerichtsarchiv übergebenen Akten der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte dürfen aussenstehenden Personen, einschliesslich Gerichts- und Amtsstellen, nur auf Grund eines schriftlichen Beschlusses der Kommission selbst zugänglich gemacht werden.

§ 19. Bei der Aktenherausgabe ist nach folgenden Richtlinien vorzugehen:

a) Ausgehende Akten sind unter deutlichem Hinweis auf die Ausgabestelle als Archivakten zu kennzeichnen,

b) über Aus- und Wiedereingang der Akten ist eine schriftliche Kontrolle zu führen,

c) bei jeder Aktenherausgabe ist eine Empfangsbescheinigung zu verlangen, aus der Ausgabedatum, Zweck und voraussichtliche Dauer des Gebrauchs ersichtlich sind,

d) an die Stelle der herausgegebenen Akten ist ein Doppel der Empfangsbescheinigung zu legen.


V. Beginn und Dauer der Archivierung

§ 20. Die Archivierung erfolgt in der Regel nach Abschluss des Verfahrens. Aus zureichendem Grund, insbesondere wenn die Akten in einem weiteren, noch hängigen Verfahren beigezogen werden, erfolgt die Archivierung erst im Zeitpunkt des Abschlusses dieses weiteren Verfahrens. Als abgeschlossen gilt ein Verfahren nach Ablauf der Fristen für die Erhebung ordentlicher und ausserordentlicher Rechtsmittel (ohne Revision, nachträgliche Nichtigkeitsbeschwerde).

§ 21. Die Akten sind fünfzehn Jahre in den Gerichtsarchiven aufzubewahren, soweit die nachstehenden Bestimmungen oder übergeordnetes Recht nicht eine andere Regelung vorschreiben.

Die Akten von Straf- und Scheidungsverfahren sowie Verlustscheine sind zwanzig Jahre aufzubewahren.

Die Spruchbücher sind fünfzig Jahre aufzubewahren, ebenso die Akten des Einzelrichters bzw. der Einzelrichterin in Erbschaftssachen.


VI. Ablieferung an das Staatsarchiv, Schutzfrist und Vernichtung
der Akten


§ 22. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind die Akten dem Staatsarchiv zur weiteren Aufbewahrung anzubieten.

Das Staatsarchiv legt in Absprache mit den zur Ablieferung verpflichteten Stellen fest, welche Akten abzuliefern sind und welche nach Ablauf der festgelegten Aufbewahrungsfristen vernichtet werden können.

Die Akten sind dem Staatsarchiv geordnet und mit einem Verzeichnis versehen abzuliefern. Nach der Ablieferung geht die Verfügungsgewalt auf das Staatsarchiv über.

§ 23. Dem Staatsarchiv ist ferner laufend von allen eigenen Veröffentlichungen (Rechenschaftsberichte, Festschriften, Dokumentationen usw.) ein Exemplar zuzustellen.

§ 24. Der Transport der Akten in das Staatsarchiv ist Sache der abliefernden Stellen.

§ 25. Die vom Staatsarchiv nicht übernommenen Akten sind nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu vernichten. Dabei ist dafür zu sorgen, dass ein Missbrauch der Akten ausgeschlossen ist.

§ 26. Die Ablieferung der Akten an das Staatsarchiv und die Vernichtung der übrigen Akten sind durch den Gerichtspräsidenten bzw. die Gerichtspräsidentin anzuordnen.


VII. Aufbewahrung von Tonbandaufnahmen und Handprotokollen

§ 27. Tonbandaufnahmen, die zur Erstellung des Protokolls dienten, und Handprotokolle von Verhandlungen sind mindestens bis zu dem in § 21 bezeichneten Zeitpunkt aufzubewahren.

In Fällen, in denen auf Ausfertigung des Protokolls verzichtet wird, dürfen die Handprotokolle frühestens ein Jahr nach Abschluss des Verfahrens vernichtet werden.

Der die Verhandlung leitende Richter bzw. die die Verhandlung leitende Richterin kann im Einzelfall eine abweichende Anweisung erteilen.


VIII. Inkrafttreten

§ 28. Diese Verordnung tritt am 1. Juli 2001 in Kraft. Sie ist in die Gesetzessammlung aufzunehmen. Die Verordnung des Obergerichtes über die Archive der Gerichte, der Friedensrichter-, Gemeindeammann-, Stadtammann- und der Betreibungsämter vom 29. Juni 1994 wird mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung aufgehoben.

Im Namen des Plenarausschusses der Gerichte

Der Präsident: Der Sekretär:
Marco Jagmetti Paul Wegmann